Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.Mus öffnete mit seiner Leier die Pforten der Unterwelt, aus dem Munde .Erst neuerlich fing die Kunst an, etwas praktischer zu werden. Der ' "Ein eben so schöner Gebrauch ist das Herabwerfen der Gedichte Mus öffnete mit seiner Leier die Pforten der Unterwelt, aus dem Munde .Erst neuerlich fing die Kunst an, etwas praktischer zu werden. Der ' "Ein eben so schöner Gebrauch ist das Herabwerfen der Gedichte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0482" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267695"/> <p xml:id="ID_1694" prev="#ID_1693"> Mus öffnete mit seiner Leier die Pforten der Unterwelt, aus dem Munde<lb/> Arioffs ertönte Alte Stanze) und die Räuber sanken zu seinen Füßen,<lb/> selbst' der Delphin bot, ein gedemüthigter Sclave, Arion seinen Rücken,<lb/> und trug'ihn durch die Fluch, warum sollen wir nicht den Thriumph-<lb/> wagen einer Schauspielerin in eigener werthen Person ziehen dürfen?</p><lb/> <p xml:id="ID_1695"> .Erst neuerlich fing die Kunst an, etwas praktischer zu werden. Der<lb/> Künstler Pflanzt jetzt nicht blos Nosen, er will auch Früchte auf seinen<lb/> Lebenswegen; aber dennoch lebt er noch immer weniger der Gegenwart,-<lb/> als vielmehr ein Bürger Derer, die da kommen werden. Der Ruhm<lb/> nach dem Tode ist der Zweck seines Lebens. Hat sich seine Zeit durch<lb/> Gleichgültigkeit schwer an ihm versündigt, so machen künftige Geschlechter<lb/> in' dankbarer Pietät, allenfalls durch eine Statue das Unrecht der Väter<lb/> wieder gut. Den Mimen aber flicht die Nachwelt keine Kränze. Kann man<lb/> es der Mitwelt.übel nehmen, wenn sie gegen Mimen nicht filzig geizt<lb/> mit Kränzen, lieber allenfalls einen Kranz zu früh bietet, als einen Künst¬<lb/> ler unbekränzt aus dieser Welt voll Kränzen scheiden läßt? Den Todten<lb/> kann man keinen Kranz mehr aufsetzen. Die Todten kann man weder<lb/> zurück, .noch heraus rufen. Kann man doch selbst Jene, die auf der<lb/> großen Bühne des Lebens ihre Rollen meisterhaft und zum Heile der<lb/> ganzen Menschheit spielten, nicht herausrufen, nicht begehren, daß sie ei¬<lb/> nen schönen, ergreifenden/Moment ihres Wirkens da. capo spielen!- Wie<lb/> kann man das Bekränzen nur mit so viel Leidenschaft tadeln! - -</p><lb/> <p xml:id="ID_1696" next="#ID_1697"> ' "Ein eben so schöner Gebrauch ist das Herabwerfen der Gedichte<lb/> von der Gallerte, und besonders gut macht es sich, wenn dergleichen ge¬<lb/> müthliche Feierlichkeiten sich mehrmals nach einander wiederholen. Es<lb/> macht dem poetischen Genius der Stadt immer sehr viel Ehre, wenn die<lb/> Dichter daselbst so leicht werfen. Nur ein kleiner Uebelstand ist bei der<lb/> Sache. Wenn nämlich die Gedichte, wie bisher, von der Gallerie ins<lb/> Parterre hinabgeworfen werden, so sinkt die Poesie, würden aber umge¬<lb/> kehrt -die Gedichte vom Parterre aus in die Logen und Gallerien hin¬<lb/> aufgeworfen, so'würde sich dieses Genre der Dichtung nothwendig heben<lb/> müssen; freilich scheint dazu dieses Genre bis jetzt viel zu leicht, aber<lb/> man wickle nur in jedes Gedichtchen einen Stein (braucht nicht der Stein<lb/> der'Weise« zu sein), und dann hat es mit dem Aufwärtswerfen gar<lb/> keine Schwierigkeit. , Es werden sich dann Leute genug finden, die den<lb/> erstem Stein werfen 'wollen/ und wenn so ein Stein auch Jemandem an<lb/> den Kopf'fliegt, was schadet das, das Blut des Getroffenen fließt ja<lb/> für! die^Kunst!' Wenn man bis jetzt bei Kunstnamen häufig von einem</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0482]
Mus öffnete mit seiner Leier die Pforten der Unterwelt, aus dem Munde
Arioffs ertönte Alte Stanze) und die Räuber sanken zu seinen Füßen,
selbst' der Delphin bot, ein gedemüthigter Sclave, Arion seinen Rücken,
und trug'ihn durch die Fluch, warum sollen wir nicht den Thriumph-
wagen einer Schauspielerin in eigener werthen Person ziehen dürfen?
