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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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- -Nun wurde öffentlich in allen Gassen verkündet, daß die Bürge?
ihre Waffen sämmtlich auf den Wagkeller bringen sollten, und wofern
sich einer weigere, diesem Gebote nachzukommen, so würde er mit einer
Strafe von hundert Kronen belegt.

Dieses strenge Gebot erpreßte Thränen. Man mußte sich der ei¬
sernen Noch unterwerfen, der Magistrat gab das Beispiel deö Gehor¬
sams und legte an der Spitze des Raths seinen Degen ab. ' Der Her¬
zog de la Feuillade, der unterdessen auch angekommen war, und der
Marquis bemühten sich, die Bürger zu trösten und befahlen ihnen, ihre
Waffen nur zu zeichnen, da ihnen solche in einigen Tagen wieder zu"
rückgestellt werden sollten. Man stellte also drei große Haufen von
Gewehren im Wagkeller ans, und Jederman ging betrübt nach Hause.

Auf die Entwaffnung der Bürger folgte eine neue Maßregel. Die
Kanonen wurden, 96 an der Zahl, auf ihren Laveten, sammt 60 Mör¬
sern, 600 Doppelhacken, 4000 Musketen, 500 Harnischen, einer gro¬
ßen Menge Pulvertonnen, 1100 Spießen, einer unzähligen Menge Ku¬
geln und Granaten, Lunten, Piken, Karabinern, Bandelircn und über¬
haupt Allem, was zur Vertheidigung einer Festung nothwendig ist, nach
Breisach geführt. Unter den Kanonen befanden sich zwei Feldschlangen,
welche Pellison wegen ihrer außerordentlichen Größe und Schönheit
anpreist.

Jämmerlich war es anzusehen, wie man die Stadt eines Theils
ihrer Reichthümer beraubte. Während der traurigen Nacht, in welcher
-man das Kriegszeug wegführte, schloß kein Colmarer die Augen, und
Thränen flössen in jedem Hause; man durfte jedoch seinen Schmerz nicht
äußern, denn in jeder Gasse standen Schildwachen und die Reiterei hielt
häufig Streifwache, um jedem Tumulte zuvorzukommen.

Ludwig X!V., der nicht viel auf die Festungswerke der Stadt
hielt, und fürchtete, die Feinde Frankreichs möchten sich derselben be-
, mächtigen, hatte längst schon beschlossen, die Wälle abzubrechen und die
Thore niederzureißen. Zu diesem Endzwecke waren auch schon heimliche
Befehle ertheilt worden. Es erschienen auch am 20. um 6 Uhr Mor¬
gens 1000 Mann Fußvolk, deren jeder nebst seinen Waffen eine Schau¬
fel oder Pike bei sich trug. Die Bürger mußten auftreten, Bauern
aus dem Sundgau, Bergknappen von Mariakirch wurden herbeigeru-
> fer, um, die Bollwerke mit Min,en zu sprengen. Und so fing man am
Demheimer Thore an, die Stadtmauern niederzureißen und die Gra¬
ben auszufüllen. -


- -Nun wurde öffentlich in allen Gassen verkündet, daß die Bürge?
ihre Waffen sämmtlich auf den Wagkeller bringen sollten, und wofern
sich einer weigere, diesem Gebote nachzukommen, so würde er mit einer
Strafe von hundert Kronen belegt.

Dieses strenge Gebot erpreßte Thränen. Man mußte sich der ei¬
sernen Noch unterwerfen, der Magistrat gab das Beispiel deö Gehor¬
sams und legte an der Spitze des Raths seinen Degen ab. ' Der Her¬
zog de la Feuillade, der unterdessen auch angekommen war, und der
Marquis bemühten sich, die Bürger zu trösten und befahlen ihnen, ihre
Waffen nur zu zeichnen, da ihnen solche in einigen Tagen wieder zu"
rückgestellt werden sollten. Man stellte also drei große Haufen von
Gewehren im Wagkeller ans, und Jederman ging betrübt nach Hause.

Auf die Entwaffnung der Bürger folgte eine neue Maßregel. Die
Kanonen wurden, 96 an der Zahl, auf ihren Laveten, sammt 60 Mör¬
sern, 600 Doppelhacken, 4000 Musketen, 500 Harnischen, einer gro¬
ßen Menge Pulvertonnen, 1100 Spießen, einer unzähligen Menge Ku¬
geln und Granaten, Lunten, Piken, Karabinern, Bandelircn und über¬
haupt Allem, was zur Vertheidigung einer Festung nothwendig ist, nach
Breisach geführt. Unter den Kanonen befanden sich zwei Feldschlangen,
welche Pellison wegen ihrer außerordentlichen Größe und Schönheit
anpreist.

Jämmerlich war es anzusehen, wie man die Stadt eines Theils
ihrer Reichthümer beraubte. Während der traurigen Nacht, in welcher
-man das Kriegszeug wegführte, schloß kein Colmarer die Augen, und
Thränen flössen in jedem Hause; man durfte jedoch seinen Schmerz nicht
äußern, denn in jeder Gasse standen Schildwachen und die Reiterei hielt
häufig Streifwache, um jedem Tumulte zuvorzukommen.

Ludwig X!V., der nicht viel auf die Festungswerke der Stadt
hielt, und fürchtete, die Feinde Frankreichs möchten sich derselben be-
, mächtigen, hatte längst schon beschlossen, die Wälle abzubrechen und die
Thore niederzureißen. Zu diesem Endzwecke waren auch schon heimliche
Befehle ertheilt worden. Es erschienen auch am 20. um 6 Uhr Mor¬
gens 1000 Mann Fußvolk, deren jeder nebst seinen Waffen eine Schau¬
fel oder Pike bei sich trug. Die Bürger mußten auftreten, Bauern
aus dem Sundgau, Bergknappen von Mariakirch wurden herbeigeru-
> fer, um, die Bollwerke mit Min,en zu sprengen. Und so fing man am
Demheimer Thore an, die Stadtmauern niederzureißen und die Gra¬
ben auszufüllen. -


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/594>, abgerufen am 25.07.2024.