Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.Das von der Staatsbehörde so mühsam aufgebaute Ge¬ Die Grundlagen der Anklage brechen zusammen. - Handelt es sich von einem Morde aus Eifersucht, so wird der Ad¬ Während der junge Cicero sich niedersetzt, den Schweiß von der Zuweilen ereignet es sich, daß der junge Advokat seine Aufgabe so Das von der Staatsbehörde so mühsam aufgebaute Ge¬ Die Grundlagen der Anklage brechen zusammen. - Handelt es sich von einem Morde aus Eifersucht, so wird der Ad¬ Während der junge Cicero sich niedersetzt, den Schweiß von der Zuweilen ereignet es sich, daß der junge Advokat seine Aufgabe so <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0559" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267772"/> <p xml:id="ID_1961"> Das von der Staatsbehörde so mühsam aufgebaute Ge¬<lb/> rüst der Anklage fällt, in Trümmer.</p><lb/> <p xml:id="ID_1962"> Die Grundlagen der Anklage brechen zusammen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1963"> - Handelt es sich von einem Morde aus Eifersucht, so wird der Ad¬<lb/> vokaten-Lehrling nie unterlassen, den erstaunten Geschwornen zu erzählen,<lb/> daß Bellart (ein berühmter Advokat der Restauration) in einer ähnli¬<lb/> chen Sache den Orosmanes (Trauerspiel von Voltaire) citirt hat.<lb/> Handelt es sich von einem Mord ohne bestimmten oder klar am Tage<lb/> liegenden Beweggrund, so wird die Vertheidigung um zehn Seiten län¬<lb/> ger werden, die aus BroussaiS, Pinel, Esquirol über die Manie deö<lb/> Todtjchlagö entlehnt sind. Ist der Ruf irgend eines Zeugen im minde¬<lb/> sten zweifelhaft, so wird derselbe unbarmherzig aufgeopfert; er ist ein be¬<lb/> soldeter Denunciant, ein Polizei-Agent, ein geheimer Spion. Der Ad¬<lb/> vokat schlägt den Aermel seiner Robe zurück, und wendet sich mit dem<lb/> Tone tugendhaften Unwillens an die Jury: //Wie, meine Herren Ge¬<lb/> schwornen, einem solchen Zeugnisse sollen wir Glauben beimessen? Auf<lb/> die Aussage eines solchen Menschen will sich die Anklage stützen? Nein,<lb/> meine Herren Geschwornen, das ist eine Anmaßung, die von einer bel¬<lb/> gischen Jury nie wird zugelassen werden." Und nachdem der Advokat<lb/> diese Phrase, ohne Athem zu schöpfen, hinschlentert, hat er nur noch<lb/> die ibi'uni!a soieilius hinzuzufügen: //Meine Herren Geschwornen, ich<lb/> erwarte das Urtheil, das Sie zu fällen im Begriffe stehn, ''mit vollem<lb/> Vertrauen.//</p><lb/> <p xml:id="ID_1964"> Während der junge Cicero sich niedersetzt, den Schweiß von der<lb/> Stirn trocknet, die Glückwünsche seiner ihn eifrig umdrängenden Colle¬<lb/> ge» empfängt, berathschlagt die Jury und bringt gewöhnlich ein Ver-<lb/> dict mit zurück, wodurch der Angeklagte einstimmig verurtheilt ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1965"> Zuweilen ereignet es sich, daß der junge Advokat seine Aufgabe so<lb/> gut erfüllt, daß der Präsident oder der Staats-Procurator es für ihre<lb/> Pflicht halten, sie von Neuem anfangen,zu lassen. In Frankreich, wo<lb/> man, nur Eine Sprache spricht, ist die Criminal-Justiz viel erpeditiver,<lb/> als in Belgien; man hält sich dort bei den Einzelnheiten nicht jo lange<lb/> auf. In Belgien bringen die Präsidenten der Assisenhofe in die.Instruc-<lb/> tion eine bis in'n Kleinliche gehende Gewissenhaftigkeit mit. Die fran¬<lb/> zösischen Gerichte ihrer Seits zeichnen sich durch' eine großmüthige und<lb/> wohlwollende Gastlichkeit gegen , jeden angeklagten Fremden, aus, wie fol¬<lb/> gendes Beispiel zeigen mag.,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0559]
Das von der Staatsbehörde so mühsam aufgebaute Ge¬
rüst der Anklage fällt, in Trümmer.
Die Grundlagen der Anklage brechen zusammen.
- Handelt es sich von einem Morde aus Eifersucht, so wird der Ad¬
vokaten-Lehrling nie unterlassen, den erstaunten Geschwornen zu erzählen,
daß Bellart (ein berühmter Advokat der Restauration) in einer ähnli¬
chen Sache den Orosmanes (Trauerspiel von Voltaire) citirt hat.
Handelt es sich von einem Mord ohne bestimmten oder klar am Tage
liegenden Beweggrund, so wird die Vertheidigung um zehn Seiten län¬
ger werden, die aus BroussaiS, Pinel, Esquirol über die Manie deö
Todtjchlagö entlehnt sind. Ist der Ruf irgend eines Zeugen im minde¬
sten zweifelhaft, so wird derselbe unbarmherzig aufgeopfert; er ist ein be¬
soldeter Denunciant, ein Polizei-Agent, ein geheimer Spion. Der Ad¬
vokat schlägt den Aermel seiner Robe zurück, und wendet sich mit dem
Tone tugendhaften Unwillens an die Jury: //Wie, meine Herren Ge¬
schwornen, einem solchen Zeugnisse sollen wir Glauben beimessen? Auf
die Aussage eines solchen Menschen will sich die Anklage stützen? Nein,
meine Herren Geschwornen, das ist eine Anmaßung, die von einer bel¬
gischen Jury nie wird zugelassen werden." Und nachdem der Advokat
diese Phrase, ohne Athem zu schöpfen, hinschlentert, hat er nur noch
die ibi'uni!a soieilius hinzuzufügen: //Meine Herren Geschwornen, ich
erwarte das Urtheil, das Sie zu fällen im Begriffe stehn, ''mit vollem
Vertrauen.//
Während der junge Cicero sich niedersetzt, den Schweiß von der
Stirn trocknet, die Glückwünsche seiner ihn eifrig umdrängenden Colle¬
ge» empfängt, berathschlagt die Jury und bringt gewöhnlich ein Ver-
dict mit zurück, wodurch der Angeklagte einstimmig verurtheilt ist.
Zuweilen ereignet es sich, daß der junge Advokat seine Aufgabe so
gut erfüllt, daß der Präsident oder der Staats-Procurator es für ihre
Pflicht halten, sie von Neuem anfangen,zu lassen. In Frankreich, wo
man, nur Eine Sprache spricht, ist die Criminal-Justiz viel erpeditiver,
als in Belgien; man hält sich dort bei den Einzelnheiten nicht jo lange
auf. In Belgien bringen die Präsidenten der Assisenhofe in die.Instruc-
tion eine bis in'n Kleinliche gehende Gewissenhaftigkeit mit. Die fran¬
zösischen Gerichte ihrer Seits zeichnen sich durch' eine großmüthige und
wohlwollende Gastlichkeit gegen , jeden angeklagten Fremden, aus, wie fol¬
gendes Beispiel zeigen mag.,
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