Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

stanienbäumen. - O seliger Ort!, Da .lehrte ich nur sechs treue stille
.Jahre. Denn.Lehren und Belehren ist die einzige wahre Waffe ge-
.gen. allen-Unsinn und alle Tyrannei, die nur Unverstand sind. Was
Alle oder die Meisten nicht mehr glauben oder sich nicht gefallen las¬
sen, weil sie selber das Bessere wissen und thun -- das ist verloren.
.Geister gewinnen ist Alles gewinnen. Denn das Herz traut nur dem
Kopfe. Mauern gewinnen, alle Menschen zu Sclaven machen, das
bringt nicht weiter. Das zerstört und stört pur. Bauen ist das
.Wort! Ich Streite nicht. Was den Streit zuläßt, ist nicht ausge¬
macht, ja vermuthlich gar nicht wahr. Aus dem Guten davon muß
.ein Drittes entstehen, als ein ganz Neues, Größeres, das Freund und
Feind in sich aufnimmt. Und darum Schonung, Duldung von Al¬
lem! Darum sei Keinem Unrecht angethan und Unglück. Gegen
Unrecht und Unglück kämpfe ich auf Leben und Tod!" .

Um das ganze Zeitalter zu umfassen, thäte noch ein weiterer
Umblick auf die Genossen des Jahres 1600. Noth. Spinoza.war
noch nicht geboren; Cartestus noch ein unmündig Kind.. Aber Kepp-
ler und Bacon blühten, Shakspeare dichtete, Cervantes schrieb seinen
Quirote, Jacob Böhme dachte seine Aurora, Graf Spec, der Be-
kämpfer der Hcrenverbrcnnungen, war schon voll Eifer. König Hein¬
rich von Frankreich war in'der Irre zwischen Licht und Finsterniß;
aber im Jüngling Gustav Adolf reiste schon der zukünftige Glaubens¬
held des neuen Zeitalters heran. Diesen Gestalten konnte Schefer
seinen Helden nicht Stirn vor Stirn zuführen; allein er konnte dessen
Erlebnisse in England, Frankreich und Deutschland uns vergegenwär¬
tigen, er konnte Bruno'S Lebensgeschichte in einem Roman darstellen,
der ein Bild des Zeitalters gab. Statt dessen zeigt uns die Novelle
nur den gealterten, in seiner Weisheit und als Mensch fertigen Bruno,
und giebt nur die Schlußscene seines Lebens, seine Gefangenschaft in
Venedig, seine Ueberführung voir Ancona nach Rom, seine Befreiung
durch Sidney's und der Freunde Bemühen, Bruno's Begegnen mit
seiner Mutter, die Scenen im Kerker der Inquisition, seine grauen¬
volle Marter und seine Verbrennung vor der festlich versammelten
Christenheit.

In alle dem zeigt uns Schefer in Bruno den gottvoll heitern,
überirdisch seligen, weil seiner Wahrheit zuversichtlich gewissen, ruhig
großen Menschen. Ueber die Manierirtheit der Darstellung hebt uns


stanienbäumen. - O seliger Ort!, Da .lehrte ich nur sechs treue stille
.Jahre. Denn.Lehren und Belehren ist die einzige wahre Waffe ge-
.gen. allen-Unsinn und alle Tyrannei, die nur Unverstand sind. Was
Alle oder die Meisten nicht mehr glauben oder sich nicht gefallen las¬
sen, weil sie selber das Bessere wissen und thun — das ist verloren.
.Geister gewinnen ist Alles gewinnen. Denn das Herz traut nur dem
Kopfe. Mauern gewinnen, alle Menschen zu Sclaven machen, das
bringt nicht weiter. Das zerstört und stört pur. Bauen ist das
.Wort! Ich Streite nicht. Was den Streit zuläßt, ist nicht ausge¬
macht, ja vermuthlich gar nicht wahr. Aus dem Guten davon muß
.ein Drittes entstehen, als ein ganz Neues, Größeres, das Freund und
Feind in sich aufnimmt. Und darum Schonung, Duldung von Al¬
lem! Darum sei Keinem Unrecht angethan und Unglück. Gegen
Unrecht und Unglück kämpfe ich auf Leben und Tod!" .

