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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Zeugniß der Polizei-Behörden über seine Sittlichkeit betbringt, der
Gewerbeschein versagt werden solle. Die Verwirklichung dieses Ge¬
setzes für die Schriftsteller sowohl als das lesende Publicum hätte
aus einem doppelten Grunde eintreten sollen, theils deshalb weil
der Literat auf der einen Seite unter fortwährender Censur steht,
auf der andern aber nur durch Vermittelung eines Buchdruckers oder
Buchhändlers wirken kann, deren Concession das allgemeine Gewerbe¬
gesetz selbst von besondern Bedingungen abhangig macht. Unter der
Verwaltung des bekannten Geheimen Rath von Tzschoppe ging man
in der Aengstlichkeit so weit, daß man von dem Redacteur eines
jeden Blattes eine politische, literarische und sittliche Garantie ver¬
langte. Jetzt wird, wie wir in einem neuesten Ministcrial-Rescripta
lesen, die Befähigung und das längst gefühlte Bedürfniß verlangt. Bei¬
des ist aber gegen das Gesetz über allgemeine Gewerbefreiheit. Die
Beurtheilung der Befähigung ist lediglich Sache der Abonnenten,
und um das Bedürfniß kümmert sich grundgesetzlich die Regierung
nicht mehr, seitdem die alte Zunftverfassung mit ihren Zwangö- und
Ausschließungsrechten aufgehoben worden ist.

Aber nicht allein diesen exceptionellen Verordnungen ist die geistige
Thätigkeit in Preußen unterworfen, sondern auch alle anderen Censur-
Gesetze sind ohne ständische Begutachtung erlassen worden, obwohl
das Grundgesetz vom 5. Juni 1823 ausdrücklich vorschreibt, daß alle
allgemeinen Gesetze, welche die Personen, das Eigenthum und die
Steuern betreffen, vorher von den Provinzial-Ständen begutachtet
werden sollen. In Preußen sind drei allgemeine Censur-Gesetze für
das ganze Land ohne Beobachtung dieser wichtigen und wesentlichen
Förmlichkeit in diesem Jahre erlassen worden. Unter'in 4. Februar
wurde durch eine Kabinets - Ordre die vom Ministerium entworfene
neue Censur-Instruction genehmigt und eingeführt. Man hielt nun
die Preußische' Censur-Gesetzgebung, wenigstens sür das laufende
Jahr, für geschlossen, da es in dz 13 der gedachten Instruction aus¬
drücklich hieß, daß nur besondere Zeitumstände einen vorübergehenden
Erlaß, der jedoch von nun an stets von dem Landesfürsten ausgehen
soll, über die Gestattung oder Versagung des Druckes von Schriften und
Artikeln, die sich auf politische Gegenstände beziehen, begründen können.
Neue Ereignisse sind indeß, wie Jeder weiß, nicht eingetreten; und
dennoch ist unter'in 30. Juni d. I. ein neues Gesetz auf den Vor-


Zeugniß der Polizei-Behörden über seine Sittlichkeit betbringt, der
Gewerbeschein versagt werden solle. Die Verwirklichung dieses Ge¬
setzes für die Schriftsteller sowohl als das lesende Publicum hätte
aus einem doppelten Grunde eintreten sollen, theils deshalb weil
der Literat auf der einen Seite unter fortwährender Censur steht,
auf der andern aber nur durch Vermittelung eines Buchdruckers oder
Buchhändlers wirken kann, deren Concession das allgemeine Gewerbe¬
gesetz selbst von besondern Bedingungen abhangig macht. Unter der
Verwaltung des bekannten Geheimen Rath von Tzschoppe ging man
in der Aengstlichkeit so weit, daß man von dem Redacteur eines
jeden Blattes eine politische, literarische und sittliche Garantie ver¬
langte. Jetzt wird, wie wir in einem neuesten Ministcrial-Rescripta
lesen, die Befähigung und das längst gefühlte Bedürfniß verlangt. Bei¬
des ist aber gegen das Gesetz über allgemeine Gewerbefreiheit. Die
Beurtheilung der Befähigung ist lediglich Sache der Abonnenten,
und um das Bedürfniß kümmert sich grundgesetzlich die Regierung
nicht mehr, seitdem die alte Zunftverfassung mit ihren Zwangö- und
Ausschließungsrechten aufgehoben worden ist.