.Erst neuerlich fing die Kunst an, etwas praktischer zu werden. Der
Künstler Pflanzt jetzt nicht blos Nosen, er will auch Früchte auf seinen
Lebenswegen; aber dennoch lebt er noch immer weniger der Gegenwart,-
als vielmehr ein Bürger Derer, die da kommen werden. Der Ruhm
nach dem Tode ist der Zweck seines Lebens. Hat sich seine Zeit durch
Gleichgültigkeit schwer an ihm versündigt, so machen künftige Geschlechter
in' dankbarer Pietät, allenfalls durch eine Statue das Unrecht der Väter
wieder gut. Den Mimen aber flicht die Nachwelt keine Kränze. Kann man
es der Mitwelt.übel nehmen, wenn sie gegen Mimen nicht filzig geizt
mit Kränzen, lieber allenfalls einen Kranz zu früh bietet, als einen Künst¬
ler unbekränzt aus dieser Welt voll Kränzen scheiden läßt? Den Todten
kann man keinen Kranz mehr aufsetzen. Die Todten kann man weder
zurück, .noch heraus rufen. Kann man doch selbst Jene, die auf der
großen Bühne des Lebens ihre Rollen meisterhaft und zum Heile der
ganzen Menschheit spielten, nicht herausrufen, nicht begehren, daß sie ei¬
nen schönen, ergreifenden/Moment ihres Wirkens da. capo spielen!- Wie
kann man das Bekränzen nur mit so viel Leidenschaft tadeln! - -
' "Ein eben so schöner Gebrauch ist das Herabwerfen der Gedichte
von der Gallerte, und besonders gut macht es sich, wenn dergleichen ge¬
müthliche Feierlichkeiten sich mehrmals nach einander wiederholen. Es
macht dem poetischen Genius der Stadt immer sehr viel Ehre, wenn die
Dichter daselbst so leicht werfen. Nur ein kleiner Uebelstand ist bei der
Sache. Wenn nämlich die Gedichte, wie bisher, von der Gallerie ins
Parterre hinabgeworfen werden, so sinkt die Poesie, würden aber umge¬
kehrt -die Gedichte vom Parterre aus in die Logen und Gallerien hin¬
aufgeworfen, so'würde sich dieses Genre der Dichtung nothwendig heben
müssen; freilich scheint dazu dieses Genre bis jetzt viel zu leicht, aber
man wickle nur in jedes Gedichtchen einen Stein (braucht nicht der Stein
der'Weise« zu sein), und dann hat es mit dem Aufwärtswerfen gar
keine Schwierigkeit. , Es werden sich dann Leute genug finden, die den
erstem Stein werfen 'wollen/ und wenn so ein Stein auch Jemandem an
den Kopf'fliegt, was schadet das, das Blut des Getroffenen fließt ja
für! die^Kunst!' Wenn man bis jetzt bei Kunstnamen häufig von einem
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |