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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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einer unzureichenden Sängerin, der das Publicum doch großen Bei-
fall gezollt, war in der That ganz artig anzuhören und die Damen
lachten sehr, während Frau von Varnhagen durch eingestreute Scherz-
und Schlagworte die Scharfe milderte und den Ernst erhöhte.

Eine polnische Dame rrat ein und mit ihr einige Stille, denn
sie war der Gesellschaft und auch dem Hause -- wie es schien --
ziemlich fremd und machte nur einen kurzen Anstandöbesuch. Frau
von Varnhagen hatte auch für diese Dame in unbefangener Weise
gleich den rechten Ton, und ich hörte ein feines, sehr verbindliches
Gespräch, das mich vermuthen ließ, Frau von Varnhagen sei hier zu
einigem Dank verpflichtet und wolle dieses andeuten. Wie sehr, er¬
staunte ich später, als ich erfuhr, daß eine solche Verpflichtung eher
im entgegengesetzten Verhältnisse stattfand, indem der Mann der Po¬
lin nicht ohne die starke Einwirkung deö guten Rathes und der klu¬
gen Leitung der Frau von Varnhagen zu einer ihm höchst erwünsch¬
ten Beförderung gelangt war! Die Sache hatte die lustige Be¬
wandtnis", daß der Pole, welcher früher allen seinen Unmuth, alle
seine politische Freigeisterei, so wie seine härtesten persönlichen Ur¬
theile rückhaltslos der einsichtsvollen Freundin vertraut hatte, jetzt
nach erlangtem Ziele in ganz entgegengesetztem Sinne sprach und auch
gegen sie, und sogar unter vier Augen, den feurigsten Anhänger deö
Staats und der Minister vorstellte und von jeher diese Gesinnung
bekannt haben wollte! Dies hatte neben der empörenden auch seine
ergötzliche Seite und gewährte nicht selten der geistigen Ueberlegenheit
den Vortheil, dem Neulinge, der in der frischen Rolle noch nicht ganz
geübt war, in seinem Eifer den Rang abzulaufen und ihn als noch
viel zu lau gesinnt erscheinen zu lassen. Die Frau jedoch schien un¬
befangen und ohne Theil an jenem Bemühen. Unter solchen Um¬
ständen hatte das Benehmen der Frau von Varnhagen jetzt das dop¬
pelte Verdienst richtiger Zurmthaltung und seiner Schonung; dies
wurde uns Allen erst recht offenbar, als Ludwig Robert, nachdem der
Besuch sich wieder empfohlen hatte, seine beißenden Bemerkungen
nicht sparte, so sehr dies auch seiner Schwester zu mißfallen schien.

Der General Cordova war keine gleichgiltige Erscheinung, er
zog die Blicke sehr auf sich und war es gewohnt, daß die Damen
ihn günstig beachteten. Ein schöner schlanker Mann, von bedeutender
Physiognomie, feurigen, unternehmenden Ansehns, ausgestattet mit


einer unzureichenden Sängerin, der das Publicum doch großen Bei-
fall gezollt, war in der That ganz artig anzuhören und die Damen
lachten sehr, während Frau von Varnhagen durch eingestreute Scherz-
und Schlagworte die Scharfe milderte und den Ernst erhöhte.

