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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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die Kettenwächter mit ihren Büchsen kamen herein,, > und ,,die Gefan¬
genen wurden von den Pfeilern, welche ihre Ketten festhielten,, los¬
gemacht. - ' ' '

, Alles nahm seinen gewöhnlichen Gang. Das Frühstück bot
nichts Außerordentliches dar. Jeder aß seine Portion, und wer sie
Alle so heiter , mit ihrem Essen beschäftigt sah, konnte sicherlich nicht
argwöhnen, daß Einer von ihnen bestimmt sei, seinen Kopf aufs
Spiel zu setzen, indem er einem Andern das Lebenslicht auslöschte.
Auch nicht Eine Bewegung gab die mindeste Aufregung kund: auch
nicht der mindeste Gedanke von Furcht offenbarte sich auf diesen kal¬
ten und düstern Gesichtern.

,Die Arbeit hatte begonnen: das Tagewerk ging in gewohnter
Ordnung fort. Hier waren die Einen beschäftigt, ,mit Schaufeln die
Erde auszuhöhlen, dort sägten Andere Holz; anderswo ward an dem
Rumpf irgend eines, Fahrzeugs gearbeitet. Weiterhin herrschte das
Geräusch der Seilerwerkftätte auf ihren ungeheuren Rädern, welche
dazu dienten) die Schiffstaue zu drehen.

Von Zeit zu Zeit betrachteten die Arbeiter einander, weil noch
keiner von ihnen wußte, wer bestimmt sei, den Todesstreich zuschla¬
gen., Aber Aller , Augen folgten, mit unergründlicher Neugier de"
Schritten Baptist's.

Er ging hiehin und dahin, sein scheußliches Amt als Spion> er¬
füllend. '

Er war lange nach den Andern erst zur Arbeit gekommen. Denn
zur Belohnung der guten Dienste, die er leistete, war it)in die Er¬
laubniß geworden, länger als die andern Galeerensträflinge, in einem
abgesonderten Raume, und vielleicht sogar auf einem guten Bette zu
schlafen.

Er war langsam das Bassin entlang gehinkt, indem er mit sei¬
nen beiden Ohren horchte, was wohl gesprochen würde, und indem
er aus den Gesichtszügen seiner Gefährten zu lesen suchte, was etwa
ihre Gedanken seien.

Aber keiner von ihnen sagte:

-- Hier geht der Spion.

-- Der Verräther ist verurtheilt. Er hat keine Stunde mehr
zu leben.

So eben war er in die Seilerwevkstätte eingetreten.


die Kettenwächter mit ihren Büchsen kamen herein,, > und ,,die Gefan¬
genen wurden von den Pfeilern, welche ihre Ketten festhielten,, los¬
gemacht. - ' ' '

, Alles nahm seinen gewöhnlichen Gang. Das Frühstück bot
nichts Außerordentliches dar. Jeder aß seine Portion, und wer sie
Alle so heiter , mit ihrem Essen beschäftigt sah, konnte sicherlich nicht
argwöhnen, daß Einer von ihnen bestimmt sei, seinen Kopf aufs
Spiel zu setzen, indem er einem Andern das Lebenslicht auslöschte.
Auch nicht Eine Bewegung gab die mindeste Aufregung kund: auch
nicht der mindeste Gedanke von Furcht offenbarte sich auf diesen kal¬
ten und düstern Gesichtern.

,Die Arbeit hatte begonnen: das Tagewerk ging in gewohnter
Ordnung fort. Hier waren die Einen beschäftigt, ,mit Schaufeln die
Erde auszuhöhlen, dort sägten Andere Holz; anderswo ward an dem
Rumpf irgend eines, Fahrzeugs gearbeitet. Weiterhin herrschte das
Geräusch der Seilerwerkftätte auf ihren ungeheuren Rädern, welche
dazu dienten) die Schiffstaue zu drehen.

Von Zeit zu Zeit betrachteten die Arbeiter einander, weil noch
keiner von ihnen wußte, wer bestimmt sei, den Todesstreich zuschla¬
gen., Aber Aller , Augen folgten, mit unergründlicher Neugier de«
Schritten Baptist's.

Er ging hiehin und dahin, sein scheußliches Amt als Spion> er¬
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Er war lange nach den Andern erst zur Arbeit gekommen. Denn
zur Belohnung der guten Dienste, die er leistete, war it)in die Er¬
laubniß geworden, länger als die andern Galeerensträflinge, in einem
abgesonderten Raume, und vielleicht sogar auf einem guten Bette zu
schlafen.

Er war langsam das Bassin entlang gehinkt, indem er mit sei¬
nen beiden Ohren horchte, was wohl gesprochen würde, und indem
er aus den Gesichtszügen seiner Gefährten zu lesen suchte, was etwa
ihre Gedanken seien.

Aber keiner von ihnen sagte:

— Hier geht der Spion.

— Der Verräther ist verurtheilt. Er hat keine Stunde mehr
zu leben.

So eben war er in die Seilerwevkstätte eingetreten.


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[0544] die Kettenwächter mit ihren Büchsen kamen herein,, > und ,,die Gefan¬ genen wurden von den Pfeilern, welche ihre Ketten festhielten,, los¬ gemacht. - ' ' ' , Alles nahm seinen gewöhnlichen Gang. Das Frühstück bot nichts Außerordentliches dar. Jeder aß seine Portion, und wer sie Alle so heiter , mit ihrem Essen beschäftigt sah, konnte sicherlich nicht argwöhnen, daß Einer von ihnen bestimmt sei, seinen Kopf aufs Spiel zu setzen, indem er einem Andern das Lebenslicht auslöschte. Auch nicht Eine Bewegung gab die mindeste Aufregung kund: auch nicht der mindeste Gedanke von Furcht offenbarte sich auf diesen kal¬ ten und düstern Gesichtern. ,Die Arbeit hatte begonnen: das Tagewerk ging in gewohnter Ordnung fort. Hier waren die Einen beschäftigt, ,mit Schaufeln die Erde auszuhöhlen, dort sägten Andere Holz; anderswo ward an dem Rumpf irgend eines, Fahrzeugs gearbeitet. Weiterhin herrschte das Geräusch der Seilerwerkftätte auf ihren ungeheuren Rädern, welche dazu dienten) die Schiffstaue zu drehen. Von Zeit zu Zeit betrachteten die Arbeiter einander, weil noch keiner von ihnen wußte, wer bestimmt sei, den Todesstreich zuschla¬ gen., Aber Aller , Augen folgten, mit unergründlicher Neugier de« Schritten Baptist's. Er ging hiehin und dahin, sein scheußliches Amt als Spion> er¬ füllend. ' Er war lange nach den Andern erst zur Arbeit gekommen. Denn zur Belohnung der guten Dienste, die er leistete, war it)in die Er¬ laubniß geworden, länger als die andern Galeerensträflinge, in einem abgesonderten Raume, und vielleicht sogar auf einem guten Bette zu schlafen. Er war langsam das Bassin entlang gehinkt, indem er mit sei¬ nen beiden Ohren horchte, was wohl gesprochen würde, und indem er aus den Gesichtszügen seiner Gefährten zu lesen suchte, was etwa ihre Gedanken seien. Aber keiner von ihnen sagte: — Hier geht der Spion. — Der Verräther ist verurtheilt. Er hat keine Stunde mehr zu leben. So eben war er in die Seilerwevkstätte eingetreten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/544>, abgerufen am 04.07.2024.