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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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Kammern einen so donnernden Einfluß besitzt. Ein gründlicher deutscher
Gelehrter würde das französische Advokaten Geschlecht in vier Klassen
eintheilen.

Erstens der Anfänger, nämlich derjenige, welcher im Anfange
seiner Laufbahn in Folge einer irrigen Anwendung des im Art. 294
des französischen Criminal-Processes ausgesprochenen Humanitäts-Prin¬
cip's, sich an den Angeklagten übt, die zu arm sind, um einen Verthei¬
diger zu bezahlen. Es giebt keinen Stand, der nicht erlernt werden
müßte, und das geschieht gewöhnlich aus Unkosten einer Sache, oder
eines Menschen. Der angehende medizinische oder chirurgische Praktikant
macht seine Lehrjahre an den armen Unglücklichen durch, die den Hos¬
pitälern anheimfallen; es frägt sich nur noch darum: wessen Lehrjahre
der Menschheit theurer zu stehen kommen, die des Arztes, oder die des
Advokaten?

Die zweite Klasse der Advokaten, oder vielmehr die zweite Stufe
ihrer Laufbahn wacht ein Proceßum eine Grenzmauer, ein Bericht an den Ge¬
richtshof,', eine donnernde Philippina gegen einen Miethsmann, der seinen
Miethzins nicht bezahlt. , In, dieser Epoche seines Lebens macht der Ad¬
vokat beständig dem Anwalt, den Hof, er wartet in dessen Bureau mit¬
ten, unter'den,'Se^ aus den/Clienten so viel
als/möglich, und, bezahlt den Advokaten genau nach, der ,Tale., Der
Advokat,der zweien, Klasse ist übrigens leicht an seinem Aeußeren zu
.erkennen, d. h. an der ungewöhnlichen Neuheit seiner Rohe -- es sei
denn, , daß, er sie für Geld geliehen, oder von einem College" ge¬
borgt hat. - -

^,,,, Man wird, sich vielleicht wundern, daß bis jetzt von Wittwen und
Waisen noch, gar nicht die Rede war,, da doch die Advokaten' die Ver¬
theidiger der Wittwen und Waisen genannt werden; wir sind aber jetzt
zu ihnen gelangt. Die, Wittwen, und Waisen werden erst, die Beute des
Advokaten, der im dritten Stadium ist; vorausgesetzt natürlich, daß
die MiWe mit, den. Erben, ihres ewigbeweinten Gatten um ihr Witt-
thum'oder, um ihr Eingebrachtes streiten muß, oder daß die Wen'se von
ihrem Vormund, Rechenschaft über eine reichliche Erbschaft zu verlangen
Kat^/Jn diesem dritten Stadium besucht der Advokat nur noch selten
den Ässisenhof; er , ist,-- so zu sagen -- vollkommen ausgewachsen; er
hat jetzt sein eigenes Cabinet, seine Bibliothek, ein oder zweiSekretaire;
den Anwalt behandelt'er jetzt von oben herab, und nennt ihn mein
Lieber; denn er-steht mit dem, Clienten in unmittelbarer Verbindung,


Kammern einen so donnernden Einfluß besitzt. Ein gründlicher deutscher
Gelehrter würde das französische Advokaten Geschlecht in vier Klassen
eintheilen.

Erstens der Anfänger, nämlich derjenige, welcher im Anfange
seiner Laufbahn in Folge einer irrigen Anwendung des im Art. 294
des französischen Criminal-Processes ausgesprochenen Humanitäts-Prin¬
cip's, sich an den Angeklagten übt, die zu arm sind, um einen Verthei¬
diger zu bezahlen. Es giebt keinen Stand, der nicht erlernt werden
müßte, und das geschieht gewöhnlich aus Unkosten einer Sache, oder
eines Menschen. Der angehende medizinische oder chirurgische Praktikant
macht seine Lehrjahre an den armen Unglücklichen durch, die den Hos¬
pitälern anheimfallen; es frägt sich nur noch darum: wessen Lehrjahre
der Menschheit theurer zu stehen kommen, die des Arztes, oder die des
Advokaten?

