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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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selben von keinen Fesseln der Profession oder bloß vorbereitender gelehrter
Untersuchung beengt werden. Unser Maaßstab ist der des Geschmackes und der
Bildung, und wenn wir dies in der weitesten Bedeutung fassen, und alles
hereinziehen, was den edlern Sinn wecken und erfüllen, was die Menschen
zu dem Bewußtsein eines gemeinschaftlichen geistigen Staates sichren kann,
-- selbst die letzten Erfindungen der Mechanik, welchen) Dank sei eS
dem Gott der Geschichte, das Kleid des Dienstes und der Verachtung
entnommen ist, -- so sind wir uns' wohl bewußt, daß der Kern und
Anhaltspunkt unserer Bestrebungen in mehr als dem Schein einer flüch¬
tigen Unterhaltung besteht. -- Es ist schon früher, bei dem ersten Er¬
scheinen der Grenzboten, darauf hingewiesen worden, welche Stellung
der junge belgische Staat unter den Ländern, von denen er umschlossen
ist, einnimmt. Wir stehen hier auf dem Boden rastlosen Strebens, un¬
ermüdlichen Versuchens, und des erfolgreichen Voranschreitens in der An¬
wendung der Ideen und Erfindungen, mit denen die Civilisation der
modernen Welt sich unaufhörlich nährt.' Wir übergehen hier das Ein¬
zelne; die Thatsachen sind bekannter, als der Trieb und Beruf des Staa¬
tes im Ganzen vollkommen gewürdigt werden. Möchte man doch im
Auslande aufhören, in den belgischen Landen und Städten nichts ande¬
res als den Zwist, die vorübergehenden Umtriebe zerstückter Interessen
und engherziger Begierde zu finden, ein Gewühl von kleinstädtischen Lei¬
denschaften, die' freilich jeder Boden erzeugt, die aber nicht die Farbe
und das Wappen des öffentlichen Lebens im Großen ausmachen. Ja,
wir behaupten es ohne Rückhalt, und wissen wohl, daß wir damit in
dem belgischen Staate eine hohe Ausgabe erkennen, wir leben in einem
Lande, wo die mächtigsten Hebel der Gesellschaft nach dem Lichte der
Oeffentlichkeit streben; das Gesetz, die materielle Arbeit, die Religion,
der Unterricht, die Kunst, Alles trachtet, ein Element des Staats- und
Volkslebens zu werden; und die Geister, von dem neuesten Aufschwünge
der europäischen Geschichte befeuert, in dem Gefühl, daß die engen Mar¬
ken des Bodens zu einer desto energischem That des Staates und der
Gesittung auffordern, stellen sich, -- wie manches Mißverständniß auch'
noch die Blicke trübt, -- in die Vorderreihen der europäischen Mitvv'i-
ter, aus jene lichteren Höhenpunkte, wo das Auge zugleich den Gewinn
der Vergangenheit und die Ziele der Zukunft überschaut. -- Mit freu¬
digem Eifer werden wir die Früchte fördern, welche der jetzt tiefer wir¬
kende Nationalgeist hervorbringt. Möchte es uns gelingen, dem Geiste
der Nationen, die in der'gebildetsten und regsamsten Hälfte Europa's,


selben von keinen Fesseln der Profession oder bloß vorbereitender gelehrter
Untersuchung beengt werden. Unser Maaßstab ist der des Geschmackes und der
Bildung, und wenn wir dies in der weitesten Bedeutung fassen, und alles
hereinziehen, was den edlern Sinn wecken und erfüllen, was die Menschen
zu dem Bewußtsein eines gemeinschaftlichen geistigen Staates sichren kann,
— selbst die letzten Erfindungen der Mechanik, welchen) Dank sei eS
dem Gott der Geschichte, das Kleid des Dienstes und der Verachtung
entnommen ist, — so sind wir uns' wohl bewußt, daß der Kern und
Anhaltspunkt unserer Bestrebungen in mehr als dem Schein einer flüch¬
tigen Unterhaltung besteht. — Es ist schon früher, bei dem ersten Er¬
scheinen der Grenzboten, darauf hingewiesen worden, welche Stellung
der junge belgische Staat unter den Ländern, von denen er umschlossen
ist, einnimmt. Wir stehen hier auf dem Boden rastlosen Strebens, un¬
ermüdlichen Versuchens, und des erfolgreichen Voranschreitens in der An¬
wendung der Ideen und Erfindungen, mit denen die Civilisation der
modernen Welt sich unaufhörlich nährt.' Wir übergehen hier das Ein¬
zelne; die Thatsachen sind bekannter, als der Trieb und Beruf des Staa¬
tes im Ganzen vollkommen gewürdigt werden. Möchte man doch im
Auslande aufhören, in den belgischen Landen und Städten nichts ande¬
res als den Zwist, die vorübergehenden Umtriebe zerstückter Interessen
und engherziger Begierde zu finden, ein Gewühl von kleinstädtischen Lei¬
denschaften, die' freilich jeder Boden erzeugt, die aber nicht die Farbe
und das Wappen des öffentlichen Lebens im Großen ausmachen. Ja,
wir behaupten es ohne Rückhalt, und wissen wohl, daß wir damit in
dem belgischen Staate eine hohe Ausgabe erkennen, wir leben in einem
Lande, wo die mächtigsten Hebel der Gesellschaft nach dem Lichte der
Oeffentlichkeit streben; das Gesetz, die materielle Arbeit, die Religion,
der Unterricht, die Kunst, Alles trachtet, ein Element des Staats- und
Volkslebens zu werden; und die Geister, von dem neuesten Aufschwünge
der europäischen Geschichte befeuert, in dem Gefühl, daß die engen Mar¬
ken des Bodens zu einer desto energischem That des Staates und der
Gesittung auffordern, stellen sich, — wie manches Mißverständniß auch'
noch die Blicke trübt, — in die Vorderreihen der europäischen Mitvv'i-
ter, aus jene lichteren Höhenpunkte, wo das Auge zugleich den Gewinn
der Vergangenheit und die Ziele der Zukunft überschaut. — Mit freu¬
digem Eifer werden wir die Früchte fördern, welche der jetzt tiefer wir¬
kende Nationalgeist hervorbringt. Möchte es uns gelingen, dem Geiste
der Nationen, die in der'gebildetsten und regsamsten Hälfte Europa's,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/70>, abgerufen am 22.12.2024.