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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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der glänzendste und originellste Jmprovisator unter den Malern
Europas.

Das Malertalent ist in der Familie Venet'S erblich. Anton
Venet, der Urgroßvater von Horace, war ein guter Maler von Avig-
non; sein Sohn war Claude Joseph Vernet, der erste Marinemaler
seiner Zeit. Von ihm erzählt man die bekannte Anekdote, daß er
sich während des Sturmes an den Mast habe binden lassen und
ruhig gezeichnet habe. Horace Vernet, sein Enkel, hat dieses Ereig-
niß zum Gegenstand eines Gemäldes gewählt, welches im Salon
von 1823 ausgestellt war und sich jetzt in der Galerie des Palais
Luxemburg befindet.

Der Sohn Joseph's, Carl Vernet, geboren 1758, war Historien¬
maler, doch hauptsächlich wegen seiner Reitergefechte berühmt. Er
war der Schüler seines Vaters, gewann in seinem dreiundzwanzig¬
sten Jahre den erstell Preis, reiste als königlicher Pensionär nach
Rom und erhielt 1787 für sein großes Gemälde, "der Triumph des
Paulus Aemilius", einen Platz in der königlichen Malerakademie an
der Seite seines Vaters. Unter dem Consulat und zu Anfang des
Kaiserreichs erwarb er sich großen Ruf; Keiner wußte einen Reiter
zu malen, wie er. Seine Hauptwerke sind: die Schlacht von Rivoli,
die Schlacht von Marengo mit dem Angriff der Kellermann'schen
Kürassiere, die Schlacht von Austerlitz, die Abreise der Marschälle,
der Einzug in Mailand :c. Karl Vernet starb im November 1836
in einem Alter von achtundsiebenzig Jahren und konnte daher den
Ruhm seines Namens in seinem Sohne größer und schöner fortleben
sehen.

Der Berühmteste und Letzte dieser Künstlerfamilie, denn Horace
Vernet hat nur eine Tochter, ward in Paris am 30. Juni 1789
geboren, und zwar in den Galerien des Louvre, wo sein Vater und
sein Großvater wohnten. Seine Neigung zur Malerei zeigte sich
schon in seiner frühesten Jugend.

Er hatte keinen andern Lehrer als seinen Vater. Dieser schickte
ihn zwar eine Zeit lang in Vincent's Atelier, um dort nach der An¬
tike und der Natur zu zeichnen; aber der junge Vernet kam wenig
dorthin, denn das Studium der Antike sprach ihn nicht an. In seinem
zwanzigsten Jahre bewarb er sich zwar nur seinem Vater zu Liebe
um das Reisestipendium, aber das mythologische Bild, welches er zu


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der glänzendste und originellste Jmprovisator unter den Malern
Europas.

Das Malertalent ist in der Familie Venet'S erblich. Anton
Venet, der Urgroßvater von Horace, war ein guter Maler von Avig-
non; sein Sohn war Claude Joseph Vernet, der erste Marinemaler
seiner Zeit. Von ihm erzählt man die bekannte Anekdote, daß er
sich während des Sturmes an den Mast habe binden lassen und
ruhig gezeichnet habe. Horace Vernet, sein Enkel, hat dieses Ereig-
niß zum Gegenstand eines Gemäldes gewählt, welches im Salon
von 1823 ausgestellt war und sich jetzt in der Galerie des Palais
Luxemburg befindet.

Der Sohn Joseph's, Carl Vernet, geboren 1758, war Historien¬
maler, doch hauptsächlich wegen seiner Reitergefechte berühmt. Er
war der Schüler seines Vaters, gewann in seinem dreiundzwanzig¬
sten Jahre den erstell Preis, reiste als königlicher Pensionär nach
Rom und erhielt 1787 für sein großes Gemälde, „der Triumph des
Paulus Aemilius", einen Platz in der königlichen Malerakademie an
der Seite seines Vaters. Unter dem Consulat und zu Anfang des
Kaiserreichs erwarb er sich großen Ruf; Keiner wußte einen Reiter
zu malen, wie er. Seine Hauptwerke sind: die Schlacht von Rivoli,
die Schlacht von Marengo mit dem Angriff der Kellermann'schen
Kürassiere, die Schlacht von Austerlitz, die Abreise der Marschälle,
der Einzug in Mailand :c. Karl Vernet starb im November 1836
in einem Alter von achtundsiebenzig Jahren und konnte daher den
Ruhm seines Namens in seinem Sohne größer und schöner fortleben
sehen.