Um das ganze Zeitalter zu umfassen, thäte noch ein weiterer
Umblick auf die Genossen des Jahres 1600. Noth. Spinoza.war
noch nicht geboren; Cartestus noch ein unmündig Kind.. Aber Kepp-
ler und Bacon blühten, Shakspeare dichtete, Cervantes schrieb seinen
Quirote, Jacob Böhme dachte seine Aurora, Graf Spec, der Be-
kämpfer der Hcrenverbrcnnungen, war schon voll Eifer. König Hein¬
rich von Frankreich war in'der Irre zwischen Licht und Finsterniß;
aber im Jüngling Gustav Adolf reiste schon der zukünftige Glaubens¬
held des neuen Zeitalters heran. Diesen Gestalten konnte Schefer
seinen Helden nicht Stirn vor Stirn zuführen; allein er konnte dessen
Erlebnisse in England, Frankreich und Deutschland uns vergegenwär¬
tigen, er konnte Bruno'S Lebensgeschichte in einem Roman darstellen,
der ein Bild des Zeitalters gab. Statt dessen zeigt uns die Novelle
nur den gealterten, in seiner Weisheit und als Mensch fertigen Bruno,
und giebt nur die Schlußscene seines Lebens, seine Gefangenschaft in
Venedig, seine Ueberführung voir Ancona nach Rom, seine Befreiung
durch Sidney's und der Freunde Bemühen, Bruno's Begegnen mit
seiner Mutter, die Scenen im Kerker der Inquisition, seine grauen¬
volle Marter und seine Verbrennung vor der festlich versammelten
Christenheit.

In alle dem zeigt uns Schefer in Bruno den gottvoll heitern,
überirdisch seligen, weil seiner Wahrheit zuversichtlich gewissen, ruhig
großen Menschen. Ueber die Manierirtheit der Darstellung hebt uns


