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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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direndm arm sind; man kennt die Bonner und Heidelberger Aristo¬
kratie nicht.

In der Juristenfacultät waren früher, wie schon erwähnt, die
bedeutendsten Männer, unter den jetzigen Lehrern wüßten wir kaum
Einen hervorzuheben. Professor Endemann, der liberalste und be¬
liebteste derselben liest ein nicht ganz uninteressantes Heft über deut¬
sches Privatrecht, aber ohne Originalwerth. Professor Platner und
Professor Löbell sind alt und bequem, sie vermögen nicht zu erheben,
am wenigsten der letztere mit seinem herben Vortrag. Dagegen ist
der einzige Mann der ganzen Universität, der die vollste Anerken¬
nung verdiente, aber bisher von der höchsten Einsicht doch noch man¬
gelhaft gefunden zu sein scheint, Professor Bündel. Seine Pandekten,
die er nach Wening-Jugenheim liest, sind äußerst tüchtig und na¬
mentlich bet den Controversen kernhaft und bestimmt. Seine civili¬
stischen Erörterungen haben, obwohl schon 1836 erschienen, erst jetzt
durchzuringen vermocht und bereits gerechte Anerkennung gefunden.
Bündel ist nach langen rastlosen Bestrebungen erst im Anfang dieses
Jahres zum ordentlichen Professor ernannt worden; der Grund seiner
bisherigen Zurücksetzung soll in der Verdächtigung früherer politi¬
scher Meinungen und in Theilnahme an gewissen Landtagen zu
suchen sein. Vielleicht wäre er noch immer nicht seiner untergeord¬
neten Stellung entzogen, wenn er nicht einen Ruf nach Breslau
erhalten, und man den einzigen Romanisten von Bedeutung zu ver¬
lieren gefürchtet hätte. Von den-Uebrigen ist Nichts zu bemerken,
es wäre denn Negatives. Der Mann, von dem ich am liebsten
reden möchte, dessen Verdienste als Staatsrechtslehrer nicht un¬
bedeutender sind, als die um die Hessische Nation, er kann als aka¬
demischer Lehrer jetzt nicht mehr genannt werden, der Riegel des Ge¬
fängnisses trennt ihn von einer begeisterten Jugend, und die Augen,
welche einst freudig an seinem zaubergewaltigen Munde hingen, sehen
ihn jetzt geknickt, auf den Arm seiner Frau gestützt und von Polizei¬
soldaten überwacht, einherwand"in -- das Opfer der heimlichen Ge¬
richtsbarkeit. Dieser Mann ist Sylvester Jordan.

Der medizinischen Facultät ist mit dem Tode Vünger'S der
letzte Klang geraubt. Sie besteht aus den ältesten, unbeseelt Professoren
und aus jungen bedeutungslosen Docenten, unter denen sich einzig
1)r. Robert die Sympathie der Studirenden erworben.


direndm arm sind; man kennt die Bonner und Heidelberger Aristo¬
kratie nicht.

In der Juristenfacultät waren früher, wie schon erwähnt, die
bedeutendsten Männer, unter den jetzigen Lehrern wüßten wir kaum
Einen hervorzuheben. Professor Endemann, der liberalste und be¬
liebteste derselben liest ein nicht ganz uninteressantes Heft über deut¬
sches Privatrecht, aber ohne Originalwerth. Professor Platner und
Professor Löbell sind alt und bequem, sie vermögen nicht zu erheben,
am wenigsten der letztere mit seinem herben Vortrag. Dagegen ist
der einzige Mann der ganzen Universität, der die vollste Anerken¬
nung verdiente, aber bisher von der höchsten Einsicht doch noch man¬
gelhaft gefunden zu sein scheint, Professor Bündel. Seine Pandekten,
die er nach Wening-Jugenheim liest, sind äußerst tüchtig und na¬
mentlich bet den Controversen kernhaft und bestimmt. Seine civili¬
stischen Erörterungen haben, obwohl schon 1836 erschienen, erst jetzt
durchzuringen vermocht und bereits gerechte Anerkennung gefunden.
Bündel ist nach langen rastlosen Bestrebungen erst im Anfang dieses
Jahres zum ordentlichen Professor ernannt worden; der Grund seiner
bisherigen Zurücksetzung soll in der Verdächtigung früherer politi¬
scher Meinungen und in Theilnahme an gewissen Landtagen zu
suchen sein. Vielleicht wäre er noch immer nicht seiner untergeord¬
neten Stellung entzogen, wenn er nicht einen Ruf nach Breslau
erhalten, und man den einzigen Romanisten von Bedeutung zu ver¬
lieren gefürchtet hätte. Von den-Uebrigen ist Nichts zu bemerken,
es wäre denn Negatives. Der Mann, von dem ich am liebsten
reden möchte, dessen Verdienste als Staatsrechtslehrer nicht un¬
bedeutender sind, als die um die Hessische Nation, er kann als aka¬
demischer Lehrer jetzt nicht mehr genannt werden, der Riegel des Ge¬
fängnisses trennt ihn von einer begeisterten Jugend, und die Augen,
welche einst freudig an seinem zaubergewaltigen Munde hingen, sehen
ihn jetzt geknickt, auf den Arm seiner Frau gestützt und von Polizei¬
soldaten überwacht, einherwand»in — das Opfer der heimlichen Ge¬
richtsbarkeit. Dieser Mann ist Sylvester Jordan.

