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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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seine Sitten zu ^ wachen^ ihn von Ausschweifungen abzuhalten' und mit
ihrem gelehrten Nach ihn zu unterstützen.- Welche Erfolge - mußte eine
solche v Erziehung haben! Und doch Habe ich der Hauptsache - noch "nicht
erwähnt. Man behauptet, daß die Gesellschaft edler Frauen am mei¬
sten dazu beiträgt, die Ausbildung eines jungen Mannes zu beschleu¬
nigen. 'Die Wahrheit dieser Behauptung hat sich bei der fränzöffschcn
Literatur am meisten bestätigt. All die schönen Charakterzüge diesev Li¬
teratur, den feinen Geschmack, den zarten Sinn, die Eleganz des Ausdrucks,
.dies alles dankt sie den Frauen. Denn aus keine Literatur der - Welt haben
die Frauen so vielen Einfluß geübt, als auf die französische. VonjeNer
Clemence-Jsaure bis herab auf die Georges Sand, wie viele schöne
Hände haben da' in das Gewebe der französischen Literatur eingegriffen:
Marie de France, Margarethe von Navarra, Maria Stücirt,'Mad.
'de Lafayette, die Sevignv, die Scuderie, die Beaufort, die Staclzc.
Und das Wirken dieser Frauen wär nicht etwa wie in andern Literatu¬
ren ein reproducierendes, ein den Männern nachahmendes/ es war
schöpferisch, selbständig. Welche tiefe Spuren haben nicht die Werke
der Stael und Düdevant gegraben. Ja, nicht nur als Schriftstellerin¬
nen, sondern auch im gewöhnlichen Leben haben die Frauen auf die
Bildung der französischen Poesie eingewirkt. In den Salons der Mar-
auife de Nambouillct, der Madame de -Longcville, da hat man das
Costüme des jungen Prinzen mit manchen Stickereien versehen, und ihm
gar oft die Haare von der Stirne zurückgestrichen.

So kau: es, daß zur Zeit Ludwigs XIV. die französische Poesie-
als großjährig erklärt, und ihr die Herrschaft. über ganz Europa einge¬
räumt wurde.' Wie sollte man nicht? Jeder Einzelne sah in ihrem
Spiegel sein Licblingslnld abgemalt. Die Gelehrten sahen den griechi¬
schen und römischen Einfluß, der ihr zum Grunde lag. Der Adel
horte die feinen Hofklänge, die aus ihr hervortaten, die Frauen fühl¬
ten den weiblichen Hauch, der sie daraus anwehte. Ueberall wurden
ihr daher Triumphvsorten erbaut, überall unterwarf man sich freiwillig
'drein Zepter.---

Wie ganz anders war dagegen das Schicksal des jüngern Knaben,
der deutschen Literatur! Wie mußte er herumirren von Haus zu Haus,,
von Hütte zu Hütte, wie oft wurde ihm ein freundliches Nachtlager
versagt, uno er mußte unter freiem Himmel sein Haupt niederlegen,
Die deutsche Literatur, meine verehrten Hörer und Hörerinnen, hat nur


seine Sitten zu ^ wachen^ ihn von Ausschweifungen abzuhalten' und mit
ihrem gelehrten Nach ihn zu unterstützen.- Welche Erfolge - mußte eine
solche v Erziehung haben! Und doch Habe ich der Hauptsache - noch "nicht
erwähnt. Man behauptet, daß die Gesellschaft edler Frauen am mei¬
sten dazu beiträgt, die Ausbildung eines jungen Mannes zu beschleu¬
nigen. 'Die Wahrheit dieser Behauptung hat sich bei der fränzöffschcn
Literatur am meisten bestätigt. All die schönen Charakterzüge diesev Li¬
teratur, den feinen Geschmack, den zarten Sinn, die Eleganz des Ausdrucks,
.dies alles dankt sie den Frauen. Denn aus keine Literatur der - Welt haben
die Frauen so vielen Einfluß geübt, als auf die französische. VonjeNer
Clemence-Jsaure bis herab auf die Georges Sand, wie viele schöne
Hände haben da' in das Gewebe der französischen Literatur eingegriffen:
Marie de France, Margarethe von Navarra, Maria Stücirt,'Mad.
'de Lafayette, die Sevignv, die Scuderie, die Beaufort, die Staclzc.
Und das Wirken dieser Frauen wär nicht etwa wie in andern Literatu¬
ren ein reproducierendes, ein den Männern nachahmendes/ es war
schöpferisch, selbständig. Welche tiefe Spuren haben nicht die Werke
der Stael und Düdevant gegraben. Ja, nicht nur als Schriftstellerin¬
nen, sondern auch im gewöhnlichen Leben haben die Frauen auf die
Bildung der französischen Poesie eingewirkt. In den Salons der Mar-
auife de Nambouillct, der Madame de -Longcville, da hat man das
Costüme des jungen Prinzen mit manchen Stickereien versehen, und ihm
gar oft die Haare von der Stirne zurückgestrichen.

