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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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diesem Zwecke malte, hatte keinen Erfolg. Zu derselben Zeit aber
malte er eines seiner guten Schlachtenbilder: die Einnahme einer
Redoute.

Die classische Schule David's erfuhr bald eine Umwandlung;
unter Einfluß der großen militärischen Ereignisse jener Zeit neigte sie
sich zu immer größerer Modcmisirung des Kostümes und des dargestell¬
ten Gegenstandes, aber im Grund blieb sie immer classisch. Ein
französischer Schriftsteller entwirft folgende geistreiche Schilderung
vom damaligen Zustande der Kunst. "Die glänzenden Kriegsthaten
und die Begeisterung unserer Heere, und das wunderbare Genie
ihres Anführers, hätten Künstler, die weniger in den Traditionen
und Formen der classischen Kunst befangen gewesen wären, als die
unsern, gewiß zu Werken ganz neuer Art begeistert. Aber anstatt zu
schildern, was sie sahen, und statt den Krieger des neunzehnten Jahr¬
hunderts, wie er vor ihren Augen kämpfte, fiel und siegte, zu malen,
betrachteten alle großen Künstler jener Zeit -- mit sehr wenig Aus¬
nahmen -- diese Wirklichkeit als ihrer unwürdig und überließen es
denen, die sie verächtlich Genremaler nannten, die schrecklichen und
rührenden Scenen zu schildern, welche sie für zu gemein für ihren
-Pinsel hielten. Jene aber behielten den Basreliefstyl bei und be¬
schränkten sich darauf, den schon hundertmal gemalten antiken Sta¬
tuen die glänzenden Uniformen jener Zeit überzuhängen. Herkules
bedeckte seine breiten Schultern mit einem Küraß und schwang den
Pallasch, Bacchus zog den Husarcndolman an, Apollo setzte die
Grenadiermütze auf, Diana und Venus wurden Marketenderinnen
und Amor schlug die Trommel."

Horace Vernet war ganz der Mann dazu, um eine vollkommene
Reaction gegen die statuarische Schule einzuleiten. Zwischen einem
untergehenden und einem werdenden System steht stets der Skepti¬
cismus als Uebergang, und Horace Vernet ist ein Skeptiker in der
Malerei. Ohne Sinn für die Schönheit der Antike, die in der
Reinheit der Umrisse, größter Idealität der Formen, Correctheit der
Verhältnisse besteht; aber auch wenig bestrebt, den entgegengesetzten
Styl aus das Ausdrucksvollere ausging, sich anzueignen, wählte Ver¬
net einen Mittelweg. An die Stelle der der Antike nachgeahmten
Poesie setzte er zwar keine neue Poesie, sondern eine Prosa, leicht,
lebendig, glänzend, aber doch eine Prosa. Er malte mit Geist und Feuer


diesem Zwecke malte, hatte keinen Erfolg. Zu derselben Zeit aber
malte er eines seiner guten Schlachtenbilder: die Einnahme einer
Redoute.

Die classische Schule David's erfuhr bald eine Umwandlung;
unter Einfluß der großen militärischen Ereignisse jener Zeit neigte sie
sich zu immer größerer Modcmisirung des Kostümes und des dargestell¬
ten Gegenstandes, aber im Grund blieb sie immer classisch. Ein
französischer Schriftsteller entwirft folgende geistreiche Schilderung
vom damaligen Zustande der Kunst. „Die glänzenden Kriegsthaten
und die Begeisterung unserer Heere, und das wunderbare Genie
ihres Anführers, hätten Künstler, die weniger in den Traditionen
und Formen der classischen Kunst befangen gewesen wären, als die
unsern, gewiß zu Werken ganz neuer Art begeistert. Aber anstatt zu
schildern, was sie sahen, und statt den Krieger des neunzehnten Jahr¬
hunderts, wie er vor ihren Augen kämpfte, fiel und siegte, zu malen,
betrachteten alle großen Künstler jener Zeit — mit sehr wenig Aus¬
nahmen — diese Wirklichkeit als ihrer unwürdig und überließen es
denen, die sie verächtlich Genremaler nannten, die schrecklichen und
rührenden Scenen zu schildern, welche sie für zu gemein für ihren
-Pinsel hielten. Jene aber behielten den Basreliefstyl bei und be¬
schränkten sich darauf, den schon hundertmal gemalten antiken Sta¬
tuen die glänzenden Uniformen jener Zeit überzuhängen. Herkules
bedeckte seine breiten Schultern mit einem Küraß und schwang den
Pallasch, Bacchus zog den Husarcndolman an, Apollo setzte die
Grenadiermütze auf, Diana und Venus wurden Marketenderinnen
und Amor schlug die Trommel."

