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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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König, von.Frankreich bedürfte der Zerstreuung, und man hoffte, durch
die originelle Erscheinung, des kleinen Wolfgangs ihm eine solche zu ver¬
schaffen, ohne durch diese Etiquette-Verletzung die Monarchie in Gefahr
zu, bringen. Welch große Augen machte Wolfgang, als man nun dem
Könige das Hemd mit einem weißen Tasse bedeckt überreichte/ wobei der-
erste Kammerdiener den linken Aermel und der erste Garderobenmeister,
den rechten Aermel hielt, bis der, König von seinem Lehnsessel sich erho¬
ben, und seine beiden Arme hineingesteckt hatte. Plötzlich wurde Wolf-
gang vom König erblickt und herbeigewinkt; er wurde befragt, welche
Höfe er gesehen, und vor Allem, wie ihm das Wiener Theater gefallen.
In seiner Naivität antwortete der Knabe, daß ihm zwar die Pariser
Oper besser gefalle als die in Wien, daß er- aber die Conwofitione,n des
Herrn Ncnneau nicht leiden könne. Der König lachte über den kecken
Ausspruch des Kindes, wahrscheinlich auch über sein schlechtes Fran-,
Zösisch. ,

Auf ein Zeichen zog sich Alles zurück, und Leopold Mozart ging,-
mit seinem Sohne nach Hause, wo die arme Anna allein und traurig-'
zurückgeblieben war, weil/die Etiquette einem Mädchen nicht den Zu¬
tritt gestattete. Aber der kleine Wolfgang erzählte ihr Alles, er hatte
den König von Frankreich im Nachthemde gesehen, und war erstaunt,
als er, in die,,Beinkleider schlüpfte wie Jeder andere Mensch. Bald wur¬
den nun die jungen Künstler bei der Königin und den Prinzessinnen ein¬
geführt. Hier erwartete sie kein so leerer Empfang wie beim König.
Wolfgangs Improvisationen wurden heiß bewundert, namentlich von der
Prinzessin Viktoria, die eine große Musikkcnnerin war. Uebergehen wir^
all die Ehrenbezeugungen und Liebkosungen, welche diesen Wunderkindern^
am Hofe zu Versailles zu Ti)eil wurden, wie oft sie an der königlichen
Tafel gespeist, und wie Ludwig der Fünfzehnte mit seinem dreiräderigen'
Lustwagen bald umgestürzt wäre, weil er mit dem kleinen Wolfgang
conversirte.

Obschon die Herrschaft der Marquise von Pompadour damals be¬
reits zu Ende war, so genoß sie doch aus alter Gewohnheit vieler Pra-,
rogative, und jeder neu in Versailles Ankommende, machte es sich zur
Pflicht, sich ihr vorstellen zu lassen. , ' ' , '

Wolfgang, wurde in den prächtigen Gemächern eingeführt, wel¬
che sie in dem Gartenflügel des Schlosses einnahm. Man setzte ihn -
an'ö Aavier, und Mozart phantasirte über das Lieblingsthema des Kö- -
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König, von.Frankreich bedürfte der Zerstreuung, und man hoffte, durch
die originelle Erscheinung, des kleinen Wolfgangs ihm eine solche zu ver¬
schaffen, ohne durch diese Etiquette-Verletzung die Monarchie in Gefahr
zu, bringen. Welch große Augen machte Wolfgang, als man nun dem
Könige das Hemd mit einem weißen Tasse bedeckt überreichte/ wobei der-
erste Kammerdiener den linken Aermel und der erste Garderobenmeister,
den rechten Aermel hielt, bis der, König von seinem Lehnsessel sich erho¬
ben, und seine beiden Arme hineingesteckt hatte. Plötzlich wurde Wolf-
gang vom König erblickt und herbeigewinkt; er wurde befragt, welche
Höfe er gesehen, und vor Allem, wie ihm das Wiener Theater gefallen.
In seiner Naivität antwortete der Knabe, daß ihm zwar die Pariser
Oper besser gefalle als die in Wien, daß er- aber die Conwofitione,n des
Herrn Ncnneau nicht leiden könne. Der König lachte über den kecken
Ausspruch des Kindes, wahrscheinlich auch über sein schlechtes Fran-,
Zösisch. ,