Der medizinischen Facultät ist mit dem Tode Vünger'S der
letzte Klang geraubt. Sie besteht aus den ältesten, unbeseelt Professoren
und aus jungen bedeutungslosen Docenten, unter denen sich einzig
1)r. Robert die Sympathie der Studirenden erworben.


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[0153] direndm arm sind; man kennt die Bonner und Heidelberger Aristo¬ kratie nicht. In der Juristenfacultät waren früher, wie schon erwähnt, die bedeutendsten Männer, unter den jetzigen Lehrern wüßten wir kaum Einen hervorzuheben. Professor Endemann, der liberalste und be¬ liebteste derselben liest ein nicht ganz uninteressantes Heft über deut¬ sches Privatrecht, aber ohne Originalwerth. Professor Platner und Professor Löbell sind alt und bequem, sie vermögen nicht zu erheben, am wenigsten der letztere mit seinem herben Vortrag. Dagegen ist der einzige Mann der ganzen Universität, der die vollste Anerken¬ nung verdiente, aber bisher von der höchsten Einsicht doch noch man¬ gelhaft gefunden zu sein scheint, Professor Bündel. Seine Pandekten, die er nach Wening-Jugenheim liest, sind äußerst tüchtig und na¬ mentlich bet den Controversen kernhaft und bestimmt. Seine civili¬ stischen Erörterungen haben, obwohl schon 1836 erschienen, erst jetzt durchzuringen vermocht und bereits gerechte Anerkennung gefunden. Bündel ist nach langen rastlosen Bestrebungen erst im Anfang dieses Jahres zum ordentlichen Professor ernannt worden; der Grund seiner bisherigen Zurücksetzung soll in der Verdächtigung früherer politi¬ scher Meinungen und in Theilnahme an gewissen Landtagen zu suchen sein. Vielleicht wäre er noch immer nicht seiner untergeord¬ neten Stellung entzogen, wenn er nicht einen Ruf nach Breslau erhalten, und man den einzigen Romanisten von Bedeutung zu ver¬ lieren gefürchtet hätte. Von den-Uebrigen ist Nichts zu bemerken, es wäre denn Negatives. Der Mann, von dem ich am liebsten reden möchte, dessen Verdienste als Staatsrechtslehrer nicht un¬ bedeutender sind, als die um die Hessische Nation, er kann als aka¬ demischer Lehrer jetzt nicht mehr genannt werden, der Riegel des Ge¬ fängnisses trennt ihn von einer begeisterten Jugend, und die Augen, welche einst freudig an seinem zaubergewaltigen Munde hingen, sehen ihn jetzt geknickt, auf den Arm seiner Frau gestützt und von Polizei¬ soldaten überwacht, einherwand»in — das Opfer der heimlichen Ge¬ richtsbarkeit. Dieser Mann ist Sylvester Jordan. Der medizinischen Facultät ist mit dem Tode Vünger'S der letzte Klang geraubt. Sie besteht aus den ältesten, unbeseelt Professoren und aus jungen bedeutungslosen Docenten, unter denen sich einzig 1)r. Robert die Sympathie der Studirenden erworben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/153>, abgerufen am 29.06.2024.