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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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Christine. Weil sie ein Weib ist,ffMd jeder Maler sich berechtigt glaubt,
bei einem Weibe sein Glück zu suche", nicht wahr"?

Monaldeschi. Zum Theil wahr. Weil sie ein Weib ist, ja; Weiber ha"
ben eine reichere Phantasie. Mit weltlichen Mitteln ausgerüstet, sind sie den ideal¬
sten Plänen bereitwillig; jener Rost praktischer Besorgnis welcher den Männern
anklebt, verhindert sie nicht.

Christine. DaS heißt: sie neigen aller Chimäre Ohr und Hand.

Monaldeschi. Wenn Euch Maal und Chimäre gleichbedeutend sind, ja.
Aber die Chimäre erwächst, ein bloßer Wctterschimmer, aus der Luft in's Unge¬
wisse, das Ideal entkeimt hingegen Mi) aus gutem, irdischem Boden, und erhebt
sich in's Unendliche.

Christine. Nun, und zu welchem Ideale soll Dir die Königin von Schwe¬
den behilflich sein? Crst soll sie Dich zum Favoriten, dann zum Reichskanzler,
und dann zum Könige von Schweden machen, nicht wahr? Und um idealisch an¬
zufangen, kletterst Du Nachts ein' ihrem Fenster in die Höhe --

Monaldeschi. Was Ihr mir da von Hoffnungen zuschreibt, das ist Chi¬
märe, nicht Ideal -- Christine von Schweden heißt in Rom die philosophische
Königin, man weiß und rühmt, daß sie der Wissenschaft und Kunst und aller ewi¬
gen Frage der Welt nachgeht -- ist es nicht Gewinn, einer Königswelt nahe zu
sein, wo inmitten weltlicher Macht der freie Wissenfchaftsgedanke freie Geltung und
freie Bahn gewinnt?

Christine. Und Dergleichen bringst Du aus Rom? Das ist ja ketzerisch.

Monaldeschi. Ketzerei muß von der Kirche verfolgt werden, wieder Staat
bekämpft, was ihm widerspricht; aber um die Ketzerei wirksam zu verfolgen, wird
es der Kirche nothwendig, sich selbst methodisch zu entwickeln, darum --

Christine. Darum braucht die Kirche Ketzer, willst Du sagen -- Du weißt
Dich in Schweden zu benehmen, und Du scheinst mir überhaupt ein so leichtsinni¬
ger, gefährlicher Mensch zu sein, daß Du meiner besten Glückwünsche bedarfst, um
dem Schicksale eines Taugenichts ju entgehn.

Monaldeschi. Die Glückwünsche einer Königin sind Brief-Couverts des
Glückes selbst.

Christine. schmeichle Dich hinauf zur Chimäre, und sorge selbst, wie Du
den Rückzug findest -- meine Wache Wird Dir zeigen, was in diesem Brief-Cou-

(sie macht ihm eine Handbcwcoung des Abschiedes,)
Vert steckt

Monaldeschi. Erlaubt mir nur'noch eine,Frage: Wenn ich eine heiße,
bleierne Kugel finde, war diese Kugel Euch wirklich dienstbar'und willkommen?

Christine. Thörichter Menschl Bin ich das Schicksal?

Monaldeschi. Ich danke Euch!


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Christine. Weil sie ein Weib ist,ffMd jeder Maler sich berechtigt glaubt,
bei einem Weibe sein Glück zu suche«, nicht wahr"?

Monaldeschi. Zum Theil wahr. Weil sie ein Weib ist, ja; Weiber ha»
ben eine reichere Phantasie. Mit weltlichen Mitteln ausgerüstet, sind sie den ideal¬
sten Plänen bereitwillig; jener Rost praktischer Besorgnis welcher den Männern
anklebt, verhindert sie nicht.

Christine. DaS heißt: sie neigen aller Chimäre Ohr und Hand.

Monaldeschi. Wenn Euch Maal und Chimäre gleichbedeutend sind, ja.
Aber die Chimäre erwächst, ein bloßer Wctterschimmer, aus der Luft in's Unge¬
wisse, das Ideal entkeimt hingegen Mi) aus gutem, irdischem Boden, und erhebt
sich in's Unendliche.

Christine. Nun, und zu welchem Ideale soll Dir die Königin von Schwe¬
den behilflich sein? Crst soll sie Dich zum Favoriten, dann zum Reichskanzler,
und dann zum Könige von Schweden machen, nicht wahr? Und um idealisch an¬
zufangen, kletterst Du Nachts ein' ihrem Fenster in die Höhe —

Monaldeschi. Was Ihr mir da von Hoffnungen zuschreibt, das ist Chi¬
märe, nicht Ideal — Christine von Schweden heißt in Rom die philosophische
Königin, man weiß und rühmt, daß sie der Wissenschaft und Kunst und aller ewi¬
gen Frage der Welt nachgeht -- ist es nicht Gewinn, einer Königswelt nahe zu
sein, wo inmitten weltlicher Macht der freie Wissenfchaftsgedanke freie Geltung und
freie Bahn gewinnt?

Christine. Und Dergleichen bringst Du aus Rom? Das ist ja ketzerisch.

Monaldeschi. Ketzerei muß von der Kirche verfolgt werden, wieder Staat
bekämpft, was ihm widerspricht; aber um die Ketzerei wirksam zu verfolgen, wird
es der Kirche nothwendig, sich selbst methodisch zu entwickeln, darum —

Christine. Darum braucht die Kirche Ketzer, willst Du sagen — Du weißt
Dich in Schweden zu benehmen, und Du scheinst mir überhaupt ein so leichtsinni¬
ger, gefährlicher Mensch zu sein, daß Du meiner besten Glückwünsche bedarfst, um
dem Schicksale eines Taugenichts ju entgehn.

Monaldeschi. Die Glückwünsche einer Königin sind Brief-Couverts des
Glückes selbst.

Christine. schmeichle Dich hinauf zur Chimäre, und sorge selbst, wie Du
den Rückzug findest — meine Wache Wird Dir zeigen, was in diesem Brief-Cou-

(sie macht ihm eine Handbcwcoung des Abschiedes,)
Vert steckt

Monaldeschi. Erlaubt mir nur'noch eine,Frage: Wenn ich eine heiße,
bleierne Kugel finde, war diese Kugel Euch wirklich dienstbar'und willkommen?

Christine. Thörichter Menschl Bin ich das Schicksal?

Monaldeschi. Ich danke Euch!


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/59>, abgerufen am 22.12.2024.