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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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trefflich Bescheid weiß. Die Parallelen und Konsequenzen, die er
zieht, sind in die Augen springend und schlagend, er ist ganz Eins
mit seinem Gegenstand; Subject und Object hat sich, ein authentischer
Beweis für die Hegel'sche Philosophie, nie in schönerer Verbindung
gezeigt. Nur eine festere, kernhafte Grundlage in Wissen und Vor¬
trag wäre ihm noch zu wünschen, wie sie aus Marheineke's und
Vatke's tiefgediegcnem Wesen hervorschaut; nicht solches Luftfechten
und leeres Gesticuliren, das seiner Würde nur schade" kann. Mi-
chelet ist immer eine bemerkenswerthe Erscheinung.

Ein Mann des Tages war vor Jahren Werber, der als jun¬
ger Docent ein bedeutendes Auditorium zu erringen wußte. Werber
ist ein oratorischeS Talent, wenn Phrasen und Bombast den Redner
machen. Aber auch als Philosoph wird er es nie zu einiger Bedeu¬
tung bringen, obgleich er zu denen gehören will, die Hegel's Lehre
fortbilden. Er hat seinen Meister nicht verstanden, das beweist zur
Genüge der erste Theil seines Commentars zu Hegel's Logik -- der
zweite scheint blos in der Ankündigung zu leben. Was allein be¬
merkenswert!) sein dürfte, ist seine entwickelte Dialektik.
'

Jmistischcrseitö treten die Hegelschen Prinzipien auf eine geist¬
reiche Weise in den Vortragen des Prof. Heide manu hervor, der
mit einer feinen Dialektik durchdringende Geistesschärfe paart und
dem conservativen Stahl glücklich das Gleichgewicht hält.

Eine vereinzelte Erscheinung ist Trent elenburg. Talent ist
ihm nicht abzusprechen, er weiß seine Ansichten in einen geistreichen
Nimbus zu hüllen, aber ästhetisches Urtheil geht ihm gänzlich ab.
Zudem sind seine ehemaligen philologischen Studien zu fest mit ihm
und seinem Denken verwachsen. Aus dem Aristoteles kommt er fast
nie heraus, und wenn er einmal neuere Philosophie berücksichtigt,
bleibt er bei Herbart. Die logische Frage in Hegel's System hat
ihn zu öffentlichen Aeußerungen veranlaßt. Trendelenburg ist mehr
als Einer Negierungöprofessor. Arme Theologen und Philologen
weist man an ihn und seine unschuldige Logik. Daher sein stets ge¬
fülltes Auditorium, daher auch die glückliche Nebenbuhlerschaft mit
Michelet, dessen Geschichte der Philosophie mit Unrecht vernachlässigt
wird. Uebrigens ist er einer der wenigen Glücklichen, Klugen, die
Schelling zum Verständniß seiner neuen Philosophie gebracht, vielleicht


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trefflich Bescheid weiß. Die Parallelen und Konsequenzen, die er
zieht, sind in die Augen springend und schlagend, er ist ganz Eins
mit seinem Gegenstand; Subject und Object hat sich, ein authentischer
Beweis für die Hegel'sche Philosophie, nie in schönerer Verbindung
gezeigt. Nur eine festere, kernhafte Grundlage in Wissen und Vor¬
trag wäre ihm noch zu wünschen, wie sie aus Marheineke's und
Vatke's tiefgediegcnem Wesen hervorschaut; nicht solches Luftfechten
und leeres Gesticuliren, das seiner Würde nur schade» kann. Mi-
chelet ist immer eine bemerkenswerthe Erscheinung.

Ein Mann des Tages war vor Jahren Werber, der als jun¬
ger Docent ein bedeutendes Auditorium zu erringen wußte. Werber
ist ein oratorischeS Talent, wenn Phrasen und Bombast den Redner
machen. Aber auch als Philosoph wird er es nie zu einiger Bedeu¬
tung bringen, obgleich er zu denen gehören will, die Hegel's Lehre
fortbilden. Er hat seinen Meister nicht verstanden, das beweist zur
Genüge der erste Theil seines Commentars zu Hegel's Logik — der
zweite scheint blos in der Ankündigung zu leben. Was allein be¬
merkenswert!) sein dürfte, ist seine entwickelte Dialektik.
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Jmistischcrseitö treten die Hegelschen Prinzipien auf eine geist¬
reiche Weise in den Vortragen des Prof. Heide manu hervor, der
mit einer feinen Dialektik durchdringende Geistesschärfe paart und
dem conservativen Stahl glücklich das Gleichgewicht hält.

