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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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Brahe. Sie komme", ehe wir uns dessen versehn, über unser Herz, und
wenn wir dessen inne werden, gehört ihnen unser bestes Herzblut schön. Es sind
dies die genial begabten Geschöpfe.

Splva. Was ist das, genial?

Brahe. DaS ist eine Kraft, die sich nicht berechnen, die sich nicht nachmachen
läßt, eine Kraft, die wir nicht in Bestandtheile zerlegen können, und die deshalb
von ängstlichen Menschen eine dämonische Kraft genannt wird. So hieß jener Dop-
pclsturc, dessen Schicksal Dich so interesstrt, der schwedische Dätnon. Die Männer
athmeten auf, und die Weiber weinten, als er Stockholm verließ, um in die weite
Welt zu gehn. Ein unstäter Drang ist solchen Menschen eigenthümlich, sie sind
niemals mit dem begnügt, was sie um sich haben können, es flimmert ihnen das
Glück der Welt vor den Augen wie ein endlos fluthendeS Glanzmecr, umsonst er¬
reichen sie mit Leichtigkeit diesen Vortheil oder jene glückliche Stellung, Alles das
scheint ihnen gering gegen das Glanzmeer, das sie umflimmert, rastlos treibt sie
ihr Sinn hinaus, sie fürchten, es entgehe ihnen das Beste in der Ferne, wenn sie
daheim auch noch so vortheilhaft angesiedelt sind, so wird ihnen die glücklichste Ehe,
der vorteilhafteste Posten eine Last, ja auf dem Throne selbst verzehrt sie die Un¬
ruhe oder Begierde, und stachelt sie, Abenteurer oder Eroberer zu werden.

Splva. Aber warum weinten denn die schwedischen Frauen, ans der Dop¬
pelsinn hinweg ging, da er sie doch nur beraubt und gequält hatte?

Brahe. Weil die Weiber, so sehr sie sich fürchten, aller dämonischen Kraft
um Begierigsten nachgehn.

Splva. DaS begreif ich -- solche Kraft ist ja viel mehr als MS Andere,
man sieht da kein Ende, und es reizt auch mich nichts so sehr/als wovon ich kein
Ende absehen kann. Weißt Du, Vater, daß ich auch schon einem solchen Dovpel-
sture begegnet bin?

Brahe. Gott behüte Dich davor mein Kind! Was willst Du damit sagen?

(rasch.)
Splva Und wie ging's ihm denn in Rom, dem schwedischen Dämon?

Brahe. Keine stolze vornehme Schöne/ kein mächtig Amt fesselte ihn, son¬
dern ein einfach römisch Mädchen --

Splva. Ach, das ist schöne Siehst Du! - und wie weiter?

Brahe. Weiter wissen wir nichts Sicheres, er war mit ihr verschwunden,
und nur dunkle Gerüchte sprachen von einem schrecklichen Ende -- plötzlich war er
hier, erregte Aufruhr und Empörung, ward verfolgt, und soll von unsern Berg¬
völkern in einen Abgrund gestürzt worden sein.

Splva. Soll! El, da kann er ja alle Tage wieder kommen!

B

(lachend.)
rahe DaS wohl -- aber da müßte er hundert Jahre alt gewor¬
den sein.


7"

Brahe. Sie komme», ehe wir uns dessen versehn, über unser Herz, und
wenn wir dessen inne werden, gehört ihnen unser bestes Herzblut schön. Es sind
dies die genial begabten Geschöpfe.

Splva. Was ist das, genial?

Brahe. DaS ist eine Kraft, die sich nicht berechnen, die sich nicht nachmachen
läßt, eine Kraft, die wir nicht in Bestandtheile zerlegen können, und die deshalb
von ängstlichen Menschen eine dämonische Kraft genannt wird. So hieß jener Dop-
pclsturc, dessen Schicksal Dich so interesstrt, der schwedische Dätnon. Die Männer
athmeten auf, und die Weiber weinten, als er Stockholm verließ, um in die weite
Welt zu gehn. Ein unstäter Drang ist solchen Menschen eigenthümlich, sie sind
niemals mit dem begnügt, was sie um sich haben können, es flimmert ihnen das
Glück der Welt vor den Augen wie ein endlos fluthendeS Glanzmecr, umsonst er¬
reichen sie mit Leichtigkeit diesen Vortheil oder jene glückliche Stellung, Alles das
scheint ihnen gering gegen das Glanzmeer, das sie umflimmert, rastlos treibt sie
ihr Sinn hinaus, sie fürchten, es entgehe ihnen das Beste in der Ferne, wenn sie
daheim auch noch so vortheilhaft angesiedelt sind, so wird ihnen die glücklichste Ehe,
der vorteilhafteste Posten eine Last, ja auf dem Throne selbst verzehrt sie die Un¬
ruhe oder Begierde, und stachelt sie, Abenteurer oder Eroberer zu werden.