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0527" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267740"/>
            <p xml:id="ID_1808" prev="#ID_1807"> stanienbäumen. - O seliger Ort!, Da .lehrte ich nur sechs treue stille<lb/>
.Jahre. Denn.Lehren und Belehren ist die einzige wahre Waffe ge-<lb/>
.gen. allen-Unsinn und alle Tyrannei, die nur Unverstand sind. Was<lb/>
Alle oder die Meisten nicht mehr glauben oder sich nicht gefallen las¬<lb/>
sen, weil sie selber das Bessere wissen und thun &#x2014; das ist verloren.<lb/>
.Geister gewinnen ist Alles gewinnen. Denn das Herz traut nur dem<lb/>
Kopfe. Mauern gewinnen, alle Menschen zu Sclaven machen, das<lb/>
bringt nicht weiter.  Das zerstört und stört pur.  Bauen ist das<lb/>
.Wort! Ich Streite nicht. Was den Streit zuläßt, ist nicht ausge¬<lb/>
macht, ja vermuthlich gar nicht wahr. Aus dem Guten davon muß<lb/>
.ein Drittes entstehen, als ein ganz Neues, Größeres, das Freund und<lb/>
Feind in sich aufnimmt. Und darum Schonung, Duldung von Al¬<lb/>
lem! Darum sei Keinem Unrecht angethan und Unglück. Gegen<lb/>
Unrecht und Unglück kämpfe ich auf Leben und Tod!" .</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1809"> Um das ganze Zeitalter zu umfassen, thäte noch ein weiterer<lb/>
Umblick auf die Genossen des Jahres 1600. Noth. Spinoza.war<lb/>
noch nicht geboren; Cartestus noch ein unmündig Kind.. Aber Kepp-<lb/>
ler und Bacon blühten, Shakspeare dichtete, Cervantes schrieb seinen<lb/>
Quirote, Jacob Böhme dachte seine Aurora, Graf Spec, der Be-<lb/>
kämpfer der Hcrenverbrcnnungen, war schon voll Eifer. König Hein¬<lb/>
rich von Frankreich war in'der Irre zwischen Licht und Finsterniß;<lb/>
aber im Jüngling Gustav Adolf reiste schon der zukünftige Glaubens¬<lb/>
held des neuen Zeitalters heran. Diesen Gestalten konnte Schefer<lb/>
seinen Helden nicht Stirn vor Stirn zuführen; allein er konnte dessen<lb/>
Erlebnisse in England, Frankreich und Deutschland uns vergegenwär¬<lb/>
tigen, er konnte Bruno'S Lebensgeschichte in einem Roman darstellen,<lb/>
der ein Bild des Zeitalters gab. Statt dessen zeigt uns die Novelle<lb/>
nur den gealterten, in seiner Weisheit und als Mensch fertigen Bruno,<lb/>
und giebt nur die Schlußscene seines Lebens, seine Gefangenschaft in<lb/>
Venedig, seine Ueberführung voir Ancona nach Rom, seine Befreiung<lb/>
durch Sidney's und der Freunde Bemühen, Bruno's Begegnen mit<lb/>
seiner Mutter, die Scenen im Kerker der Inquisition, seine grauen¬<lb/>
volle Marter und seine Verbrennung vor der festlich versammelten<lb/>
Christenheit.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1810" next="#ID_1811"> In alle dem zeigt uns Schefer in Bruno den gottvoll heitern,<lb/>
überirdisch seligen, weil seiner Wahrheit zuversichtlich gewissen, ruhig<lb/>
großen Menschen. Ueber die Manierirtheit der Darstellung hebt uns</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0527] stanienbäumen. - O seliger Ort!, Da .lehrte ich nur sechs treue stille .Jahre. Denn.Lehren und Belehren ist die einzige wahre Waffe ge- .gen. allen-Unsinn und alle Tyrannei, die nur Unverstand sind. Was Alle oder die Meisten nicht mehr glauben oder sich nicht gefallen las¬ sen, weil sie selber das Bessere wissen und thun — das ist verloren. .Geister gewinnen ist Alles gewinnen. Denn das Herz traut nur dem Kopfe. Mauern gewinnen, alle Menschen zu Sclaven machen, das bringt nicht weiter. Das zerstört und stört pur. Bauen ist das .Wort! Ich Streite nicht. Was den Streit zuläßt, ist nicht ausge¬ macht, ja vermuthlich gar nicht wahr. Aus dem Guten davon muß .ein Drittes entstehen, als ein ganz Neues, Größeres, das Freund und Feind in sich aufnimmt. Und darum Schonung, Duldung von Al¬ lem! Darum sei Keinem Unrecht angethan und Unglück. Gegen Unrecht und Unglück kämpfe ich auf Leben und Tod!" . Um das ganze Zeitalter zu umfassen, thäte noch ein weiterer Umblick auf die Genossen des Jahres 1600. Noth. Spinoza.war noch nicht geboren; Cartestus noch ein unmündig Kind.. Aber Kepp- ler und Bacon blühten, Shakspeare dichtete, Cervantes schrieb seinen Quirote, Jacob Böhme dachte seine Aurora, Graf Spec, der Be- kämpfer der Hcrenverbrcnnungen, war schon voll Eifer. König Hein¬ rich von Frankreich war in'der Irre zwischen Licht und Finsterniß; aber im Jüngling Gustav Adolf reiste schon der zukünftige Glaubens¬ held des neuen Zeitalters heran. Diesen Gestalten konnte Schefer seinen Helden nicht Stirn vor Stirn zuführen; allein er konnte dessen Erlebnisse in England, Frankreich und Deutschland uns vergegenwär¬ tigen, er konnte Bruno'S Lebensgeschichte in einem Roman darstellen, der ein Bild des Zeitalters gab. Statt dessen zeigt uns die Novelle nur den gealterten, in seiner Weisheit und als Mensch fertigen Bruno, und giebt nur die Schlußscene seines Lebens, seine Gefangenschaft in Venedig, seine Ueberführung voir Ancona nach Rom, seine Befreiung durch Sidney's und der Freunde Bemühen, Bruno's Begegnen mit seiner Mutter, die Scenen im Kerker der Inquisition, seine grauen¬ volle Marter und seine Verbrennung vor der festlich versammelten Christenheit. In alle dem zeigt uns Schefer in Bruno den gottvoll heitern, überirdisch seligen, weil seiner Wahrheit zuversichtlich gewissen, ruhig großen Menschen. Ueber die Manierirtheit der Darstellung hebt uns

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/527
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/527>, abgerufen am 02.07.2024.