ziert. Man wird in dem weichen Ton dieses Gedichts bei so gluth- voller Färbung gewiß das speciell böhmische Element nicht ver- kennen.
Ebert wird keine Ausnahme bleiben. Denn all jene Andeutun¬ gen sollten nicht etwa sagen, daß für die wahre deutsche Bildung keine Aussichten im Czechenlande sind. Ich meine nur, daß sie dort keine primitiven Quellen hat und daß ein Symptom davon die schwäch¬ liche und künstliche Lyrik ist, der wir in dem Präger Taschenbuch be- gegnen. Um so mehr bedarf dieses Deutschthum, das so wenig na- turwüchsig ist, der freien Lust, des ersehnten Zusammenhangs mit dem Wirken des deutschen Geistes, damit ihm frische Kräfte zufließen aus seiner ursprünglichen Heimath und den natürlichen, volksthüm- lichen Boden, der ihm dort fehlt, durch die Schätze des Wissens und den Glauben an deutsche Ideen ihm ersetzen. Daß es dahin kom¬ men muß und kommen wird, verräth sich schon jetzt durch leise Be¬ wegungen in der deutschen Literatur Böhmens. Dein: nicht vom Osten, wie Manche wähnen, vom Westen vielmehr ist der Frühlings¬ hauch gekommen, der den scheintodten, verdorrten Ast des Czechen- thumS plötzlich neue Blüthen treiben ließ. Es ist derselbe Geist der Nationalität, der Treue gegen sich selbst, welcher Magyaren, Sla¬ ven und Deutsche aufregt zur friedlichen Schilderhebung für ihr in¬ nerstes Leben und dessen Zukunft. Diese Regung ist nur bis jetzt mehr am Czechenthum bemerkt worden, weil sie von dieser Seite un¬ erwarteter und überraschender kam und weil sie nur zu sehr im Ge¬ wand politischer Phantasten auftrat. Sie scheint auch von deutscher Seite nicht lange mehr ausbleiben zu wollen. Minder laute, aber sichere Anzeichen sind vorhanden. --
Doch wir haben es hier blos mit literarischen Dingen zu thun. -- Leider enthält die "Libussa" diesmal keinen Beitrag von einigen jün- gern böhmischen Talenten, an deren Namen sich bereits schöne Hoff¬ nungen knüpfen. Ich erwähne u. A. nur Alfred Meißner, Moritz Hartmann, Isidor Heller u. s. w. In diesem jungen literari¬ schen Nachwuchs entwickeln sich Keime einer Kraft, die schon über den engern provinciellen Horizont hinauszugehen und einst eine Geltung in der "einigen und freien" Republik der deutschen Literatur zu ge¬ winnen verspricht. Ich schlage dgmit einige junge Talente nicht zu hoch an; ich erwähne sie, weil sie bezeichnend find für die Richtung,
ziert. Man wird in dem weichen Ton dieses Gedichts bei so gluth- voller Färbung gewiß das speciell böhmische Element nicht ver- kennen.