Splva. Aber warum weinten denn die schwedischen Frauen, ans der Dop¬
pelsinn hinweg ging, da er sie doch nur beraubt und gequält hatte?

Brahe. Weil die Weiber, so sehr sie sich fürchten, aller dämonischen Kraft
um Begierigsten nachgehn.

Splva. DaS begreif ich — solche Kraft ist ja viel mehr als MS Andere,
man sieht da kein Ende, und es reizt auch mich nichts so sehr/als wovon ich kein
Ende absehen kann. Weißt Du, Vater, daß ich auch schon einem solchen Dovpel-
sture begegnet bin?

Brahe. Gott behüte Dich davor mein Kind! Was willst Du damit sagen?

(rasch.)
Splva Und wie ging's ihm denn in Rom, dem schwedischen Dämon?

Brahe. Keine stolze vornehme Schöne/ kein mächtig Amt fesselte ihn, son¬
dern ein einfach römisch Mädchen —

Splva. Ach, das ist schöne Siehst Du! - und wie weiter?

Brahe. Weiter wissen wir nichts Sicheres, er war mit ihr verschwunden,
und nur dunkle Gerüchte sprachen von einem schrecklichen Ende — plötzlich war er
hier, erregte Aufruhr und Empörung, ward verfolgt, und soll von unsern Berg¬
völkern in einen Abgrund gestürzt worden sein.

Splva. Soll! El, da kann er ja alle Tage wieder kommen!

B

(lachend.)
rahe DaS wohl — aber da müßte er hundert Jahre alt gewor¬
den sein.


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[0061] Brahe. Sie komme», ehe wir uns dessen versehn, über unser Herz, und wenn wir dessen inne werden, gehört ihnen unser bestes Herzblut schön. Es sind dies die genial begabten Geschöpfe. Splva. Was ist das, genial? Brahe. DaS ist eine Kraft, die sich nicht berechnen, die sich nicht nachmachen läßt, eine Kraft, die wir nicht in Bestandtheile zerlegen können, und die deshalb von ängstlichen Menschen eine dämonische Kraft genannt wird. So hieß jener Dop- pclsturc, dessen Schicksal Dich so interesstrt, der schwedische Dätnon. Die Männer athmeten auf, und die Weiber weinten, als er Stockholm verließ, um in die weite Welt zu gehn. Ein unstäter Drang ist solchen Menschen eigenthümlich, sie sind niemals mit dem begnügt, was sie um sich haben können, es flimmert ihnen das Glück der Welt vor den Augen wie ein endlos fluthendeS Glanzmecr, umsonst er¬ reichen sie mit Leichtigkeit diesen Vortheil oder jene glückliche Stellung, Alles das scheint ihnen gering gegen das Glanzmeer, das sie umflimmert, rastlos treibt sie ihr Sinn hinaus, sie fürchten, es entgehe ihnen das Beste in der Ferne, wenn sie daheim auch noch so vortheilhaft angesiedelt sind, so wird ihnen die glücklichste Ehe, der vorteilhafteste Posten eine Last, ja auf dem Throne selbst verzehrt sie die Un¬ ruhe oder Begierde, und stachelt sie, Abenteurer oder Eroberer zu werden. Splva. Aber warum weinten denn die schwedischen Frauen, ans der Dop¬ pelsinn hinweg ging, da er sie doch nur beraubt und gequält hatte? Brahe. Weil die Weiber, so sehr sie sich fürchten, aller dämonischen Kraft um Begierigsten nachgehn. Splva. DaS begreif ich — solche Kraft ist ja viel mehr als MS Andere, man sieht da kein Ende, und es reizt auch mich nichts so sehr/als wovon ich kein Ende absehen kann. Weißt Du, Vater, daß ich auch schon einem solchen Dovpel- sture begegnet bin? Brahe. Gott behüte Dich davor mein Kind! Was willst Du damit sagen? (rasch.) Splva Und wie ging's ihm denn in Rom, dem schwedischen Dämon? Brahe. Keine stolze vornehme Schöne/ kein mächtig Amt fesselte ihn, son¬ dern ein einfach römisch Mädchen — Splva. Ach, das ist schöne Siehst Du! - und wie weiter? Brahe. Weiter wissen wir nichts Sicheres, er war mit ihr verschwunden, und nur dunkle Gerüchte sprachen von einem schrecklichen Ende — plötzlich war er hier, erregte Aufruhr und Empörung, ward verfolgt, und soll von unsern Berg¬ völkern in einen Abgrund gestürzt worden sein. Splva. Soll! El, da kann er ja alle Tage wieder kommen! B (lachend.) rahe DaS wohl — aber da müßte er hundert Jahre alt gewor¬ den sein. 7»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/61>, abgerufen am 22.12.2024.