Aber nicht allein diesen exceptionellen Verordnungen ist die geistige
Thätigkeit in Preußen unterworfen, sondern auch alle anderen Censur-
Gesetze sind ohne ständische Begutachtung erlassen worden, obwohl
das Grundgesetz vom 5. Juni 1823 ausdrücklich vorschreibt, daß alle
allgemeinen Gesetze, welche die Personen, das Eigenthum und die
Steuern betreffen, vorher von den Provinzial-Ständen begutachtet
werden sollen. In Preußen sind drei allgemeine Censur-Gesetze für
das ganze Land ohne Beobachtung dieser wichtigen und wesentlichen
Förmlichkeit in diesem Jahre erlassen worden. Unter'in 4. Februar
wurde durch eine Kabinets - Ordre die vom Ministerium entworfene
neue Censur-Instruction genehmigt und eingeführt. Man hielt nun
die Preußische' Censur-Gesetzgebung, wenigstens sür das laufende
Jahr, für geschlossen, da es in dz 13 der gedachten Instruction aus¬
drücklich hieß, daß nur besondere Zeitumstände einen vorübergehenden
Erlaß, der jedoch von nun an stets von dem Landesfürsten ausgehen
soll, über die Gestattung oder Versagung des Druckes von Schriften und
Artikeln, die sich auf politische Gegenstände beziehen, begründen können.
Neue Ereignisse sind indeß, wie Jeder weiß, nicht eingetreten; und
dennoch ist unter'in 30. Juni d. I. ein neues Gesetz auf den Vor-


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[0015] Zeugniß der Polizei-Behörden über seine Sittlichkeit betbringt, der Gewerbeschein versagt werden solle. Die Verwirklichung dieses Ge¬ setzes für die Schriftsteller sowohl als das lesende Publicum hätte aus einem doppelten Grunde eintreten sollen, theils deshalb weil der Literat auf der einen Seite unter fortwährender Censur steht, auf der andern aber nur durch Vermittelung eines Buchdruckers oder Buchhändlers wirken kann, deren Concession das allgemeine Gewerbe¬ gesetz selbst von besondern Bedingungen abhangig macht. Unter der Verwaltung des bekannten Geheimen Rath von Tzschoppe ging man in der Aengstlichkeit so weit, daß man von dem Redacteur eines jeden Blattes eine politische, literarische und sittliche Garantie ver¬ langte. Jetzt wird, wie wir in einem neuesten Ministcrial-Rescripta lesen, die Befähigung und das längst gefühlte Bedürfniß verlangt. Bei¬ des ist aber gegen das Gesetz über allgemeine Gewerbefreiheit. Die Beurtheilung der Befähigung ist lediglich Sache der Abonnenten, und um das Bedürfniß kümmert sich grundgesetzlich die Regierung nicht mehr, seitdem die alte Zunftverfassung mit ihren Zwangö- und Ausschließungsrechten aufgehoben worden ist. Aber nicht allein diesen exceptionellen Verordnungen ist die geistige Thätigkeit in Preußen unterworfen, sondern auch alle anderen Censur- Gesetze sind ohne ständische Begutachtung erlassen worden, obwohl das Grundgesetz vom 5. Juni 1823 ausdrücklich vorschreibt, daß alle allgemeinen Gesetze, welche die Personen, das Eigenthum und die Steuern betreffen, vorher von den Provinzial-Ständen begutachtet werden sollen. In Preußen sind drei allgemeine Censur-Gesetze für das ganze Land ohne Beobachtung dieser wichtigen und wesentlichen Förmlichkeit in diesem Jahre erlassen worden. Unter'in 4. Februar wurde durch eine Kabinets - Ordre die vom Ministerium entworfene neue Censur-Instruction genehmigt und eingeführt. Man hielt nun die Preußische' Censur-Gesetzgebung, wenigstens sür das laufende Jahr, für geschlossen, da es in dz 13 der gedachten Instruction aus¬ drücklich hieß, daß nur besondere Zeitumstände einen vorübergehenden Erlaß, der jedoch von nun an stets von dem Landesfürsten ausgehen soll, über die Gestattung oder Versagung des Druckes von Schriften und Artikeln, die sich auf politische Gegenstände beziehen, begründen können. Neue Ereignisse sind indeß, wie Jeder weiß, nicht eingetreten; und dennoch ist unter'in 30. Juni d. I. ein neues Gesetz auf den Vor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/15>, abgerufen am 23.12.2024.