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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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schlag deö Staatsministeriums, welches nicht allein die politische",
sondern auch alle anderen Gegenstande der Presse, und zwar nicht
vorübergehend, sondern auf immer umfasst, erlassen worden. Nach
demselben sind eine nicht unbedeutende Anzahl älterer Beschränkungen wie¬
der in's Leben gerufen worden, jedoch die Gewerbefreiheit hinsichtlich der
Monatsschriften gestattet worden. Später sind auch die Ober - Censur-
Nichter -- zwölf an der Zahl -- ernannt und eilte Censur-Proceß-
Ordnung von den Ministem des Innern und der Justiz veröffentlicht
worden. Mit Ausnahme von zwei Geheimen - Ober - Tribunal-
Räthen und zwei Professoren sind nun alle Ober-Censur-Richter
Ministerialräthe. Die Minister mithin haben in Preußen das Recht,
die Mitglieder dazu vorzuschlagen, und haben von diesem Recht
gleich in der Art Gebrauch gemacht, daß sie die größere Zahl
aus ihren eigenen Räthen gewählt haben, die dadurch nicht allein
von andern Arbeiten abgezogen werden/ sondern auch so oft ein
Interesse bei der Sache haben, als Gesetze oder Ministerial-Verfügungen
von der Presse beleuchtet und angegriffen werden. Ministerialräthe
hätten umso weniger zu Ober-Censur-Richtern bestellt werden sollen,
als nach dem Landesgesetze die Entscheidung eines jeden Richters,
der ein nahes oder.nur entferntes Interesse bei der Sache hat, abgelehnt
werden darf. Durch diese, zwar wohlgemeinte, aber unsers Erach-
tens sür die Gegenwart nicht mehr ausreichende Institution hat die
Presse dennoch an Terrain etwas gewonnen, da das Ober-Censur-
Gericht alle seine Entscheidungen, wozu es übrigens nicht verpflichtet
ist, bisher mit Gründen motivirt hat und viele der öffentlichen
Prüfung übergeben worden sind. Die Censur-Gesetze sind aber im
Allgemeinen in Preußen viel zu beengend, als daß eine freisinnige Be¬
sprechung der Landesangelegenheiten und der politischen Ereignisse
möglich wäre, da nicht nur eine bescheidene und ernste, wie in dem
alten Censur-Edict vom "8. October 181!), sondern sogar eine
wohlmeinende Untersuchung der Wahrheit gefordert wird, eine Be¬
dingung, die es sogar zweifelhaft läßt, ob selbst erwiesene, aber höchst
gravirende Thatsachen veröffentlicht werden dürfen. Alle diese Aus¬
nahmsgesetze haben aber im Publicum eine günstige Aufnahme nicht
gefunden, was nicht überraschen darf, da sie bedeutend strenger als
die sogenannten Karlsbader Beschlüsse sind, nach welchen eine Appella¬
tion von der Censur an die Gerichte zulässig ist. Wenigstens diese hätte


schlag deö Staatsministeriums, welches nicht allein die politische»,
sondern auch alle anderen Gegenstande der Presse, und zwar nicht
vorübergehend, sondern auf immer umfasst, erlassen worden. Nach
demselben sind eine nicht unbedeutende Anzahl älterer Beschränkungen wie¬
der in's Leben gerufen worden, jedoch die Gewerbefreiheit hinsichtlich der
Monatsschriften gestattet worden. Später sind auch die Ober - Censur-
Nichter — zwölf an der Zahl — ernannt und eilte Censur-Proceß-
Ordnung von den Ministem des Innern und der Justiz veröffentlicht
worden. Mit Ausnahme von zwei Geheimen - Ober - Tribunal-
Räthen und zwei Professoren sind nun alle Ober-Censur-Richter
Ministerialräthe. Die Minister mithin haben in Preußen das Recht,
die Mitglieder dazu vorzuschlagen, und haben von diesem Recht
gleich in der Art Gebrauch gemacht, daß sie die größere Zahl
aus ihren eigenen Räthen gewählt haben, die dadurch nicht allein
von andern Arbeiten abgezogen werden/ sondern auch so oft ein
Interesse bei der Sache haben, als Gesetze oder Ministerial-Verfügungen
von der Presse beleuchtet und angegriffen werden. Ministerialräthe
hätten umso weniger zu Ober-Censur-Richtern bestellt werden sollen,
