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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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ziert. Man wird in dem weichen Ton dieses Gedichts bei so gluth-
voller Färbung gewiß das speciell böhmische Element nicht ver-
kennen.

Ebert wird keine Ausnahme bleiben. Denn all jene Andeutun¬
gen sollten nicht etwa sagen, daß für die wahre deutsche Bildung keine
Aussichten im Czechenlande sind. Ich meine nur, daß sie dort keine
primitiven Quellen hat und daß ein Symptom davon die schwäch¬
liche und künstliche Lyrik ist, der wir in dem Präger Taschenbuch be-
gegnen. Um so mehr bedarf dieses Deutschthum, das so wenig na-
turwüchsig ist, der freien Lust, des ersehnten Zusammenhangs mit
dem Wirken des deutschen Geistes, damit ihm frische Kräfte zufließen
aus seiner ursprünglichen Heimath und den natürlichen, volksthüm-
lichen Boden, der ihm dort fehlt, durch die Schätze des Wissens und
den Glauben an deutsche Ideen ihm ersetzen. Daß es dahin kom¬
men muß und kommen wird, verräth sich schon jetzt durch leise Be¬
wegungen in der deutschen Literatur Böhmens. Dein: nicht vom
Osten, wie Manche wähnen, vom Westen vielmehr ist der Frühlings¬
hauch gekommen, der den scheintodten, verdorrten Ast des Czechen-
thumS plötzlich neue Blüthen treiben ließ. Es ist derselbe Geist der
Nationalität, der Treue gegen sich selbst, welcher Magyaren, Sla¬
ven und Deutsche aufregt zur friedlichen Schilderhebung für ihr in¬
nerstes Leben und dessen Zukunft. Diese Regung ist nur bis jetzt
mehr am Czechenthum bemerkt worden, weil sie von dieser Seite un¬
erwarteter und überraschender kam und weil sie nur zu sehr im Ge¬
wand politischer Phantasten auftrat. Sie scheint auch von deutscher
Seite nicht lange mehr ausbleiben zu wollen. Minder laute, aber
sichere Anzeichen sind vorhanden. --

Doch wir haben es hier blos mit literarischen Dingen zu thun. --
Leider enthält die "Libussa" diesmal keinen Beitrag von einigen jün-
gern böhmischen Talenten, an deren Namen sich bereits schöne Hoff¬
nungen knüpfen. Ich erwähne u. A. nur Alfred Meißner, Moritz
Hartmann, Isidor Heller u. s. w. In diesem jungen literari¬
schen Nachwuchs entwickeln sich Keime einer Kraft, die schon über den
engern provinciellen Horizont hinauszugehen und einst eine Geltung
in der "einigen und freien" Republik der deutschen Literatur zu ge¬
winnen verspricht. Ich schlage dgmit einige junge Talente nicht zu
hoch an; ich erwähne sie, weil sie bezeichnend find für die Richtung,


ziert. Man wird in dem weichen Ton dieses Gedichts bei so gluth-
voller Färbung gewiß das speciell böhmische Element nicht ver-
kennen.

Ebert wird keine Ausnahme bleiben. Denn all jene Andeutun¬
gen sollten nicht etwa sagen, daß für die wahre deutsche Bildung keine
Aussichten im Czechenlande sind. Ich meine nur, daß sie dort keine
primitiven Quellen hat und daß ein Symptom davon die schwäch¬
liche und künstliche Lyrik ist, der wir in dem Präger Taschenbuch be-
gegnen. Um so mehr bedarf dieses Deutschthum, das so wenig na-
turwüchsig ist, der freien Lust, des ersehnten Zusammenhangs mit
dem Wirken des deutschen Geistes, damit ihm frische Kräfte zufließen
aus seiner ursprünglichen Heimath und den natürlichen, volksthüm-
lichen Boden, der ihm dort fehlt, durch die Schätze des Wissens und
den Glauben an deutsche Ideen ihm ersetzen. Daß es dahin kom¬
men muß und kommen wird, verräth sich schon jetzt durch leise Be¬
wegungen in der deutschen Literatur Böhmens. Dein: nicht vom
Osten, wie Manche wähnen, vom Westen vielmehr ist der Frühlings¬
hauch gekommen, der den scheintodten, verdorrten Ast des Czechen-
thumS plötzlich neue Blüthen treiben ließ. Es ist derselbe Geist der
Nationalität, der Treue gegen sich selbst, welcher Magyaren, Sla¬
ven und Deutsche aufregt zur friedlichen Schilderhebung für ihr in¬
nerstes Leben und dessen Zukunft. Diese Regung ist nur bis jetzt
mehr am Czechenthum bemerkt worden, weil sie von dieser Seite un¬
erwarteter und überraschender kam und weil sie nur zu sehr im Ge¬
wand politischer Phantasten auftrat. Sie scheint auch von deutscher
Seite nicht lange mehr ausbleiben zu wollen. Minder laute, aber
sichere Anzeichen sind vorhanden. —

