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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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ser,, indem ex nicht selten seine Aufsätze ihnen als -- Brechmittel ein-
giebt. -- ' , ,,

So vermehrt sich mit jedem Tage die Zahl der Schreibenden in
demselben Grade/ als die Zcchl der Lesenden sich vermindert. Wer da
schreibt, der hat wenig Zeit zum Lesen; er bewundert lieber sich selbst,
als Andere. In einer Periode aber, wo Alles schreibt, wer ist des
Schreibers Leser? Wer ist das Publikum?

Sonst bestand ein nicht.geringer Theil desselben ans Mäcenaten,
Männern, die an das Genie und an den Geist der Poesie glaubten,
und den Dichter verehrten und unterstützten. Damals war die Zeit je¬
ner Prachtausgaben, in welchen die Werke der Schriftsteller erschienen,
jener kostbaren Quart- und Foliobände, mit silbernett Lettern und strah¬
lendem Bilderschmuck, die der Schriftsteller unseres Jahrhunderts wie
die Pyramiden des Cheops, wie die Ueberreste einer Fabelzeit anstaunt. Da¬
mals wünschte Jeder das Werk seines Lieblingsdichters so prachtvoll als
möglich zu besitzen, und scheute keine Kosten, um seine Bewunderung
für ihn an den Tag zu legen. Jetzt müssen die Bücher in Duodez er¬
scheinen -- Taschenformate, damit sie die Taschen nicht sehr.geniren.
Mäcenaten? Bewunderer? Der Schriftsteller muß sich hüten, von
dem unbedeutendsten Kaufmanne sich zu Tische laden zu lassen, wenn er
nicht jeden Bissen, den er in den Mund schiebt, von einer Sauce lite¬
rarischer Weisheit seines Wirthes begleitet sehen will. Jeder ist Kunst¬
kenner, Jeder ist gelehrt I Vielleicht sucht jetzt der Reiche die Gesell¬
schaft des Schriftstellers fleißiger auf, als früher, aber nicht, um den
gegenseitigen Ueberfluß auszutauschen, nicht um ihn mit Geld z°u unter¬
stützen. Er unterstützt ihn mit seinem Geiste. Der Kaufmann gibt dem
Dichter Unterweisungen über den Schwung der Gedanken, der Land¬
wirth gibt ihm Unterricht über den feinen Geschmack. Alles will Lite¬
ratur machen! Für wen aber wird sie gemacht? Alles will kochen!
Aber wer sind die Gäste?

Sonst war es das schöne Geschlecht. -- Die Frauen sind immer,
besonders für den Dichter, ein heiliger Gerichtshof gewesen. Mit seinen
Gedanken und Gefühlen hat er an das zartbesaitete-weibliche'Herz ge¬
pocht; und ob es sich öffnete, ob es verschlossen blieb, dies entschied sei¬
nen Beruf und seinen Erfolg. Der Schriftsteller mag sein Urtheil
von Männern, erwarten, sie mögen die Höhenpunkte seines Geistes aus¬
messen und bestimmen: der Dichter findet seinen besten Richter in der
Brust der Frauen. , , , ,,,'".,


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ser,, indem ex nicht selten seine Aufsätze ihnen als — Brechmittel ein-
giebt. — ' , ,,

So vermehrt sich mit jedem Tage die Zahl der Schreibenden in
demselben Grade/ als die Zcchl der Lesenden sich vermindert. Wer da
schreibt, der hat wenig Zeit zum Lesen; er bewundert lieber sich selbst,
als Andere. In einer Periode aber, wo Alles schreibt, wer ist des
Schreibers Leser? Wer ist das Publikum?

Sonst bestand ein nicht.geringer Theil desselben ans Mäcenaten,
Männern, die an das Genie und an den Geist der Poesie glaubten,
und den Dichter verehrten und unterstützten. Damals war die Zeit je¬
ner Prachtausgaben, in welchen die Werke der Schriftsteller erschienen,
jener kostbaren Quart- und Foliobände, mit silbernett Lettern und strah¬
lendem Bilderschmuck, die der Schriftsteller unseres Jahrhunderts wie
die Pyramiden des Cheops, wie die Ueberreste einer Fabelzeit anstaunt. Da¬
mals wünschte Jeder das Werk seines Lieblingsdichters so prachtvoll als
möglich zu besitzen, und scheute keine Kosten, um seine Bewunderung
für ihn an den Tag zu legen. Jetzt müssen die Bücher in Duodez er¬
scheinen — Taschenformate, damit sie die Taschen nicht sehr.geniren.
Mäcenaten? Bewunderer? Der Schriftsteller muß sich hüten, von
dem unbedeutendsten Kaufmanne sich zu Tische laden zu lassen, wenn er
nicht jeden Bissen, den er in den Mund schiebt, von einer Sauce lite¬
rarischer Weisheit seines Wirthes begleitet sehen will. Jeder ist Kunst¬
kenner, Jeder ist gelehrt I Vielleicht sucht jetzt der Reiche die Gesell¬
schaft des Schriftstellers fleißiger auf, als früher, aber nicht, um den
gegenseitigen Ueberfluß auszutauschen, nicht um ihn mit Geld z°u unter¬
stützen. Er unterstützt ihn mit seinem Geiste. Der Kaufmann gibt dem
Dichter Unterweisungen über den Schwung der Gedanken, der Land¬
wirth gibt ihm Unterricht über den feinen Geschmack. Alles will Lite¬
ratur machen! Für wen aber wird sie gemacht? Alles will kochen!
Aber wer sind die Gäste?

Sonst war es das schöne Geschlecht. — Die Frauen sind immer,
besonders für den Dichter, ein heiliger Gerichtshof gewesen. Mit seinen
Gedanken und Gefühlen hat er an das zartbesaitete-weibliche'Herz ge¬
pocht; und ob es sich öffnete, ob es verschlossen blieb, dies entschied sei¬
nen Beruf und seinen Erfolg. Der Schriftsteller mag sein Urtheil
von Männern, erwarten, sie mögen die Höhenpunkte seines Geistes aus¬
messen und bestimmen: der Dichter findet seinen besten Richter in der
Brust der Frauen. , , , ,,,'„.,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/673>, abgerufen am 04.07.2024.