classisch edle Bestrebungen folgen zu lassen. Wer Credit gewonnen, como <ju'U eoutk, hätte dann die Macht und das Publicum in Händen. --
Ich spreche hier das Wort Birchpfeifferei aus und gebrauche diese Kategorie wie ein Scheusal, wenigstens wie eine Vogelscheuche. -- Was heißt das, Birchpfeiffern ? fragt ein unschuldiger unter meinen Lesern. -- Birchpfeifferei ist unter den Stylarten des modernen deut¬ schen Dramas die Manier, eine Wurst so voll zu stopfen, daß man in jedem Augenblicke mit Spannung ihrem Platzen entgegensieht; Birchpfeifferei ist die Kunst, einen dicken dreibändigen Bulwerschen Roman in einen einzigen Darm hineinzuquetschen und dem Zuschauer dies Stück Arbeit bis auf den letzten Zipfel, wo das Qucrhölzchen sitzt, in den Hals zu jagen, dergestalt, daß ihm mindestens der Athem, wo nicht alle Sinne vergehen. Man nennt das stoffliches Interesse, und dem wilden Handgemenge von That auf That, gleichviel ob Schaudcrthat, ob Schandthat, bleibt der jubelnde Zuruf deutscher Herzen gewiß. Daß das ganze Gewebe des Stoffes, bei Tageslicht besehen, nur ein ganz nüchternes Rechncnerempel zwischen erbärm¬ lichen Bösewichtern und lendenlahmen Tugendhelden ist, das stört für den Augenblick beim Lampenlichte nicht die Entzückung. -- Doch wozu Kindern bange machen! Die Furcht vor Gespenstern erweckt ja erst den Reiz, welche zu sehen!
Doch Scherz bei Seite! Laube dringt beim Drama auf stoffli¬ ches Interesse. Und er ist Mann der Form genug, um nicht blos das Was, sondern vorzugsweise das Wie, nicht den Stoff, sondern den Gang des Stoffes, nicht die Fabel, sondern deren Faden und dessen Fortführung in's Auge zu fassen. Laube hat sich in seinen Vorstudien offen zur Schule Scribe's bekannt. Und der Franzose ist Meister in der Intrigue des Dramas, er ist es in einer Weise, wie kein Deutscher, kein Engländer. Bei All dem verrieth Monaldeschi in seiner Anlage wenig von der Kunst der Franzosen, die bunte Fülle mannichfacher Anknüpfungen zu einem Hauptknoten zu ver¬ schlingen. Der Stoff drängte hier recht eigentlich zu einem Jntri- guenstück. Und der erste Act gibt uns eine Scene zwischen zwei Nebenbuhlern im Ruhm und im Abenteuer, eine Scene zwischen Monaldeschi und Santinelli, die den Wettkampf Beider anhebt, die Interessen des Stoffes von dieser Seite richtig aufnimmt. Allein
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classisch edle Bestrebungen folgen zu lassen. Wer Credit gewonnen, como <ju'U eoutk, hätte dann die Macht und das Publicum in Händen. —
Ich spreche hier das Wort Birchpfeifferei aus und gebrauche diese Kategorie wie ein Scheusal, wenigstens wie eine Vogelscheuche. — Was heißt das, Birchpfeiffern ? fragt ein unschuldiger unter meinen Lesern. — Birchpfeifferei ist unter den Stylarten des modernen deut¬ schen Dramas die Manier, eine Wurst so voll zu stopfen, daß man in jedem Augenblicke mit Spannung ihrem Platzen entgegensieht; Birchpfeifferei ist die Kunst, einen dicken dreibändigen Bulwerschen Roman in einen einzigen Darm hineinzuquetschen und dem Zuschauer dies Stück Arbeit bis auf den letzten Zipfel, wo das Qucrhölzchen sitzt, in den Hals zu jagen, dergestalt, daß ihm mindestens der Athem, wo nicht alle Sinne vergehen. Man nennt das stoffliches Interesse, und dem wilden Handgemenge von That auf That, gleichviel ob Schaudcrthat, ob Schandthat, bleibt der jubelnde Zuruf deutscher Herzen gewiß. Daß das ganze Gewebe des Stoffes, bei Tageslicht besehen, nur ein ganz nüchternes Rechncnerempel zwischen erbärm¬ lichen Bösewichtern und lendenlahmen Tugendhelden ist, das stört für den Augenblick beim Lampenlichte nicht die Entzückung. — Doch wozu Kindern bange machen! Die Furcht vor Gespenstern erweckt ja erst den Reiz, welche zu sehen!