Eine vereinzelte Erscheinung ist Trent elenburg. Talent ist
ihm nicht abzusprechen, er weiß seine Ansichten in einen geistreichen
Nimbus zu hüllen, aber ästhetisches Urtheil geht ihm gänzlich ab.
Zudem sind seine ehemaligen philologischen Studien zu fest mit ihm
und seinem Denken verwachsen. Aus dem Aristoteles kommt er fast
nie heraus, und wenn er einmal neuere Philosophie berücksichtigt,
bleibt er bei Herbart. Die logische Frage in Hegel's System hat
ihn zu öffentlichen Aeußerungen veranlaßt. Trendelenburg ist mehr
als Einer Negierungöprofessor. Arme Theologen und Philologen
weist man an ihn und seine unschuldige Logik. Daher sein stets ge¬
fülltes Auditorium, daher auch die glückliche Nebenbuhlerschaft mit
Michelet, dessen Geschichte der Philosophie mit Unrecht vernachlässigt
wird. Uebrigens ist er einer der wenigen Glücklichen, Klugen, die
Schelling zum Verständniß seiner neuen Philosophie gebracht, vielleicht


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[0133] trefflich Bescheid weiß. Die Parallelen und Konsequenzen, die er zieht, sind in die Augen springend und schlagend, er ist ganz Eins mit seinem Gegenstand; Subject und Object hat sich, ein authentischer Beweis für die Hegel'sche Philosophie, nie in schönerer Verbindung gezeigt. Nur eine festere, kernhafte Grundlage in Wissen und Vor¬ trag wäre ihm noch zu wünschen, wie sie aus Marheineke's und Vatke's tiefgediegcnem Wesen hervorschaut; nicht solches Luftfechten und leeres Gesticuliren, das seiner Würde nur schade» kann. Mi- chelet ist immer eine bemerkenswerthe Erscheinung. Ein Mann des Tages war vor Jahren Werber, der als jun¬ ger Docent ein bedeutendes Auditorium zu erringen wußte. Werber ist ein oratorischeS Talent, wenn Phrasen und Bombast den Redner machen. Aber auch als Philosoph wird er es nie zu einiger Bedeu¬ tung bringen, obgleich er zu denen gehören will, die Hegel's Lehre fortbilden. Er hat seinen Meister nicht verstanden, das beweist zur Genüge der erste Theil seines Commentars zu Hegel's Logik — der zweite scheint blos in der Ankündigung zu leben. Was allein be¬ merkenswert!) sein dürfte, ist seine entwickelte Dialektik. ' Jmistischcrseitö treten die Hegelschen Prinzipien auf eine geist¬ reiche Weise in den Vortragen des Prof. Heide manu hervor, der mit einer feinen Dialektik durchdringende Geistesschärfe paart und dem conservativen Stahl glücklich das Gleichgewicht hält. Eine vereinzelte Erscheinung ist Trent elenburg. Talent ist ihm nicht abzusprechen, er weiß seine Ansichten in einen geistreichen Nimbus zu hüllen, aber ästhetisches Urtheil geht ihm gänzlich ab. Zudem sind seine ehemaligen philologischen Studien zu fest mit ihm und seinem Denken verwachsen. Aus dem Aristoteles kommt er fast nie heraus, und wenn er einmal neuere Philosophie berücksichtigt, bleibt er bei Herbart. Die logische Frage in Hegel's System hat ihn zu öffentlichen Aeußerungen veranlaßt. Trendelenburg ist mehr als Einer Negierungöprofessor. Arme Theologen und Philologen weist man an ihn und seine unschuldige Logik. Daher sein stets ge¬ fülltes Auditorium, daher auch die glückliche Nebenbuhlerschaft mit Michelet, dessen Geschichte der Philosophie mit Unrecht vernachlässigt wird. Uebrigens ist er einer der wenigen Glücklichen, Klugen, die Schelling zum Verständniß seiner neuen Philosophie gebracht, vielleicht <v»-nzbot«n IM»- >. 17

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/133>, abgerufen am 29.06.2024.