Die zweite Klasse der Advokaten, oder vielmehr die zweite Stufe
ihrer Laufbahn wacht ein Proceßum eine Grenzmauer, ein Bericht an den Ge¬
richtshof,', eine donnernde Philippina gegen einen Miethsmann, der seinen
Miethzins nicht bezahlt. , In, dieser Epoche seines Lebens macht der Ad¬
vokat beständig dem Anwalt, den Hof, er wartet in dessen Bureau mit¬
ten, unter'den,'Se^ aus den/Clienten so viel
als/möglich, und, bezahlt den Advokaten genau nach, der ,Tale., Der
Advokat,der zweien, Klasse ist übrigens leicht an seinem Aeußeren zu
.erkennen, d. h. an der ungewöhnlichen Neuheit seiner Rohe — es sei
denn, , daß, er sie für Geld geliehen, oder von einem College» ge¬
borgt hat. - -

^,,,, Man wird, sich vielleicht wundern, daß bis jetzt von Wittwen und
Waisen noch, gar nicht die Rede war,, da doch die Advokaten' die Ver¬
theidiger der Wittwen und Waisen genannt werden; wir sind aber jetzt
zu ihnen gelangt. Die, Wittwen, und Waisen werden erst, die Beute des
Advokaten, der im dritten Stadium ist; vorausgesetzt natürlich, daß
die MiWe mit, den. Erben, ihres ewigbeweinten Gatten um ihr Witt-
thum'oder, um ihr Eingebrachtes streiten muß, oder daß die Wen'se von
ihrem Vormund, Rechenschaft über eine reichliche Erbschaft zu verlangen
Kat^/Jn diesem dritten Stadium besucht der Advokat nur noch selten
den Ässisenhof; er , ist,— so zu sagen — vollkommen ausgewachsen; er
hat jetzt sein eigenes Cabinet, seine Bibliothek, ein oder zweiSekretaire;
den Anwalt behandelt'er jetzt von oben herab, und nennt ihn mein
Lieber; denn er-steht mit dem, Clienten in unmittelbarer Verbindung,


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[0554] Kammern einen so donnernden Einfluß besitzt. Ein gründlicher deutscher Gelehrter würde das französische Advokaten Geschlecht in vier Klassen eintheilen. Erstens der Anfänger, nämlich derjenige, welcher im Anfange seiner Laufbahn in Folge einer irrigen Anwendung des im Art. 294 des französischen Criminal-Processes ausgesprochenen Humanitäts-Prin¬ cip's, sich an den Angeklagten übt, die zu arm sind, um einen Verthei¬ diger zu bezahlen. Es giebt keinen Stand, der nicht erlernt werden müßte, und das geschieht gewöhnlich aus Unkosten einer Sache, oder eines Menschen. Der angehende medizinische oder chirurgische Praktikant macht seine Lehrjahre an den armen Unglücklichen durch, die den Hos¬ pitälern anheimfallen; es frägt sich nur noch darum: wessen Lehrjahre der Menschheit theurer zu stehen kommen, die des Arztes, oder die des Advokaten? Die zweite Klasse der Advokaten, oder vielmehr die zweite Stufe ihrer Laufbahn wacht ein Proceßum eine Grenzmauer, ein Bericht an den Ge¬ richtshof,', eine donnernde Philippina gegen einen Miethsmann, der seinen Miethzins nicht bezahlt. , In, dieser Epoche seines Lebens macht der Ad¬ vokat beständig dem Anwalt, den Hof, er wartet in dessen Bureau mit¬ ten, unter'den,'Se^ aus den/Clienten so viel als/möglich, und, bezahlt den Advokaten genau nach, der ,Tale., Der Advokat,der zweien, Klasse ist übrigens leicht an seinem Aeußeren zu .erkennen, d. h. an der ungewöhnlichen Neuheit seiner Rohe — es sei denn, , daß, er sie für Geld geliehen, oder von einem College» ge¬ borgt hat. - - ^,,,, Man wird, sich vielleicht wundern, daß bis jetzt von Wittwen und Waisen noch, gar nicht die Rede war,, da doch die Advokaten' die Ver¬ theidiger der Wittwen und Waisen genannt werden; wir sind aber jetzt zu ihnen gelangt. Die, Wittwen, und Waisen werden erst, die Beute des Advokaten, der im dritten Stadium ist; vorausgesetzt natürlich, daß die MiWe mit, den. Erben, ihres ewigbeweinten Gatten um ihr Witt- thum'oder, um ihr Eingebrachtes streiten muß, oder daß die Wen'se von ihrem Vormund, Rechenschaft über eine reichliche Erbschaft zu verlangen Kat^/Jn diesem dritten Stadium besucht der Advokat nur noch selten den Ässisenhof; er , ist,— so zu sagen — vollkommen ausgewachsen; er hat jetzt sein eigenes Cabinet, seine Bibliothek, ein oder zweiSekretaire; den Anwalt behandelt'er jetzt von oben herab, und nennt ihn mein Lieber; denn er-steht mit dem, Clienten in unmittelbarer Verbindung,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/554>, abgerufen am 04.07.2024.