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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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war nie gesinnt, in die Stadt' einzugehen. ^ Pellisson' gesteht dieses in
einem Briefe des 30. Augusts 1673, in dem er schreibt:

"Die Art und Weise, mit welcher man sich benahm, um gelinder
in Colmar einzudringen, bestand darin, daß man ausstreute, der König
wollte auf seiner Neise nach Breisach dort verweilen, was man ihm
nicht abschlagen konnte. Man ließ hernach das Garderegiment und spä¬
ter andere Trupper/ ungefähr 3000 Mann, in Colmar einziehen."

Es erschienen also königliche Quartiermeister in Colmar, um Woh¬
nungen für den König, die Königin, Madame d'Orleans, den Mar¬
quis von Louvois und die den Monarchen begleitenden Offiziere zu be¬
stimmen. Jederman war fest überzeugt, her König werde in der Stadt
erscheinen, und die Bürgerschaft bezeugte eine große Freude, diesen gro¬
ßen Mann zu beherbergen.

Sobald die Quartiere für den Hof bestellt waren, kam der Mar¬
quis von Louvois mit den Abgeordneten in die Stadt, und die sämmt¬
liche Reiterei, welche in der Umgegend lag, zog ebenfalls hinein, stellte
sich vor dem Wagkeller auf, nahm nachher alle Posten ein, besetzte die
Thore und ergriff alle Maßregeln, um die Sicherheit der Stadt zu för¬
dern. Diese Aeußerung flößte den Bürgern Schrecken es?. Man be¬
sprach sich die ganze Nacht hindurch über die Gesinnungen des Königs,
die Angst ging so weit, daß man sich heimlich bereiten wollte, dein Plane
der Franzosen entgegenzuarbeiten, im Falle sie etwas Feindliches gegen
die Stadt zu unternehmen wagten. Allein diese Betheurungen gingen
in Rauch auf; der König war nun Meister der Stadt und bald sollte
sie die Macht seines Armes fühlen. An Widerstand war also nicht zu
denken, denn jeder Versuch würde-eine Thorheit gewesen' sein und die
Stadt der Rache deS Monarchen preisgegeben haben.

Am Dienstag den 19. August stellten sich etliche Compagnien Fuß-
'volk mit vier Kanonen ein. Bald hernach erschienen bei 10V Wägen
mit Kriegsmunition und Gepäcke. Die Soldaten faßten Posto auf den
^öffentlichen Plätzen, vor dein Wagkeller und dem Zeughause, und hiel¬
ten strenge Kriegszucht; es war ihnen verboten, mit den Bürgern Ge¬
meinschaft zu pflegen: .sie-bezahlten richtig, was sie verzehrten, zeigten
-sich übrigens sehr freundschaftlich gegen Jederman. > Mit Angst,,,sah die
-Bürgerschaft diesem Benehmen zu. Diese, Angst stieg aber'noch höher,
als die Soldaten alle Kanonen von> den Wällen abführten '.und die
Schlüssel des Zeughauses von dem Obristmcister forderten.'


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war nie gesinnt, in die Stadt' einzugehen. ^ Pellisson' gesteht dieses in
einem Briefe des 30. Augusts 1673, in dem er schreibt:

„Die Art und Weise, mit welcher man sich benahm, um gelinder
in Colmar einzudringen, bestand darin, daß man ausstreute, der König
wollte auf seiner Neise nach Breisach dort verweilen, was man ihm
nicht abschlagen konnte. Man ließ hernach das Garderegiment und spä¬
ter andere Trupper/ ungefähr 3000 Mann, in Colmar einziehen."

Es erschienen also königliche Quartiermeister in Colmar, um Woh¬
nungen für den König, die Königin, Madame d'Orleans, den Mar¬
quis von Louvois und die den Monarchen begleitenden Offiziere zu be¬
stimmen. Jederman war fest überzeugt, her König werde in der Stadt
erscheinen, und die Bürgerschaft bezeugte eine große Freude, diesen gro¬
ßen Mann zu beherbergen.