Ebert wird keine Ausnahme bleiben. Denn all jene Andeutun¬ gen sollten nicht etwa sagen, daß für die wahre deutsche Bildung keine Aussichten im Czechenlande sind. Ich meine nur, daß sie dort keine primitiven Quellen hat und daß ein Symptom davon die schwäch¬ liche und künstliche Lyrik ist, der wir in dem Präger Taschenbuch be- gegnen. Um so mehr bedarf dieses Deutschthum, das so wenig na- turwüchsig ist, der freien Lust, des ersehnten Zusammenhangs mit dem Wirken des deutschen Geistes, damit ihm frische Kräfte zufließen aus seiner ursprünglichen Heimath und den natürlichen, volksthüm- lichen Boden, der ihm dort fehlt, durch die Schätze des Wissens und den Glauben an deutsche Ideen ihm ersetzen. Daß es dahin kom¬ men muß und kommen wird, verräth sich schon jetzt durch leise Be¬ wegungen in der deutschen Literatur Böhmens. Dein: nicht vom Osten, wie Manche wähnen, vom Westen vielmehr ist der Frühlings¬ hauch gekommen, der den scheintodten, verdorrten Ast des Czechen- thumS plötzlich neue Blüthen treiben ließ. Es ist derselbe Geist der Nationalität, der Treue gegen sich selbst, welcher Magyaren, Sla¬ ven und Deutsche aufregt zur friedlichen Schilderhebung für ihr in¬ nerstes Leben und dessen Zukunft. Diese Regung ist nur bis jetzt mehr am Czechenthum bemerkt worden, weil sie von dieser Seite un¬ erwarteter und überraschender kam und weil sie nur zu sehr im Ge¬ wand politischer Phantasten auftrat. Sie scheint auch von deutscher Seite nicht lange mehr ausbleiben zu wollen. Minder laute, aber sichere Anzeichen sind vorhanden. —
Doch wir haben es hier blos mit literarischen Dingen zu thun. — Leider enthält die „Libussa" diesmal keinen Beitrag von einigen jün- gern böhmischen Talenten, an deren Namen sich bereits schöne Hoff¬ nungen knüpfen. Ich erwähne u. A. nur Alfred Meißner, Moritz Hartmann, Isidor Heller u. s. w. In diesem jungen literari¬ schen Nachwuchs entwickeln sich Keime einer Kraft, die schon über den engern provinciellen Horizont hinauszugehen und einst eine Geltung in der „einigen und freien" Republik der deutschen Literatur zu ge¬ winnen verspricht. Ich schlage dgmit einige junge Talente nicht zu hoch an; ich erwähne sie, weil sie bezeichnend find für die Richtung,
<TEI><text><body><div><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0106"corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/179819"/><pxml:id="ID_299"prev="#ID_298"> ziert. Man wird in dem weichen Ton dieses Gedichts bei so gluth-<lb/>
voller Färbung gewiß das speciell böhmische Element nicht ver-<lb/>
kennen.</p><lb/><pxml:id="ID_300"> Ebert wird keine Ausnahme bleiben. Denn all jene Andeutun¬<lb/>
gen sollten nicht etwa sagen, daß für die wahre deutsche Bildung keine<lb/>
Aussichten im Czechenlande sind. Ich meine nur, daß sie dort keine<lb/>
primitiven Quellen hat und daß ein Symptom davon die schwäch¬<lb/>
liche und künstliche Lyrik ist, der wir in dem Präger Taschenbuch be-<lb/>
gegnen. Um so mehr bedarf dieses Deutschthum, das so wenig na-<lb/>
turwüchsig ist, der freien Lust, des ersehnten Zusammenhangs mit<lb/>
dem Wirken des deutschen Geistes, damit ihm frische Kräfte zufließen<lb/>
aus seiner ursprünglichen Heimath und den natürlichen, volksthüm-<lb/>
lichen Boden, der ihm dort fehlt, durch die Schätze des Wissens und<lb/>
den Glauben an deutsche Ideen ihm ersetzen. Daß es dahin kom¬<lb/>
men muß und kommen wird, verräth sich schon jetzt durch leise Be¬<lb/>
wegungen in der deutschen Literatur Böhmens. Dein: nicht vom<lb/>
Osten, wie Manche wähnen, vom Westen vielmehr ist der Frühlings¬<lb/>
hauch gekommen, der den scheintodten, verdorrten Ast des Czechen-<lb/>
thumS plötzlich neue Blüthen treiben ließ. Es ist derselbe Geist der<lb/>
Nationalität, der Treue gegen sich selbst, welcher Magyaren, Sla¬<lb/>
ven und Deutsche aufregt zur friedlichen Schilderhebung für ihr in¬<lb/>