Eine polnische Dame rrat ein und mit ihr einige Stille, denn
sie war der Gesellschaft und auch dem Hause — wie es schien —
ziemlich fremd und machte nur einen kurzen Anstandöbesuch. Frau
von Varnhagen hatte auch für diese Dame in unbefangener Weise
gleich den rechten Ton, und ich hörte ein feines, sehr verbindliches
Gespräch, das mich vermuthen ließ, Frau von Varnhagen sei hier zu
einigem Dank verpflichtet und wolle dieses andeuten. Wie sehr, er¬
staunte ich später, als ich erfuhr, daß eine solche Verpflichtung eher
im entgegengesetzten Verhältnisse stattfand, indem der Mann der Po¬
lin nicht ohne die starke Einwirkung deö guten Rathes und der klu¬
gen Leitung der Frau von Varnhagen zu einer ihm höchst erwünsch¬
ten Beförderung gelangt war! Die Sache hatte die lustige Be¬
wandtnis«, daß der Pole, welcher früher allen seinen Unmuth, alle
seine politische Freigeisterei, so wie seine härtesten persönlichen Ur¬
theile rückhaltslos der einsichtsvollen Freundin vertraut hatte, jetzt
nach erlangtem Ziele in ganz entgegengesetztem Sinne sprach und auch
gegen sie, und sogar unter vier Augen, den feurigsten Anhänger deö
Staats und der Minister vorstellte und von jeher diese Gesinnung
bekannt haben wollte! Dies hatte neben der empörenden auch seine
ergötzliche Seite und gewährte nicht selten der geistigen Ueberlegenheit
den Vortheil, dem Neulinge, der in der frischen Rolle noch nicht ganz
geübt war, in seinem Eifer den Rang abzulaufen und ihn als noch
viel zu lau gesinnt erscheinen zu lassen. Die Frau jedoch schien un¬
befangen und ohne Theil an jenem Bemühen. Unter solchen Um¬
ständen hatte das Benehmen der Frau von Varnhagen jetzt das dop¬
pelte Verdienst richtiger Zurmthaltung und seiner Schonung; dies
wurde uns Allen erst recht offenbar, als Ludwig Robert, nachdem der
Besuch sich wieder empfohlen hatte, seine beißenden Bemerkungen
nicht sparte, so sehr dies auch seiner Schwester zu mißfallen schien.

Der General Cordova war keine gleichgiltige Erscheinung, er
zog die Blicke sehr auf sich und war es gewohnt, daß die Damen
ihn günstig beachteten. Ein schöner schlanker Mann, von bedeutender
Physiognomie, feurigen, unternehmenden Ansehns, ausgestattet mit


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[0184] einer unzureichenden Sängerin, der das Publicum doch großen Bei- fall gezollt, war in der That ganz artig anzuhören und die Damen lachten sehr, während Frau von Varnhagen durch eingestreute Scherz- und Schlagworte die Scharfe milderte und den Ernst erhöhte. Eine polnische Dame rrat ein und mit ihr einige Stille, denn sie war der Gesellschaft und auch dem Hause — wie es schien — ziemlich fremd und machte nur einen kurzen Anstandöbesuch. Frau von Varnhagen hatte auch für diese Dame in unbefangener Weise gleich den rechten Ton, und ich hörte ein feines, sehr verbindliches Gespräch, das mich vermuthen ließ, Frau von Varnhagen sei hier zu einigem Dank verpflichtet und wolle dieses andeuten. Wie sehr, er¬ staunte ich später, als ich erfuhr, daß eine solche Verpflichtung eher im entgegengesetzten Verhältnisse stattfand, indem der Mann der Po¬ lin nicht ohne die starke Einwirkung deö guten Rathes und der klu¬ gen Leitung der Frau von Varnhagen zu einer ihm höchst erwünsch¬ ten Beförderung gelangt war! Die Sache hatte die lustige Be¬ wandtnis«, daß der Pole, welcher früher allen seinen Unmuth, alle seine politische Freigeisterei, so wie seine härtesten persönlichen Ur¬ theile rückhaltslos der einsichtsvollen Freundin vertraut hatte, jetzt nach erlangtem Ziele in ganz entgegengesetztem Sinne sprach und auch gegen sie, und sogar unter vier Augen, den feurigsten Anhänger deö Staats und der Minister vorstellte und von jeher diese Gesinnung bekannt haben wollte! Dies hatte neben der empörenden auch seine ergötzliche Seite und gewährte nicht selten der geistigen Ueberlegenheit den Vortheil, dem Neulinge, der in der frischen Rolle noch nicht ganz geübt war, in seinem Eifer den Rang abzulaufen und ihn als noch viel zu lau gesinnt erscheinen zu lassen. Die Frau jedoch schien un¬ befangen und ohne Theil an jenem Bemühen. Unter solchen Um¬ ständen hatte das Benehmen der Frau von Varnhagen jetzt das dop¬ pelte Verdienst richtiger Zurmthaltung und seiner Schonung; dies wurde uns Allen erst recht offenbar, als Ludwig Robert, nachdem der Besuch sich wieder empfohlen hatte, seine beißenden Bemerkungen nicht sparte, so sehr dies auch seiner Schwester zu mißfallen schien. Der General Cordova war keine gleichgiltige Erscheinung, er zog die Blicke sehr auf sich und war es gewohnt, daß die Damen ihn günstig beachteten. Ein schöner schlanker Mann, von bedeutender Physiognomie, feurigen, unternehmenden Ansehns, ausgestattet mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/184>, abgerufen am 28.09.2024.