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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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Plötzlich hörte man einen schrecklichen Schrei, einen jener Laute>
in denen eine' Menschenbrust Alles zusammenrafft/ was sie an Athem
und Stimme besitzt" , , , , >

Gott verzeih' mir! rief der Rochbart, der Teufel hat ihm
Anm's Licht aufgeblasen.

In der That, Baptist hatte den Todesstreich erhalten.

Wenn man in diesem Augenblicke in die Seilerwerkstätte eintrat,
so hatte man ein entsetzliches Schauspiel unter den Augen. Der Un-
glückliche war ganz vom Blute übergössen, ein Schlag mit einer ei¬
sernen Kugel hatte ihm den Hirnschädel geöffnet, und er wankte hin
und her, ohne daß ihn Jemand aufrecht zu halten gedachte. Gleich
einem Menschen, der mitten in einem Laufe das Gleichgewicht verliert,
suchte er sich mit den Nägeln an den Mauern festzuhalten; aber er
kratzte damit nur den schwarzen Staub und Kalk ab. Er fiel end¬
lich auf die Dielen hin, in sich zusammengesunken, und in seinem
eigenen Blute schwimmend. Noch einen Augenblick bewegte er krampf¬
haft seine Glieder, und dann starb er unter dem Hohngelächter seiner
Gefährten, die mit ihren höllischen Stimmen riefen:

-- Schnell einen Priester für den Herrn.

-- Schnell eine geweihte Kerze, denn er haucht seinen letzten
Seufzer aus.

-- Schnell eine Gerichtsperson, denn der Herr Notar will sein
Testament dictiren, damit seine Angelegenheiten in Ordnung seien.

Baptist war todt; man hatte ihn von hinten erschlagen.

Der Tumult erreichte seinen höchsten Grad. In einem Augen¬
blicke war der Lärm bis in die Citadelle gedrungen/ und in einem
Augenblicke auch war die Scilerwerkstätte von einer lebendigen Mauer
von Bajonetten und Säbeln umgeben. Auf jede Sträflingsbrust war
ein Flintenlauf gerichtet.,

-- Gebt Euch nicht die Mühe, den Schuldigen zu suchen, denn
ich bin es! sagte Richard mit einer kaum bewegten Stimme.

Bei diesen Worten hatte er die Kugel seiner Kette emporgeho¬
ben, und sie ganz voll Blut den Bagnowächtern gezeigt.

In der That war es Richard gewesen, dem durch das braune
Papier der Auftrag geworden, Baptist für seine Angebereien zu be¬
lohnen.


Plötzlich hörte man einen schrecklichen Schrei, einen jener Laute>
in denen eine' Menschenbrust Alles zusammenrafft/ was sie an Athem
und Stimme besitzt» , , , , >

Gott verzeih' mir! rief der Rochbart, der Teufel hat ihm
Anm's Licht aufgeblasen.

In der That, Baptist hatte den Todesstreich erhalten.

Wenn man in diesem Augenblicke in die Seilerwerkstätte eintrat,
so hatte man ein entsetzliches Schauspiel unter den Augen. Der Un-
glückliche war ganz vom Blute übergössen, ein Schlag mit einer ei¬
sernen Kugel hatte ihm den Hirnschädel geöffnet, und er wankte hin
und her, ohne daß ihn Jemand aufrecht zu halten gedachte. Gleich
einem Menschen, der mitten in einem Laufe das Gleichgewicht verliert,
suchte er sich mit den Nägeln an den Mauern festzuhalten; aber er
kratzte damit nur den schwarzen Staub und Kalk ab. Er fiel end¬
lich auf die Dielen hin, in sich zusammengesunken, und in seinem
eigenen Blute schwimmend. Noch einen Augenblick bewegte er krampf¬
haft seine Glieder, und dann starb er unter dem Hohngelächter seiner
Gefährten, die mit ihren höllischen Stimmen riefen:

— Schnell einen Priester für den Herrn.

— Schnell eine geweihte Kerze, denn er haucht seinen letzten
Seufzer aus.

— Schnell eine Gerichtsperson, denn der Herr Notar will sein
Testament dictiren, damit seine Angelegenheiten in Ordnung seien.

Baptist war todt; man hatte ihn von hinten erschlagen.

Der Tumult erreichte seinen höchsten Grad. In einem Augen¬
blicke war der Lärm bis in die Citadelle gedrungen/ und in einem
Augenblicke auch war die Scilerwerkstätte von einer lebendigen Mauer
von Bajonetten und Säbeln umgeben. Auf jede Sträflingsbrust war
ein Flintenlauf gerichtet.,

— Gebt Euch nicht die Mühe, den Schuldigen zu suchen, denn
ich bin es! sagte Richard mit einer kaum bewegten Stimme.

Bei diesen Worten hatte er die Kugel seiner Kette emporgeho¬
ben, und sie ganz voll Blut den Bagnowächtern gezeigt.

In der That war es Richard gewesen, dem durch das braune
Papier der Auftrag geworden, Baptist für seine Angebereien zu be¬
lohnen.


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[0545] Plötzlich hörte man einen schrecklichen Schrei, einen jener Laute> in denen eine' Menschenbrust Alles zusammenrafft/ was sie an Athem und Stimme besitzt» , , , , > Gott verzeih' mir! rief der Rochbart, der Teufel hat ihm Anm's Licht aufgeblasen. In der That, Baptist hatte den Todesstreich erhalten. Wenn man in diesem Augenblicke in die Seilerwerkstätte eintrat, so hatte man ein entsetzliches Schauspiel unter den Augen. Der Un- glückliche war ganz vom Blute übergössen, ein Schlag mit einer ei¬ sernen Kugel hatte ihm den Hirnschädel geöffnet, und er wankte hin und her, ohne daß ihn Jemand aufrecht zu halten gedachte. Gleich einem Menschen, der mitten in einem Laufe das Gleichgewicht verliert, suchte er sich mit den Nägeln an den Mauern festzuhalten; aber er kratzte damit nur den schwarzen Staub und Kalk ab. Er fiel end¬ lich auf die Dielen hin, in sich zusammengesunken, und in seinem eigenen Blute schwimmend. Noch einen Augenblick bewegte er krampf¬ haft seine Glieder, und dann starb er unter dem Hohngelächter seiner Gefährten, die mit ihren höllischen Stimmen riefen: — Schnell einen Priester für den Herrn. — Schnell eine geweihte Kerze, denn er haucht seinen letzten Seufzer aus. — Schnell eine Gerichtsperson, denn der Herr Notar will sein Testament dictiren, damit seine Angelegenheiten in Ordnung seien. Baptist war todt; man hatte ihn von hinten erschlagen. Der Tumult erreichte seinen höchsten Grad. In einem Augen¬ blicke war der Lärm bis in die Citadelle gedrungen/ und in einem Augenblicke auch war die Scilerwerkstätte von einer lebendigen Mauer von Bajonetten und Säbeln umgeben. Auf jede Sträflingsbrust war ein Flintenlauf gerichtet., — Gebt Euch nicht die Mühe, den Schuldigen zu suchen, denn ich bin es! sagte Richard mit einer kaum bewegten Stimme. Bei diesen Worten hatte er die Kugel seiner Kette emporgeho¬ ben, und sie ganz voll Blut den Bagnowächtern gezeigt. In der That war es Richard gewesen, dem durch das braune Papier der Auftrag geworden, Baptist für seine Angebereien zu be¬ lohnen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/545>, abgerufen am 04.07.2024.