Sobald die Quartiere für den Hof bestellt waren, kam der Mar¬
quis von Louvois mit den Abgeordneten in die Stadt, und die sämmt¬
liche Reiterei, welche in der Umgegend lag, zog ebenfalls hinein, stellte
sich vor dem Wagkeller auf, nahm nachher alle Posten ein, besetzte die
Thore und ergriff alle Maßregeln, um die Sicherheit der Stadt zu för¬
dern. Diese Aeußerung flößte den Bürgern Schrecken es?. Man be¬
sprach sich die ganze Nacht hindurch über die Gesinnungen des Königs,
die Angst ging so weit, daß man sich heimlich bereiten wollte, dein Plane
der Franzosen entgegenzuarbeiten, im Falle sie etwas Feindliches gegen
die Stadt zu unternehmen wagten. Allein diese Betheurungen gingen
in Rauch auf; der König war nun Meister der Stadt und bald sollte
sie die Macht seines Armes fühlen. An Widerstand war also nicht zu
denken, denn jeder Versuch würde-eine Thorheit gewesen' sein und die
Stadt der Rache deS Monarchen preisgegeben haben.

Am Dienstag den 19. August stellten sich etliche Compagnien Fuß-
'volk mit vier Kanonen ein. Bald hernach erschienen bei 10V Wägen
mit Kriegsmunition und Gepäcke. Die Soldaten faßten Posto auf den
^öffentlichen Plätzen, vor dein Wagkeller und dem Zeughause, und hiel¬
ten strenge Kriegszucht; es war ihnen verboten, mit den Bürgern Ge¬
meinschaft zu pflegen: .sie-bezahlten richtig, was sie verzehrten, zeigten
-sich übrigens sehr freundschaftlich gegen Jederman. > Mit Angst,,,sah die
-Bürgerschaft diesem Benehmen zu. Diese, Angst stieg aber'noch höher,
als die Soldaten alle Kanonen von> den Wällen abführten '.und die
Schlüssel des Zeughauses von dem Obristmcister forderten.'


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[0593] war nie gesinnt, in die Stadt' einzugehen. ^ Pellisson' gesteht dieses in einem Briefe des 30. Augusts 1673, in dem er schreibt: „Die Art und Weise, mit welcher man sich benahm, um gelinder in Colmar einzudringen, bestand darin, daß man ausstreute, der König wollte auf seiner Neise nach Breisach dort verweilen, was man ihm nicht abschlagen konnte. Man ließ hernach das Garderegiment und spä¬ ter andere Trupper/ ungefähr 3000 Mann, in Colmar einziehen." Es erschienen also königliche Quartiermeister in Colmar, um Woh¬ nungen für den König, die Königin, Madame d'Orleans, den Mar¬ quis von Louvois und die den Monarchen begleitenden Offiziere zu be¬ stimmen. Jederman war fest überzeugt, her König werde in der Stadt erscheinen, und die Bürgerschaft bezeugte eine große Freude, diesen gro¬ ßen Mann zu beherbergen. Sobald die Quartiere für den Hof bestellt waren, kam der Mar¬ quis von Louvois mit den Abgeordneten in die Stadt, und die sämmt¬ liche Reiterei, welche in der Umgegend lag, zog ebenfalls hinein, stellte sich vor dem Wagkeller auf, nahm nachher alle Posten ein, besetzte die Thore und ergriff alle Maßregeln, um die Sicherheit der Stadt zu för¬ dern. Diese Aeußerung flößte den Bürgern Schrecken es?. Man be¬ sprach sich die ganze Nacht hindurch über die Gesinnungen des Königs, die Angst ging so weit, daß man sich heimlich bereiten wollte, dein Plane der Franzosen entgegenzuarbeiten, im Falle sie etwas Feindliches gegen die Stadt zu unternehmen wagten. Allein diese Betheurungen gingen in Rauch auf; der König war nun Meister der Stadt und bald sollte sie die Macht seines Armes fühlen. An Widerstand war also nicht zu denken, denn jeder Versuch würde-eine Thorheit gewesen' sein und die Stadt der Rache deS Monarchen preisgegeben haben. Am Dienstag den 19. August stellten sich etliche Compagnien Fuß- 'volk mit vier Kanonen ein. Bald hernach erschienen bei 10V Wägen mit Kriegsmunition und Gepäcke. Die Soldaten faßten Posto auf den ^öffentlichen Plätzen, vor dein Wagkeller und dem Zeughause, und hiel¬ ten strenge Kriegszucht; es war ihnen verboten, mit den Bürgern Ge¬ meinschaft zu pflegen: .sie-bezahlten richtig, was sie verzehrten, zeigten -sich übrigens sehr freundschaftlich gegen Jederman. > Mit Angst,,,sah die -Bürgerschaft diesem Benehmen zu. Diese, Angst stieg aber'noch höher, als die Soldaten alle Kanonen von> den Wällen abführten '.und die Schlüssel des Zeughauses von dem Obristmcister forderten.' 7S»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/593>, abgerufen am 24.07.2024.