Doch wir haben es hier blos mit literarischen Dingen zu thun. —
Leider enthält die „Libussa" diesmal keinen Beitrag von einigen jün-
gern böhmischen Talenten, an deren Namen sich bereits schöne Hoff¬
nungen knüpfen. Ich erwähne u. A. nur Alfred Meißner, Moritz
Hartmann, Isidor Heller u. s. w. In diesem jungen literari¬
schen Nachwuchs entwickeln sich Keime einer Kraft, die schon über den
engern provinciellen Horizont hinauszugehen und einst eine Geltung
in der „einigen und freien" Republik der deutschen Literatur zu ge¬
winnen verspricht. Ich schlage dgmit einige junge Talente nicht zu
hoch an; ich erwähne sie, weil sie bezeichnend find für die Richtung,


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[0106] ziert. Man wird in dem weichen Ton dieses Gedichts bei so gluth- voller Färbung gewiß das speciell böhmische Element nicht ver- kennen. Ebert wird keine Ausnahme bleiben. Denn all jene Andeutun¬ gen sollten nicht etwa sagen, daß für die wahre deutsche Bildung keine Aussichten im Czechenlande sind. Ich meine nur, daß sie dort keine primitiven Quellen hat und daß ein Symptom davon die schwäch¬ liche und künstliche Lyrik ist, der wir in dem Präger Taschenbuch be- gegnen. Um so mehr bedarf dieses Deutschthum, das so wenig na- turwüchsig ist, der freien Lust, des ersehnten Zusammenhangs mit dem Wirken des deutschen Geistes, damit ihm frische Kräfte zufließen aus seiner ursprünglichen Heimath und den natürlichen, volksthüm- lichen Boden, der ihm dort fehlt, durch die Schätze des Wissens und den Glauben an deutsche Ideen ihm ersetzen. Daß es dahin kom¬ men muß und kommen wird, verräth sich schon jetzt durch leise Be¬ wegungen in der deutschen Literatur Böhmens. Dein: nicht vom Osten, wie Manche wähnen, vom Westen vielmehr ist der Frühlings¬ hauch gekommen, der den scheintodten, verdorrten Ast des Czechen- thumS plötzlich neue Blüthen treiben ließ. Es ist derselbe Geist der Nationalität, der Treue gegen sich selbst, welcher Magyaren, Sla¬ ven und Deutsche aufregt zur friedlichen Schilderhebung für ihr in¬ nerstes Leben und dessen Zukunft. Diese Regung ist nur bis jetzt mehr am Czechenthum bemerkt worden, weil sie von dieser Seite un¬ erwarteter und überraschender kam und weil sie nur zu sehr im Ge¬ wand politischer Phantasten auftrat. Sie scheint auch von deutscher Seite nicht lange mehr ausbleiben zu wollen. Minder laute, aber sichere Anzeichen sind vorhanden. — Doch wir haben es hier blos mit literarischen Dingen zu thun. — Leider enthält die „Libussa" diesmal keinen Beitrag von einigen jün- gern böhmischen Talenten, an deren Namen sich bereits schöne Hoff¬ nungen knüpfen. Ich erwähne u. A. nur Alfred Meißner, Moritz Hartmann, Isidor Heller u. s. w. In diesem jungen literari¬ schen Nachwuchs entwickeln sich Keime einer Kraft, die schon über den engern provinciellen Horizont hinauszugehen und einst eine Geltung in der „einigen und freien" Republik der deutschen Literatur zu ge¬ winnen verspricht. Ich schlage dgmit einige junge Talente nicht zu hoch an; ich erwähne sie, weil sie bezeichnend find für die Richtung,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/106>, abgerufen am 29.06.2024.