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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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Frage gestellt, warum sie auf jene Polemik nicht antworte. Wir unsererseits
halten dieß für unzweckmäßig. Der ganze Inhalt jener Angriffe dreht
sich um den Satz, daß wir Deutsche sind; eine Anklage, die wir gerne
auf unserm Haupte ruhen lassen. Daß die Grenzbotett nicht von so
engen abstrakten Gesichtspunkten ausgehen, wie ihnen namentlich der-
L^"em'8<M vorwarf, dafür mögen jene Artikel zeugen, welche' das
AorQinA'-L!"ron!eI<z in feinen Spalten aus den Grenzboten übersetzte
(Deutschland und Belgien, ein Wort über die orangistische Verschwörung ze).
England ist das Land der praktischen Thätigkeit, und die Zustimmung
des bedeutendsten englischen Organs ist wohl ein Beweis, daß hier keine
Allsgeburten phantastischer Träumerei zu Markte gebracht werden. -- Was
nun insbesondere den literarischen Theil des Blattes anbelangt, so wer¬
den wir dahin trachten, den Anforderungen entgegenzukommen, welche
die Stellung auf dem verschiedenartig bewegten'Boden, uns auferlegt.
Wir wollen hier keine Doctrin predigen, noch aus- einer Schule heraus
zu dem Publikum in einer Terminologie reden, die auf kein allgemeines
Verständniß rechnen dürfte; -- überzeugt, daß die Geltendmachung von
Grundsätzen der Kritik dadurch bedingt ist, daß dieselben mit dem Geiste
der Oeffentlichkeit Hand in Hand gehen. In allen Fragen, über welche
wir eine' Stimme abgeben, soll uns das erste der Naturgesetze leiten,
keinen lebenskräftigen Keim zu vertilgen, kein aus rechtem Triebe ent¬
sprungenes Gebilde zu zerschlagen. Ein Blick auf ganze Provinzen der
deutschen Kritik reicht hin, um uns in der Ueberzeugung zu bestärken,
daß für dieses Bestreben noch Raum vorhanden ist. Jedes neue ernste
Streben sei uns willkommen, wissen wir doch, daß jede Tüchtigkeit, un-,
ter welcher Gestalt sie sich auch ankündige, dem Ganzen Gewinn br/ngr.
Wir sehen in der Jugend die nächsten Mitarbeiter an den Werken der
Schrift und der That, berufen aus den Lebensquellen zu schöpfen,
die keine Zahl von Menschenaltern austrocknet. Und sollten wir unge¬
recht sein gegen die großen Namen der Vergangenheit, gegen die geisti¬
gen Väter und Vercrber dessen, was die Mitwelt ist und besitzt! In¬
dem wir in Belgien über die Literatur und Wissenschaft unseres Vater¬
landes reden, werden wir öfters veranlaßt sein, mit einem Worte die
früheren Erzeugnisse derselben zu berühren; aber wir hegen zugleich den
Glauben, daß die glänzenden'Namen, welche das vorige Jahundert dem
jetzigen Übermacht hat, ein' unversieglicher Quell des edelsten Genusses
für uns geworden sind.




Frage gestellt, warum sie auf jene Polemik nicht antworte. Wir unsererseits
halten dieß für unzweckmäßig. Der ganze Inhalt jener Angriffe dreht
sich um den Satz, daß wir Deutsche sind; eine Anklage, die wir gerne
auf unserm Haupte ruhen lassen. Daß die Grenzbotett nicht von so
engen abstrakten Gesichtspunkten ausgehen, wie ihnen namentlich der-
L^«em'8<M vorwarf, dafür mögen jene Artikel zeugen, welche' das
AorQinA'-L!»ron!eI<z in feinen Spalten aus den Grenzboten übersetzte
(Deutschland und Belgien, ein Wort über die orangistische Verschwörung ze).
England ist das Land der praktischen Thätigkeit, und die Zustimmung
des bedeutendsten englischen Organs ist wohl ein Beweis, daß hier keine
Allsgeburten phantastischer Träumerei zu Markte gebracht werden. — Was
nun insbesondere den literarischen Theil des Blattes anbelangt, so wer¬
den wir dahin trachten, den Anforderungen entgegenzukommen, welche
die Stellung auf dem verschiedenartig bewegten'Boden, uns auferlegt.
Wir wollen hier keine Doctrin predigen, noch aus- einer Schule heraus
zu dem Publikum in einer Terminologie reden, die auf kein allgemeines
Verständniß rechnen dürfte; — überzeugt, daß die Geltendmachung von
Grundsätzen der Kritik dadurch bedingt ist, daß dieselben mit dem Geiste
der Oeffentlichkeit Hand in Hand gehen. In allen Fragen, über welche
wir eine' Stimme abgeben, soll uns das erste der Naturgesetze leiten,
keinen lebenskräftigen Keim zu vertilgen, kein aus rechtem Triebe ent¬
sprungenes Gebilde zu zerschlagen. Ein Blick auf ganze Provinzen der
deutschen Kritik reicht hin, um uns in der Ueberzeugung zu bestärken,
daß für dieses Bestreben noch Raum vorhanden ist. Jedes neue ernste
Streben sei uns willkommen, wissen wir doch, daß jede Tüchtigkeit, un-,
ter welcher Gestalt sie sich auch ankündige, dem Ganzen Gewinn br/ngr.
Wir sehen in der Jugend die nächsten Mitarbeiter an den Werken der
Schrift und der That, berufen aus den Lebensquellen zu schöpfen,
die keine Zahl von Menschenaltern austrocknet. Und sollten wir unge¬
recht sein gegen die großen Namen der Vergangenheit, gegen die geisti¬
gen Väter und Vercrber dessen, was die Mitwelt ist und besitzt! In¬
dem wir in Belgien über die Literatur und Wissenschaft unseres Vater¬
landes reden, werden wir öfters veranlaßt sein, mit einem Worte die
früheren Erzeugnisse derselben zu berühren; aber wir hegen zugleich den
Glauben, daß die glänzenden'Namen, welche das vorige Jahundert dem
jetzigen Übermacht hat, ein' unversieglicher Quell des edelsten Genusses
für uns geworden sind.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/72>, abgerufen am 04.07.2024.