Doch Scherz bei Seite! Laube dringt beim Drama auf stoffli¬ ches Interesse. Und er ist Mann der Form genug, um nicht blos das Was, sondern vorzugsweise das Wie, nicht den Stoff, sondern den Gang des Stoffes, nicht die Fabel, sondern deren Faden und dessen Fortführung in's Auge zu fassen. Laube hat sich in seinen Vorstudien offen zur Schule Scribe's bekannt. Und der Franzose ist Meister in der Intrigue des Dramas, er ist es in einer Weise, wie kein Deutscher, kein Engländer. Bei All dem verrieth Monaldeschi in seiner Anlage wenig von der Kunst der Franzosen, die bunte Fülle mannichfacher Anknüpfungen zu einem Hauptknoten zu ver¬ schlingen. Der Stoff drängte hier recht eigentlich zu einem Jntri- guenstück. Und der erste Act gibt uns eine Scene zwischen zwei Nebenbuhlern im Ruhm und im Abenteuer, eine Scene zwischen Monaldeschi und Santinelli, die den Wettkampf Beider anhebt, die Interessen des Stoffes von dieser Seite richtig aufnimmt. Allein
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classisch edle Bestrebungen folgen zu lassen. Wer Credit gewonnen,
como <ju'U eoutk, hätte dann die Macht und das Publicum in
Händen. —
Ich spreche hier das Wort Birchpfeifferei aus und gebrauche
diese Kategorie wie ein Scheusal, wenigstens wie eine Vogelscheuche.
— Was heißt das, Birchpfeiffern ? fragt ein unschuldiger unter meinen
Lesern. — Birchpfeifferei ist unter den Stylarten des modernen deut¬
schen Dramas die Manier, eine Wurst so voll zu stopfen, daß man
in jedem Augenblicke mit Spannung ihrem Platzen entgegensieht;
Birchpfeifferei ist die Kunst, einen dicken dreibändigen Bulwerschen
Roman in einen einzigen Darm hineinzuquetschen und dem Zuschauer
dies Stück Arbeit bis auf den letzten Zipfel, wo das Qucrhölzchen
sitzt, in den Hals zu jagen, dergestalt, daß ihm mindestens der Athem,
wo nicht alle Sinne vergehen. Man nennt das stoffliches Interesse,
und dem wilden Handgemenge von That auf That, gleichviel ob
Schaudcrthat, ob Schandthat, bleibt der jubelnde Zuruf deutscher
Herzen gewiß. Daß das ganze Gewebe des Stoffes, bei Tageslicht
besehen, nur ein ganz nüchternes Rechncnerempel zwischen erbärm¬
lichen Bösewichtern und lendenlahmen Tugendhelden ist, das stört
für den Augenblick beim Lampenlichte nicht die Entzückung. — Doch
wozu Kindern bange machen! Die Furcht vor Gespenstern erweckt
ja erst den Reiz, welche zu sehen!
Doch Scherz bei Seite! Laube dringt beim Drama auf stoffli¬
ches Interesse. Und er ist Mann der Form genug, um nicht blos
das Was, sondern vorzugsweise das Wie, nicht den Stoff, sondern
den Gang des Stoffes, nicht die Fabel, sondern deren Faden und
dessen Fortführung in's Auge zu fassen. Laube hat sich in seinen
Vorstudien offen zur Schule Scribe's bekannt. Und der Franzose ist
Meister in der Intrigue des Dramas, er ist es in einer Weise, wie
kein Deutscher, kein Engländer. Bei All dem verrieth Monaldeschi
in seiner Anlage wenig von der Kunst der Franzosen, die bunte
Fülle mannichfacher Anknüpfungen zu einem Hauptknoten zu ver¬
schlingen. Der Stoff drängte hier recht eigentlich zu einem Jntri-
guenstück. Und der erste Act gibt uns eine Scene zwischen zwei
Nebenbuhlern im Ruhm und im Abenteuer, eine Scene zwischen
Monaldeschi und Santinelli, die den Wettkampf Beider anhebt, die
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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/119>, abgerufen am 22.12.2024.
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