Auf ein Zeichen zog sich Alles zurück, und Leopold Mozart ging,-
mit seinem Sohne nach Hause, wo die arme Anna allein und traurig-'
zurückgeblieben war, weil/die Etiquette einem Mädchen nicht den Zu¬
tritt gestattete. Aber der kleine Wolfgang erzählte ihr Alles, er hatte
den König von Frankreich im Nachthemde gesehen, und war erstaunt,
als er, in die,,Beinkleider schlüpfte wie Jeder andere Mensch. Bald wur¬
den nun die jungen Künstler bei der Königin und den Prinzessinnen ein¬
geführt. Hier erwartete sie kein so leerer Empfang wie beim König.
Wolfgangs Improvisationen wurden heiß bewundert, namentlich von der
Prinzessin Viktoria, die eine große Musikkcnnerin war. Uebergehen wir^
all die Ehrenbezeugungen und Liebkosungen, welche diesen Wunderkindern^
am Hofe zu Versailles zu Ti)eil wurden, wie oft sie an der königlichen
Tafel gespeist, und wie Ludwig der Fünfzehnte mit seinem dreiräderigen'
Lustwagen bald umgestürzt wäre, weil er mit dem kleinen Wolfgang
conversirte.

Obschon die Herrschaft der Marquise von Pompadour damals be¬
reits zu Ende war, so genoß sie doch aus alter Gewohnheit vieler Pra-,
rogative, und jeder neu in Versailles Ankommende, machte es sich zur
Pflicht, sich ihr vorstellen zu lassen. , ' ' , '

Wolfgang, wurde in den prächtigen Gemächern eingeführt, wel¬
che sie in dem Gartenflügel des Schlosses einnahm. Man setzte ihn -
an'ö Aavier, und Mozart phantasirte über das Lieblingsthema des Kö- -
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[0468] König, von.Frankreich bedürfte der Zerstreuung, und man hoffte, durch die originelle Erscheinung, des kleinen Wolfgangs ihm eine solche zu ver¬ schaffen, ohne durch diese Etiquette-Verletzung die Monarchie in Gefahr zu, bringen. Welch große Augen machte Wolfgang, als man nun dem Könige das Hemd mit einem weißen Tasse bedeckt überreichte/ wobei der- erste Kammerdiener den linken Aermel und der erste Garderobenmeister, den rechten Aermel hielt, bis der, König von seinem Lehnsessel sich erho¬ ben, und seine beiden Arme hineingesteckt hatte. Plötzlich wurde Wolf- gang vom König erblickt und herbeigewinkt; er wurde befragt, welche Höfe er gesehen, und vor Allem, wie ihm das Wiener Theater gefallen. In seiner Naivität antwortete der Knabe, daß ihm zwar die Pariser Oper besser gefalle als die in Wien, daß er- aber die Conwofitione,n des Herrn Ncnneau nicht leiden könne. Der König lachte über den kecken Ausspruch des Kindes, wahrscheinlich auch über sein schlechtes Fran-, Zösisch. , Auf ein Zeichen zog sich Alles zurück, und Leopold Mozart ging,- mit seinem Sohne nach Hause, wo die arme Anna allein und traurig-' zurückgeblieben war, weil/die Etiquette einem Mädchen nicht den Zu¬ tritt gestattete. Aber der kleine Wolfgang erzählte ihr Alles, er hatte den König von Frankreich im Nachthemde gesehen, und war erstaunt, als er, in die,,Beinkleider schlüpfte wie Jeder andere Mensch. Bald wur¬ den nun die jungen Künstler bei der Königin und den Prinzessinnen ein¬ geführt. Hier erwartete sie kein so leerer Empfang wie beim König. Wolfgangs Improvisationen wurden heiß bewundert, namentlich von der Prinzessin Viktoria, die eine große Musikkcnnerin war. Uebergehen wir^ all die Ehrenbezeugungen und Liebkosungen, welche diesen Wunderkindern^ am Hofe zu Versailles zu Ti)eil wurden, wie oft sie an der königlichen Tafel gespeist, und wie Ludwig der Fünfzehnte mit seinem dreiräderigen' Lustwagen bald umgestürzt wäre, weil er mit dem kleinen Wolfgang conversirte. Obschon die Herrschaft der Marquise von Pompadour damals be¬ reits zu Ende war, so genoß sie doch aus alter Gewohnheit vieler Pra-, rogative, und jeder neu in Versailles Ankommende, machte es sich zur Pflicht, sich ihr vorstellen zu lassen. , ' ' , ' Wolfgang, wurde in den prächtigen Gemächern eingeführt, wel¬ che sie in dem Gartenflügel des Schlosses einnahm. Man setzte ihn - an'ö Aavier, und Mozart phantasirte über das Lieblingsthema des Kö- - ">

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/468>, abgerufen am 02.07.2024.