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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Skizzen aus dem deutschen Universitätsleben
Von Ernst Dronte.



Die Universitäten sind kein Staats-, sondern ein Nationalinstitut,
Wie die Wissenschaft selbst ein Gemeingut ist, so muß es auch ihr
Altar sein, und eS verschlägt dabei noch gar Nichts, daß ihre Priester
concesstonirte sind, daß Form und Gestaltung in den Händen der
Macht liegen. Wenn man aus dein mächtigen Ringen der Jetztzeit
einen Schluß der Wahrscheinlichkeit auf die Zukunft ziehen darf,
möchte man ohnedies leicht behaupten, daß diese Aeußerlichkeit, dieser
Schein obrigkeitlicher Gelehrsamkeit nichts Dauerndes bleiben kann.
Die Universitäten sind Werkstätten der geistigen Ausbildung; der theo¬
retische Geist aber, die Wissenschaft, muß selbständig neben dem
praktischen, dem Staat, stehen. Die Weihrauchwolken des Geheim-
nißvollen, deS Erhabenen vermögen Kanzel und Katheder nicht mehr
zu verhüllen, die Kritik zertheilt sie dem freien Blick -- und die Kritik
ist stets das siegende, das vorwaltende Element. Es ist in jüngster
Zeit viel und mannigfach über diesen Gegenstand geschrieben worden,
und mit Recht, denn es ist ein Prinzipienstreit: aber wie bei so man¬
chem Großartigen werden auch hier Zeit und Verhältnisse erst die
Reformen schaffen, natürlich langsam, deutsch. In diesem Aufsätze
wird man Nichts darüber finden, ich wollte nicht gern wiederholen,
was Andere schon besser gesagt; die einzelnen, wo es nöthig war,
eingestreuten Andeutungen überlasse ich dem Leser zu interpretiren.
Was ich hier biete, ist Nichts, als äußere Eindrücke, Silhouetten,
Skizzen.

I.
Aus der Berliner Universität.

Berlin ist Residenz, xr-in6e--ol!Jo, das sieht man auch unter
den Hallen. Die langen Haare und das offene Brusthemd von


Skizzen aus dem deutschen Universitätsleben
Von Ernst Dronte.



Die Universitäten sind kein Staats-, sondern ein Nationalinstitut,
Wie die Wissenschaft selbst ein Gemeingut ist, so muß es auch ihr
Altar sein, und eS verschlägt dabei noch gar Nichts, daß ihre Priester
concesstonirte sind, daß Form und Gestaltung in den Händen der
Macht liegen. Wenn man aus dein mächtigen Ringen der Jetztzeit
einen Schluß der Wahrscheinlichkeit auf die Zukunft ziehen darf,
möchte man ohnedies leicht behaupten, daß diese Aeußerlichkeit, dieser
Schein obrigkeitlicher Gelehrsamkeit nichts Dauerndes bleiben kann.
Die Universitäten sind Werkstätten der geistigen Ausbildung; der theo¬
retische Geist aber, die Wissenschaft, muß selbständig neben dem
praktischen, dem Staat, stehen. Die Weihrauchwolken des Geheim-
nißvollen, deS Erhabenen vermögen Kanzel und Katheder nicht mehr
zu verhüllen, die Kritik zertheilt sie dem freien Blick — und die Kritik
ist stets das siegende, das vorwaltende Element. Es ist in jüngster
Zeit viel und mannigfach über diesen Gegenstand geschrieben worden,
und mit Recht, denn es ist ein Prinzipienstreit: aber wie bei so man¬
chem Großartigen werden auch hier Zeit und Verhältnisse erst die
Reformen schaffen, natürlich langsam, deutsch. In diesem Aufsätze
wird man Nichts darüber finden, ich wollte nicht gern wiederholen,
was Andere schon besser gesagt; die einzelnen, wo es nöthig war,
eingestreuten Andeutungen überlasse ich dem Leser zu interpretiren.
Was ich hier biete, ist Nichts, als äußere Eindrücke, Silhouetten,
Skizzen.

I.
Aus der Berliner Universität.

Berlin ist Residenz, xr-in6e--ol!Jo, das sieht man auch unter
den Hallen. Die langen Haare und das offene Brusthemd von


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[0130] Skizzen aus dem deutschen Universitätsleben Von Ernst Dronte. Die Universitäten sind kein Staats-, sondern ein Nationalinstitut, Wie die Wissenschaft selbst ein Gemeingut ist, so muß es auch ihr Altar sein, und eS verschlägt dabei noch gar Nichts, daß ihre Priester concesstonirte sind, daß Form und Gestaltung in den Händen der Macht liegen. Wenn man aus dein mächtigen Ringen der Jetztzeit einen Schluß der Wahrscheinlichkeit auf die Zukunft ziehen darf, möchte man ohnedies leicht behaupten, daß diese Aeußerlichkeit, dieser Schein obrigkeitlicher Gelehrsamkeit nichts Dauerndes bleiben kann. Die Universitäten sind Werkstätten der geistigen Ausbildung; der theo¬ retische Geist aber, die Wissenschaft, muß selbständig neben dem praktischen, dem Staat, stehen. Die Weihrauchwolken des Geheim- nißvollen, deS Erhabenen vermögen Kanzel und Katheder nicht mehr zu verhüllen, die Kritik zertheilt sie dem freien Blick — und die Kritik ist stets das siegende, das vorwaltende Element. Es ist in jüngster Zeit viel und mannigfach über diesen Gegenstand geschrieben worden, und mit Recht, denn es ist ein Prinzipienstreit: aber wie bei so man¬ chem Großartigen werden auch hier Zeit und Verhältnisse erst die Reformen schaffen, natürlich langsam, deutsch. In diesem Aufsätze wird man Nichts darüber finden, ich wollte nicht gern wiederholen, was Andere schon besser gesagt; die einzelnen, wo es nöthig war, eingestreuten Andeutungen überlasse ich dem Leser zu interpretiren. Was ich hier biete, ist Nichts, als äußere Eindrücke, Silhouetten, Skizzen. I. Aus der Berliner Universität. Berlin ist Residenz, xr-in6e--ol!Jo, das sieht man auch unter den Hallen. Die langen Haare und das offene Brusthemd von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/130>, abgerufen am 29.06.2024.