Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.Pacht nicht, am wenigsten-in seiner -heutigen ^Erschöpfung^ beschiedeii. Zu all'den innern Uebeln gesellt sich in Frankreich die Centra¬ Politische und wissenschaftliche Intelligenz, Bildung und Tüch¬ 8-4*
Pacht nicht, am wenigsten-in seiner -heutigen ^Erschöpfung^ beschiedeii. Zu all'den innern Uebeln gesellt sich in Frankreich die Centra¬ Politische und wissenschaftliche Intelligenz, Bildung und Tüch¬ 8-4*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0637" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267850"/> <p xml:id="ID_2195" prev="#ID_2194"> Pacht nicht, am wenigsten-in seiner -heutigen ^Erschöpfung^ beschiedeii.<lb/> Unumwunden und bestimmt sei es hier ausgesprochen: Frankreich<lb/> hatbo'n Deutschland seine Rettung zu erwarten. Gleichwie<lb/> im 18. Jahrhundert die französischen Prinzipien Deutschland überflu-<lb/> thet, wieder französische Geist durch seine Kühnheit ^den^deutschen be¬<lb/> zwungen, ihn gestachelt und beflügelt hat, so wird jetzt wiederum der<lb/> deutsche auf den französischen zurückströmen, wird die philosophischen<lb/> und sozialen Fragen, an-deren vorschneller Behandlung er sich ver¬<lb/> blutet hat, ihm gelöset überantworten, wird neue Lebenskraft und die<lb/> Fähigkeit, sich zu fassen und zu einigen, ihm wieder verleihen. - ,</p><lb/> <p xml:id="ID_2196"> Zu all'den innern Uebeln gesellt sich in Frankreich die Centra¬<lb/> lisation, die einzige Marime, welche seit Ludwig XI. durch alle Pha¬<lb/> sen seiner Geschichte sich gleichmäßig hindurchzieht, früher die Ursache<lb/> seiner Macht, jetzt die Mchrerin des Verfalls,- weil sie die Entwick^<lb/> lung der Provinzen, die Freiheit der Gemeinden und das Wachsthum<lb/> der Kultur in gleichem Maße verhindert. Die Parteien, wenn auch<lb/> nicht, wie sie jetzt sind, doch im Allgemeinen, werden in Frankreich<lb/> niemals verschwinden. Aber, während sie jetzt) in Einem Punkte ver¬<lb/> einigt und vergiftet durch die Verdorbenheit der Hauptstadt, sich ge¬<lb/> genseitig verzehren, so würden sie, als eben so viele Ausflüsse der<lb/> Provinzialcharaktere, das Gedeihen des Staates fördern.</p><lb/> <p xml:id="ID_2197" next="#ID_2198"> Politische und wissenschaftliche Intelligenz, Bildung und Tüch¬<lb/> tigkeit kann erst, wenn die Provinzen sich emanzipiren, in der gan¬<lb/> zen Nation erwachen» Ich glaube, daß die Befestigung von Paris,<lb/> obwohl der Triumph des Centralspstems, die der Dynastie überhaupt)<lb/> die Franzosen von einer geistigen Tyrannei befreien wird, gegen die<lb/> sie jetzt> inmitten aller gerühmten Freiheit, kaum zu sprechen wagen,<lb/> ja-die sie käuM fühlen. Das befestigte Paris, unfähig/ der innern<lb/> Gewalt zu widerstehen, begibt sich des Vorgangs, den es in allen<lb/> Umwälzungen und Staatsstreichen geübt, und der Geist des Volkes,<lb/> bisher ein Eigenthum der Pariser, wird bei der nächsten -Krise sich<lb/> auf die Provinzen legen. Deutschland und Frankreich bilden Hierin<lb/> ein reines Widerspiel: zur Zeit der-sächsischen und fränkische« Kai¬<lb/> ser-war Frankreich unendlich zersplittert; je mehr die kaiserliche Macht<lb/> verlor> desto mehr gewann die königliche; Deutschland war kaum noch<lb/> föderirt, während unter Ludwig XVI. und von ihm bis -Napoleon<lb/> die Centralisation kulminirte. -In unserer Zeit werden Beide sich be-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 8-4*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0637]
Pacht nicht, am wenigsten-in seiner -heutigen ^Erschöpfung^ beschiedeii.
Unumwunden und bestimmt sei es hier ausgesprochen: Frankreich
hatbo'n Deutschland seine Rettung zu erwarten. Gleichwie
im 18. Jahrhundert die französischen Prinzipien Deutschland überflu-
thet, wieder französische Geist durch seine Kühnheit ^den^deutschen be¬
zwungen, ihn gestachelt und beflügelt hat, so wird jetzt wiederum der
deutsche auf den französischen zurückströmen, wird die philosophischen
und sozialen Fragen, an-deren vorschneller Behandlung er sich ver¬
blutet hat, ihm gelöset überantworten, wird neue Lebenskraft und die
Fähigkeit, sich zu fassen und zu einigen, ihm wieder verleihen. - ,
Zu all'den innern Uebeln gesellt sich in Frankreich die Centra¬
lisation, die einzige Marime, welche seit Ludwig XI. durch alle Pha¬
sen seiner Geschichte sich gleichmäßig hindurchzieht, früher die Ursache
seiner Macht, jetzt die Mchrerin des Verfalls,- weil sie die Entwick^
lung der Provinzen, die Freiheit der Gemeinden und das Wachsthum
der Kultur in gleichem Maße verhindert. Die Parteien, wenn auch
nicht, wie sie jetzt sind, doch im Allgemeinen, werden in Frankreich
niemals verschwinden. Aber, während sie jetzt) in Einem Punkte ver¬
einigt und vergiftet durch die Verdorbenheit der Hauptstadt, sich ge¬
genseitig verzehren, so würden sie, als eben so viele Ausflüsse der
Provinzialcharaktere, das Gedeihen des Staates fördern.
Politische und wissenschaftliche Intelligenz, Bildung und Tüch¬
tigkeit kann erst, wenn die Provinzen sich emanzipiren, in der gan¬
zen Nation erwachen» Ich glaube, daß die Befestigung von Paris,
obwohl der Triumph des Centralspstems, die der Dynastie überhaupt)
die Franzosen von einer geistigen Tyrannei befreien wird, gegen die
sie jetzt> inmitten aller gerühmten Freiheit, kaum zu sprechen wagen,
ja-die sie käuM fühlen. Das befestigte Paris, unfähig/ der innern
Gewalt zu widerstehen, begibt sich des Vorgangs, den es in allen
Umwälzungen und Staatsstreichen geübt, und der Geist des Volkes,
bisher ein Eigenthum der Pariser, wird bei der nächsten -Krise sich
auf die Provinzen legen. Deutschland und Frankreich bilden Hierin
ein reines Widerspiel: zur Zeit der-sächsischen und fränkische« Kai¬
ser-war Frankreich unendlich zersplittert; je mehr die kaiserliche Macht
verlor> desto mehr gewann die königliche; Deutschland war kaum noch
föderirt, während unter Ludwig XVI. und von ihm bis -Napoleon
die Centralisation kulminirte. -In unserer Zeit werden Beide sich be-
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