nerstes Leben und dessen Zukunft. Diese Regung ist nur bis jetzt<lb/>
mehr am Czechenthum bemerkt worden, weil sie von dieser Seite un¬<lb/>
erwarteter und überraschender kam und weil sie nur zu sehr im Ge¬<lb/>
wand politischer Phantasten auftrat. Sie scheint auch von deutscher<lb/>
Seite nicht lange mehr ausbleiben zu wollen. Minder laute, aber<lb/>
sichere Anzeichen sind vorhanden. —</p><lb/><pxml:id="ID_301"next="#ID_302"> Doch wir haben es hier blos mit literarischen Dingen zu thun. —<lb/>
Leider enthält die „Libussa" diesmal keinen Beitrag von einigen jün-<lb/>
gern böhmischen Talenten, an deren Namen sich bereits schöne Hoff¬<lb/>
nungen knüpfen. Ich erwähne u. A. nur Alfred Meißner, Moritz<lb/>
Hartmann, Isidor Heller u. s. w. In diesem jungen literari¬<lb/>
schen Nachwuchs entwickeln sich Keime einer Kraft, die schon über den<lb/>
engern provinciellen Horizont hinauszugehen und einst eine Geltung<lb/>
in der „einigen und freien" Republik der deutschen Literatur zu ge¬<lb/>
winnen verspricht. Ich schlage dgmit einige junge Talente nicht zu<lb/>
hoch an; ich erwähne sie, weil sie bezeichnend find für die Richtung,</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[0106]
ziert. Man wird in dem weichen Ton dieses Gedichts bei so gluth-
voller Färbung gewiß das speciell böhmische Element nicht ver-
kennen.
Ebert wird keine Ausnahme bleiben. Denn all jene Andeutun¬
gen sollten nicht etwa sagen, daß für die wahre deutsche Bildung keine
Aussichten im Czechenlande sind. Ich meine nur, daß sie dort keine
primitiven Quellen hat und daß ein Symptom davon die schwäch¬
liche und künstliche Lyrik ist, der wir in dem Präger Taschenbuch be-
gegnen. Um so mehr bedarf dieses Deutschthum, das so wenig na-
turwüchsig ist, der freien Lust, des ersehnten Zusammenhangs mit
dem Wirken des deutschen Geistes, damit ihm frische Kräfte zufließen
aus seiner ursprünglichen Heimath und den natürlichen, volksthüm-
lichen Boden, der ihm dort fehlt, durch die Schätze des Wissens und
den Glauben an deutsche Ideen ihm ersetzen. Daß es dahin kom¬
men muß und kommen wird, verräth sich schon jetzt durch leise Be¬
wegungen in der deutschen Literatur Böhmens. Dein: nicht vom
Osten, wie Manche wähnen, vom Westen vielmehr ist der Frühlings¬
hauch gekommen, der den scheintodten, verdorrten Ast des Czechen-
thumS plötzlich neue Blüthen treiben ließ. Es ist derselbe Geist der
Nationalität, der Treue gegen sich selbst, welcher Magyaren, Sla¬
ven und Deutsche aufregt zur friedlichen Schilderhebung für ihr in¬
nerstes Leben und dessen Zukunft. Diese Regung ist nur bis jetzt
mehr am Czechenthum bemerkt worden, weil sie von dieser Seite un¬
erwarteter und überraschender kam und weil sie nur zu sehr im Ge¬
wand politischer Phantasten auftrat. Sie scheint auch von deutscher
Seite nicht lange mehr ausbleiben zu wollen. Minder laute, aber
sichere Anzeichen sind vorhanden. —
Doch wir haben es hier blos mit literarischen Dingen zu thun. —
Leider enthält die „Libussa" diesmal keinen Beitrag von einigen jün-
gern böhmischen Talenten, an deren Namen sich bereits schöne Hoff¬
nungen knüpfen. Ich erwähne u. A. nur Alfred Meißner, Moritz
Hartmann, Isidor Heller u. s. w. In diesem jungen literari¬
schen Nachwuchs entwickeln sich Keime einer Kraft, die schon über den
engern provinciellen Horizont hinauszugehen und einst eine Geltung
in der „einigen und freien" Republik der deutschen Literatur zu ge¬
winnen verspricht. Ich schlage dgmit einige junge Talente nicht zu
hoch an; ich erwähne sie, weil sie bezeichnend find für die Richtung,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:
Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.
Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;
Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/106>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.