So kau: es, daß zur Zeit Ludwigs XIV. die französische Poesie-
als großjährig erklärt, und ihr die Herrschaft. über ganz Europa einge¬
räumt wurde.' Wie sollte man nicht? Jeder Einzelne sah in ihrem
Spiegel sein Licblingslnld abgemalt. Die Gelehrten sahen den griechi¬
schen und römischen Einfluß, der ihr zum Grunde lag. Der Adel
horte die feinen Hofklänge, die aus ihr hervortaten, die Frauen fühl¬
ten den weiblichen Hauch, der sie daraus anwehte. Ueberall wurden
ihr daher Triumphvsorten erbaut, überall unterwarf man sich freiwillig
'drein Zepter.---

Wie ganz anders war dagegen das Schicksal des jüngern Knaben,
der deutschen Literatur! Wie mußte er herumirren von Haus zu Haus,,
von Hütte zu Hütte, wie oft wurde ihm ein freundliches Nachtlager
versagt, uno er mußte unter freiem Himmel sein Haupt niederlegen,
Die deutsche Literatur, meine verehrten Hörer und Hörerinnen, hat nur


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[0475] seine Sitten zu ^ wachen^ ihn von Ausschweifungen abzuhalten' und mit ihrem gelehrten Nach ihn zu unterstützen.- Welche Erfolge - mußte eine solche v Erziehung haben! Und doch Habe ich der Hauptsache - noch "nicht erwähnt. Man behauptet, daß die Gesellschaft edler Frauen am mei¬ sten dazu beiträgt, die Ausbildung eines jungen Mannes zu beschleu¬ nigen. 'Die Wahrheit dieser Behauptung hat sich bei der fränzöffschcn Literatur am meisten bestätigt. All die schönen Charakterzüge diesev Li¬ teratur, den feinen Geschmack, den zarten Sinn, die Eleganz des Ausdrucks, .dies alles dankt sie den Frauen. Denn aus keine Literatur der - Welt haben die Frauen so vielen Einfluß geübt, als auf die französische. VonjeNer Clemence-Jsaure bis herab auf die Georges Sand, wie viele schöne Hände haben da' in das Gewebe der französischen Literatur eingegriffen: Marie de France, Margarethe von Navarra, Maria Stücirt,'Mad. 'de Lafayette, die Sevignv, die Scuderie, die Beaufort, die Staclzc. Und das Wirken dieser Frauen wär nicht etwa wie in andern Literatu¬ ren ein reproducierendes, ein den Männern nachahmendes/ es war schöpferisch, selbständig. Welche tiefe Spuren haben nicht die Werke der Stael und Düdevant gegraben. Ja, nicht nur als Schriftstellerin¬ nen, sondern auch im gewöhnlichen Leben haben die Frauen auf die Bildung der französischen Poesie eingewirkt. In den Salons der Mar- auife de Nambouillct, der Madame de -Longcville, da hat man das Costüme des jungen Prinzen mit manchen Stickereien versehen, und ihm gar oft die Haare von der Stirne zurückgestrichen. So kau: es, daß zur Zeit Ludwigs XIV. die französische Poesie- als großjährig erklärt, und ihr die Herrschaft. über ganz Europa einge¬ räumt wurde.' Wie sollte man nicht? Jeder Einzelne sah in ihrem Spiegel sein Licblingslnld abgemalt. Die Gelehrten sahen den griechi¬ schen und römischen Einfluß, der ihr zum Grunde lag. Der Adel horte die feinen Hofklänge, die aus ihr hervortaten, die Frauen fühl¬ ten den weiblichen Hauch, der sie daraus anwehte. Ueberall wurden ihr daher Triumphvsorten erbaut, überall unterwarf man sich freiwillig 'drein Zepter.--- Wie ganz anders war dagegen das Schicksal des jüngern Knaben, der deutschen Literatur! Wie mußte er herumirren von Haus zu Haus,, von Hütte zu Hütte, wie oft wurde ihm ein freundliches Nachtlager versagt, uno er mußte unter freiem Himmel sein Haupt niederlegen, Die deutsche Literatur, meine verehrten Hörer und Hörerinnen, hat nur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/475>, abgerufen am 04.07.2024.