als nach dem Landesgesetze die Entscheidung eines jeden Richters,
der ein nahes oder.nur entferntes Interesse bei der Sache hat, abgelehnt
werden darf. Durch diese, zwar wohlgemeinte, aber unsers Erach-
tens sür die Gegenwart nicht mehr ausreichende Institution hat die
Presse dennoch an Terrain etwas gewonnen, da das Ober-Censur-
Gericht alle seine Entscheidungen, wozu es übrigens nicht verpflichtet
ist, bisher mit Gründen motivirt hat und viele der öffentlichen
Prüfung übergeben worden sind. Die Censur-Gesetze sind aber im
Allgemeinen in Preußen viel zu beengend, als daß eine freisinnige Be¬
sprechung der Landesangelegenheiten und der politischen Ereignisse
möglich wäre, da nicht nur eine bescheidene und ernste, wie in dem
alten Censur-Edict vom «8. October 181!), sondern sogar eine
wohlmeinende Untersuchung der Wahrheit gefordert wird, eine Be¬
dingung, die es sogar zweifelhaft läßt, ob selbst erwiesene, aber höchst
gravirende Thatsachen veröffentlicht werden dürfen. Alle diese Aus¬
nahmsgesetze haben aber im Publicum eine günstige Aufnahme nicht
gefunden, was nicht überraschen darf, da sie bedeutend strenger als
die sogenannten Karlsbader Beschlüsse sind, nach welchen eine Appella¬
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[0016] schlag deö Staatsministeriums, welches nicht allein die politische», sondern auch alle anderen Gegenstande der Presse, und zwar nicht vorübergehend, sondern auf immer umfasst, erlassen worden. Nach demselben sind eine nicht unbedeutende Anzahl älterer Beschränkungen wie¬ der in's Leben gerufen worden, jedoch die Gewerbefreiheit hinsichtlich der Monatsschriften gestattet worden. Später sind auch die Ober - Censur- Nichter — zwölf an der Zahl — ernannt und eilte Censur-Proceß- Ordnung von den Ministem des Innern und der Justiz veröffentlicht worden. Mit Ausnahme von zwei Geheimen - Ober - Tribunal- Räthen und zwei Professoren sind nun alle Ober-Censur-Richter Ministerialräthe. Die Minister mithin haben in Preußen das Recht, die Mitglieder dazu vorzuschlagen, und haben von diesem Recht gleich in der Art Gebrauch gemacht, daß sie die größere Zahl aus ihren eigenen Räthen gewählt haben, die dadurch nicht allein von andern Arbeiten abgezogen werden/ sondern auch so oft ein Interesse bei der Sache haben, als Gesetze oder Ministerial-Verfügungen von der Presse beleuchtet und angegriffen werden. Ministerialräthe hätten umso weniger zu Ober-Censur-Richtern bestellt werden sollen, als nach dem Landesgesetze die Entscheidung eines jeden Richters, der ein nahes oder.nur entferntes Interesse bei der Sache hat, abgelehnt werden darf. Durch diese, zwar wohlgemeinte, aber unsers Erach- tens sür die Gegenwart nicht mehr ausreichende Institution hat die Presse dennoch an Terrain etwas gewonnen, da das Ober-Censur- Gericht alle seine Entscheidungen, wozu es übrigens nicht verpflichtet ist, bisher mit Gründen motivirt hat und viele der öffentlichen Prüfung übergeben worden sind. Die Censur-Gesetze sind aber im Allgemeinen in Preußen viel zu beengend, als daß eine freisinnige Be¬ sprechung der Landesangelegenheiten und der politischen Ereignisse möglich wäre, da nicht nur eine bescheidene und ernste, wie in dem alten Censur-Edict vom «8. October 181!), sondern sogar eine wohlmeinende Untersuchung der Wahrheit gefordert wird, eine Be¬ dingung, die es sogar zweifelhaft läßt, ob selbst erwiesene, aber höchst gravirende Thatsachen veröffentlicht werden dürfen. Alle diese Aus¬ nahmsgesetze haben aber im Publicum eine günstige Aufnahme nicht gefunden, was nicht überraschen darf, da sie bedeutend strenger als die sogenannten Karlsbader Beschlüsse sind, nach welchen eine Appella¬ tion von der Censur an die Gerichte zulässig ist. Wenigstens diese hätte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/16>, abgerufen am 26.06.2024.