Der Berühmteste und Letzte dieser Künstlerfamilie, denn Horace
Vernet hat nur eine Tochter, ward in Paris am 30. Juni 1789
geboren, und zwar in den Galerien des Louvre, wo sein Vater und
sein Großvater wohnten. Seine Neigung zur Malerei zeigte sich
schon in seiner frühesten Jugend.

Er hatte keinen andern Lehrer als seinen Vater. Dieser schickte
ihn zwar eine Zeit lang in Vincent's Atelier, um dort nach der An¬
tike und der Natur zu zeichnen; aber der junge Vernet kam wenig
dorthin, denn das Studium der Antike sprach ihn nicht an. In seinem
zwanzigsten Jahre bewarb er sich zwar nur seinem Vater zu Liebe
um das Reisestipendium, aber das mythologische Bild, welches er zu


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[0141] der glänzendste und originellste Jmprovisator unter den Malern Europas. Das Malertalent ist in der Familie Venet'S erblich. Anton Venet, der Urgroßvater von Horace, war ein guter Maler von Avig- non; sein Sohn war Claude Joseph Vernet, der erste Marinemaler seiner Zeit. Von ihm erzählt man die bekannte Anekdote, daß er sich während des Sturmes an den Mast habe binden lassen und ruhig gezeichnet habe. Horace Vernet, sein Enkel, hat dieses Ereig- niß zum Gegenstand eines Gemäldes gewählt, welches im Salon von 1823 ausgestellt war und sich jetzt in der Galerie des Palais Luxemburg befindet. Der Sohn Joseph's, Carl Vernet, geboren 1758, war Historien¬ maler, doch hauptsächlich wegen seiner Reitergefechte berühmt. Er war der Schüler seines Vaters, gewann in seinem dreiundzwanzig¬ sten Jahre den erstell Preis, reiste als königlicher Pensionär nach Rom und erhielt 1787 für sein großes Gemälde, „der Triumph des Paulus Aemilius", einen Platz in der königlichen Malerakademie an der Seite seines Vaters. Unter dem Consulat und zu Anfang des Kaiserreichs erwarb er sich großen Ruf; Keiner wußte einen Reiter zu malen, wie er. Seine Hauptwerke sind: die Schlacht von Rivoli, die Schlacht von Marengo mit dem Angriff der Kellermann'schen Kürassiere, die Schlacht von Austerlitz, die Abreise der Marschälle, der Einzug in Mailand :c. Karl Vernet starb im November 1836 in einem Alter von achtundsiebenzig Jahren und konnte daher den Ruhm seines Namens in seinem Sohne größer und schöner fortleben sehen. Der Berühmteste und Letzte dieser Künstlerfamilie, denn Horace Vernet hat nur eine Tochter, ward in Paris am 30. Juni 1789 geboren, und zwar in den Galerien des Louvre, wo sein Vater und sein Großvater wohnten. Seine Neigung zur Malerei zeigte sich schon in seiner frühesten Jugend. Er hatte keinen andern Lehrer als seinen Vater. Dieser schickte ihn zwar eine Zeit lang in Vincent's Atelier, um dort nach der An¬ tike und der Natur zu zeichnen; aber der junge Vernet kam wenig dorthin, denn das Studium der Antike sprach ihn nicht an. In seinem zwanzigsten Jahre bewarb er sich zwar nur seinem Vater zu Liebe um das Reisestipendium, aber das mythologische Bild, welches er zu Ar-nzbote» Isi-i- I. 18

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/141>, abgerufen am 22.12.2024.