Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.Ein Engländer erschien vor dem" Assisenhof unter der Anklage eines Während des Plaioopers erkannte der Präsident neben dem Stage- So ganz ohne alle Vorbereitung zu einer Improvisation genöthigt, Der Artikel 294 ist nicht der einzige, den man falsch versteht; der Ein Engländer erschien vor dem" Assisenhof unter der Anklage eines Während des Plaioopers erkannte der Präsident neben dem Stage- So ganz ohne alle Vorbereitung zu einer Improvisation genöthigt, Der Artikel 294 ist nicht der einzige, den man falsch versteht; der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0560" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267773"/> <p xml:id="ID_1966"> Ein Engländer erschien vor dem" Assisenhof unter der Anklage eines<lb/> nächtlichen Diebstahls in einem, bewohnten Hause. Er War Nämlich ei¬<lb/> nes Abends im Spielhause Frascati gewesen, und Hatte stark verloren;<lb/> darauf hatte,er von der Bank zwölf Billete von 1000 Franken an sich<lb/> gerissen, und war durch's Fenster entwischt. Gemäß der Bestimmung<lb/> des Artikels 294 hatte Hin der Präsident einen Rechtsfreund gegeben,<lb/> und zwar war dieß ein junger Advokat, der erst debütirte. Der Ange¬<lb/> klagte gestand, seine Vertheidigung war also schwierig.</p><lb/> <p xml:id="ID_1967"> Während des Plaioopers erkannte der Präsident neben dem Stage-<lb/> Advvkatcn.einen andern ebenfalls jungen Advokaten, dessen erste Schritte<lb/> aber schon von verdienten Erfolgen gekrönt waren. Herr N., sagte er<lb/> zu dem Vertheidiger ex <Me!o, ich bemerke, daß eine sehr natürliche<lb/> Aufregung Sie eines Theils Ihrer Mittel beraubt; wenn Sie für einen<lb/> unsrer Sprache kundigen Angeklagten plan'dirten, so würde ich Sie nicht<lb/> unterbrechen; Sie sprechen aber für einen Fremden, der nicht im Stande<lb/> ist, Ihre etwaigen Irrthümer zu berichtigen; nehmen Sie daher gefälligst<lb/> meine Bemerkung nicht ungütig auf, und erlauben Sie ihrem Colle-<lb/> gen, Herrn B. die Vertheidigung zu vervollständigen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1968"> So ganz ohne alle Vorbereitung zu einer Improvisation genöthigt,<lb/> aber mit- einem wahrhaften Talent begabt, bemüht sich Herr B. zuerst,<lb/> die erschwerenden Umstände zu entfernen.' Ein Spielhaus, behaupteter,<lb/> in welchem Jederman frei ein« und ausgeht, ist kein bewohntes Haus<lb/> in dem Sinne des Gesetzes; ein solches Haus, in dem fortwährend das<lb/> Licht von-100 Kerzen funkelt, hat keine Nacht. Nun bemerkt-der Ad¬<lb/> vokat, daß die Jury ihn mit wohlwollendem Interesse anhört; er wird'<lb/> also kühner, geht zum Hauptbestandtheil der Anklage über und beweist,<lb/> daß die Hinwegnahme einer Geldsumme unter den Augen des. Eigen¬<lb/> thümers oder seiner Stellvertreter nicht als, betrügerische Entwertung be¬<lb/> zeichnet werden kann. Der Erfolg dieses Plaidopers ist vollständig; der<lb/> Angeklagte, obgleich eingeständig, wird freigesprochen. Wenn er seinen<lb/> ersten Vertheidiger behielt, war er unfehlbar verurtheilt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1969" next="#ID_1970"> Der Artikel 294 ist nicht der einzige, den man falsch versteht; der<lb/> Artikel 311, in Folge dessen der Präsident dem Rechtsbeistande des An¬<lb/> geklagten anzeigen muß, daß er Nichts gegen sein Gewissen und gegen die<lb/> den Gesetzen'gebührende Achtung sprechen darf, und daß er sich M't<lb/> Schicklichkeit und Mäßigung ausdrücken soll, ist eine leere Formel ge¬<lb/> worden,'der man nicht die geringste Aufmerksamkeit.schenkte oder viel¬<lb/> mehr es haben, besonders in den Gedanken-der jungen Leute> die Worte</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0560]
Ein Engländer erschien vor dem" Assisenhof unter der Anklage eines
nächtlichen Diebstahls in einem, bewohnten Hause. Er War Nämlich ei¬
nes Abends im Spielhause Frascati gewesen, und Hatte stark verloren;
darauf hatte,er von der Bank zwölf Billete von 1000 Franken an sich
gerissen, und war durch's Fenster entwischt. Gemäß der Bestimmung
des Artikels 294 hatte Hin der Präsident einen Rechtsfreund gegeben,
und zwar war dieß ein junger Advokat, der erst debütirte. Der Ange¬
klagte gestand, seine Vertheidigung war also schwierig.
Während des Plaioopers erkannte der Präsident neben dem Stage-
Advvkatcn.einen andern ebenfalls jungen Advokaten, dessen erste Schritte
aber schon von verdienten Erfolgen gekrönt waren. Herr N., sagte er
zu dem Vertheidiger ex <Me!o, ich bemerke, daß eine sehr natürliche
Aufregung Sie eines Theils Ihrer Mittel beraubt; wenn Sie für einen
unsrer Sprache kundigen Angeklagten plan'dirten, so würde ich Sie nicht
unterbrechen; Sie sprechen aber für einen Fremden, der nicht im Stande
ist, Ihre etwaigen Irrthümer zu berichtigen; nehmen Sie daher gefälligst
meine Bemerkung nicht ungütig auf, und erlauben Sie ihrem Colle-
gen, Herrn B. die Vertheidigung zu vervollständigen.
So ganz ohne alle Vorbereitung zu einer Improvisation genöthigt,
aber mit- einem wahrhaften Talent begabt, bemüht sich Herr B. zuerst,
die erschwerenden Umstände zu entfernen.' Ein Spielhaus, behaupteter,
in welchem Jederman frei ein« und ausgeht, ist kein bewohntes Haus
in dem Sinne des Gesetzes; ein solches Haus, in dem fortwährend das
Licht von-100 Kerzen funkelt, hat keine Nacht. Nun bemerkt-der Ad¬
vokat, daß die Jury ihn mit wohlwollendem Interesse anhört; er wird'
also kühner, geht zum Hauptbestandtheil der Anklage über und beweist,
daß die Hinwegnahme einer Geldsumme unter den Augen des. Eigen¬
thümers oder seiner Stellvertreter nicht als, betrügerische Entwertung be¬
zeichnet werden kann. Der Erfolg dieses Plaidopers ist vollständig; der
Angeklagte, obgleich eingeständig, wird freigesprochen. Wenn er seinen
ersten Vertheidiger behielt, war er unfehlbar verurtheilt.
Der Artikel 294 ist nicht der einzige, den man falsch versteht; der
Artikel 311, in Folge dessen der Präsident dem Rechtsbeistande des An¬
geklagten anzeigen muß, daß er Nichts gegen sein Gewissen und gegen die
den Gesetzen'gebührende Achtung sprechen darf, und daß er sich M't
Schicklichkeit und Mäßigung ausdrücken soll, ist eine leere Formel ge¬
worden,'der man nicht die geringste Aufmerksamkeit.schenkte oder viel¬
mehr es haben, besonders in den Gedanken-der jungen Leute> die Worte
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