Horace Vernet war ganz der Mann dazu, um eine vollkommene
Reaction gegen die statuarische Schule einzuleiten. Zwischen einem
untergehenden und einem werdenden System steht stets der Skepti¬
cismus als Uebergang, und Horace Vernet ist ein Skeptiker in der
Malerei. Ohne Sinn für die Schönheit der Antike, die in der
Reinheit der Umrisse, größter Idealität der Formen, Correctheit der
Verhältnisse besteht; aber auch wenig bestrebt, den entgegengesetzten
Styl aus das Ausdrucksvollere ausging, sich anzueignen, wählte Ver¬
net einen Mittelweg. An die Stelle der der Antike nachgeahmten
Poesie setzte er zwar keine neue Poesie, sondern eine Prosa, leicht,
lebendig, glänzend, aber doch eine Prosa. Er malte mit Geist und Feuer


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[0142] diesem Zwecke malte, hatte keinen Erfolg. Zu derselben Zeit aber malte er eines seiner guten Schlachtenbilder: die Einnahme einer Redoute. Die classische Schule David's erfuhr bald eine Umwandlung; unter Einfluß der großen militärischen Ereignisse jener Zeit neigte sie sich zu immer größerer Modcmisirung des Kostümes und des dargestell¬ ten Gegenstandes, aber im Grund blieb sie immer classisch. Ein französischer Schriftsteller entwirft folgende geistreiche Schilderung vom damaligen Zustande der Kunst. „Die glänzenden Kriegsthaten und die Begeisterung unserer Heere, und das wunderbare Genie ihres Anführers, hätten Künstler, die weniger in den Traditionen und Formen der classischen Kunst befangen gewesen wären, als die unsern, gewiß zu Werken ganz neuer Art begeistert. Aber anstatt zu schildern, was sie sahen, und statt den Krieger des neunzehnten Jahr¬ hunderts, wie er vor ihren Augen kämpfte, fiel und siegte, zu malen, betrachteten alle großen Künstler jener Zeit — mit sehr wenig Aus¬ nahmen — diese Wirklichkeit als ihrer unwürdig und überließen es denen, die sie verächtlich Genremaler nannten, die schrecklichen und rührenden Scenen zu schildern, welche sie für zu gemein für ihren -Pinsel hielten. Jene aber behielten den Basreliefstyl bei und be¬ schränkten sich darauf, den schon hundertmal gemalten antiken Sta¬ tuen die glänzenden Uniformen jener Zeit überzuhängen. Herkules bedeckte seine breiten Schultern mit einem Küraß und schwang den Pallasch, Bacchus zog den Husarcndolman an, Apollo setzte die Grenadiermütze auf, Diana und Venus wurden Marketenderinnen und Amor schlug die Trommel." Horace Vernet war ganz der Mann dazu, um eine vollkommene Reaction gegen die statuarische Schule einzuleiten. Zwischen einem untergehenden und einem werdenden System steht stets der Skepti¬ cismus als Uebergang, und Horace Vernet ist ein Skeptiker in der Malerei. Ohne Sinn für die Schönheit der Antike, die in der Reinheit der Umrisse, größter Idealität der Formen, Correctheit der Verhältnisse besteht; aber auch wenig bestrebt, den entgegengesetzten Styl aus das Ausdrucksvollere ausging, sich anzueignen, wählte Ver¬ net einen Mittelweg. An die Stelle der der Antike nachgeahmten Poesie setzte er zwar keine neue Poesie, sondern eine Prosa, leicht, lebendig, glänzend, aber doch eine Prosa. Er malte mit Geist und Feuer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/142>, abgerufen am 28.09.2024.