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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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2.
Plaudereien.

Theatralische Eroberungen, -- Mainz und Cöln, -- Herr Lewald und Herr Schnurren,
, Ein verbotenes Buch. Censuracschichtcn. -- Walter Scott und der Cölner
Dom. -- DaS Eldorado der Wirthshäuser.

Das linke Rheinufer nimmt seine Rache an Frankreich. - Durch Jahrhunderte
trugen die Rheinländer den Ruf fröhlicher Gutmüthigkeit I Aber auch- ein Lamm
hat seine Galle. Die Eroberungsidecn des Herrn Thiers hat das linke Rheinufer
in Harnisch gebracht, und nun hat es seinerseits beschlossen, Frankreich zu erobern.
Der Mainzer Schauspiel-Director, Herr Schumann, ist der Held, der, bewaffnet
mit dem Schwerte HerrmannS, des Cheruskers, eingesegnet von dem nltchrwürdigen
Jahr, und mit Empfehlungsbriefen von der Oberdeutschen Zeitung begleitet, den
Siegeszug nach Paris antritt. Es war die höchste Zeit. Die Schanzen von Paris
eilen ihrer Vollendung immer näher; schon sind zwei Fünftel fertig. Und was die
Wiener von Stcmdigl in ihrem kindischen Enthusiasmus nachrühmen, diese Mauern
halte er mit seiner Stimme doch nicht erschüttert: die Recensenten der Theaterzei¬
tung mögen mir diese Blasphemie verzeihen. Nun der Kreuzzug begonnen hat, ist'es die Pflicht eines jeden Deutschen, in unsern heutigen Hainen sür die Waffen
der tapfern Legion zu beten: möge Odin das Haupt des Herrn Schumann be¬
schützen: möge Freia mit ihrem Honigmeth die Kehle der Demoiselhe Lutzer frisch
und feucht erhalten: möge Thor mit seinem Hammer ap'plnudircn und an die TM
ren der französischen Journalisten pochen, damit wir keinen Scandal erleben. Jede
heilige Sache verlangt ihren Märtyrer. Herr Lewald hatte vor mehreren Jahren
eine ähnliche Idee, wie Herr Schumann; er wollte unier seiner Direction die aus¬
gezeichnetsten dramatischen Künstler Deutschlands für eine Reihe von Gastrollen nach
Paris führen; alle Anstalten waren bereits getroffen: die bedeutendsten Schauspieler
hatten zugesagt, aber die Götter verhüteten es; denn im Rathe derGötter war es
beschlossen, daß Herr Lewald die elegante Literatur in Deutschland erfinden sollte,
und die Palme des Märtvrthums ward daher sür Herrn Schumann aufbewahrt.
Bereiten wir uns vor, mit Salben und Specereien seine Wunden zu waschen, mit
deutschen Specereien, nicht mit Colonialwaaren; denn für Deutschlands Ehre zog
er in den Kampf. - -

Daß das Beispiel großer Männer bei uns nicht ohne Nachahmung bleibt, da¬
für mag uns Herr Spielbcrger aus Köln als Beweis dienen. Wenn die erhabe¬
nen Ideen des Herrn Schumann auf das große Frankreich, auf daS weite Paris
sich richten, so bescheidet Herr Spiclbergcr sich mit dem kleinen Theil, mitBclgim.
Antwerpen mit seinem Hafen, Lüttich, die alte Bischofsstadt, sind bestimmt, den Ar-


2.
Plaudereien.

Theatralische Eroberungen, — Mainz und Cöln, — Herr Lewald und Herr Schnurren,
, Ein verbotenes Buch. Censuracschichtcn. — Walter Scott und der Cölner
Dom. — DaS Eldorado der Wirthshäuser.

Das linke Rheinufer nimmt seine Rache an Frankreich. - Durch Jahrhunderte
trugen die Rheinländer den Ruf fröhlicher Gutmüthigkeit I Aber auch- ein Lamm
hat seine Galle. Die Eroberungsidecn des Herrn Thiers hat das linke Rheinufer
in Harnisch gebracht, und nun hat es seinerseits beschlossen, Frankreich zu erobern.
Der Mainzer Schauspiel-Director, Herr Schumann, ist der Held, der, bewaffnet
mit dem Schwerte HerrmannS, des Cheruskers, eingesegnet von dem nltchrwürdigen
Jahr, und mit Empfehlungsbriefen von der Oberdeutschen Zeitung begleitet, den
Siegeszug nach Paris antritt. Es war die höchste Zeit. Die Schanzen von Paris
eilen ihrer Vollendung immer näher; schon sind zwei Fünftel fertig. Und was die
Wiener von Stcmdigl in ihrem kindischen Enthusiasmus nachrühmen, diese Mauern
halte er mit seiner Stimme doch nicht erschüttert: die Recensenten der Theaterzei¬
tung mögen mir diese Blasphemie verzeihen. Nun der Kreuzzug begonnen hat, ist'es die Pflicht eines jeden Deutschen, in unsern heutigen Hainen sür die Waffen
der tapfern Legion zu beten: möge Odin das Haupt des Herrn Schumann be¬
schützen: möge Freia mit ihrem Honigmeth die Kehle der Demoiselhe Lutzer frisch
und feucht erhalten: möge Thor mit seinem Hammer ap'plnudircn und an die TM
ren der französischen Journalisten pochen, damit wir keinen Scandal erleben. Jede
heilige Sache verlangt ihren Märtyrer. Herr Lewald hatte vor mehreren Jahren
eine ähnliche Idee, wie Herr Schumann; er wollte unier seiner Direction die aus¬
gezeichnetsten dramatischen Künstler Deutschlands für eine Reihe von Gastrollen nach
Paris führen; alle Anstalten waren bereits getroffen: die bedeutendsten Schauspieler
hatten zugesagt, aber die Götter verhüteten es; denn im Rathe derGötter war es
beschlossen, daß Herr Lewald die elegante Literatur in Deutschland erfinden sollte,
und die Palme des Märtvrthums ward daher sür Herrn Schumann aufbewahrt.
Bereiten wir uns vor, mit Salben und Specereien seine Wunden zu waschen, mit
deutschen Specereien, nicht mit Colonialwaaren; denn für Deutschlands Ehre zog
er in den Kampf. - -

Daß das Beispiel großer Männer bei uns nicht ohne Nachahmung bleibt, da¬
für mag uns Herr Spielbcrger aus Köln als Beweis dienen. Wenn die erhabe¬
nen Ideen des Herrn Schumann auf das große Frankreich, auf daS weite Paris
sich richten, so bescheidet Herr Spiclbergcr sich mit dem kleinen Theil, mitBclgim.
Antwerpen mit seinem Hafen, Lüttich, die alte Bischofsstadt, sind bestimmt, den Ar-


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[0422] 2. Plaudereien. Theatralische Eroberungen, — Mainz und Cöln, — Herr Lewald und Herr Schnurren, , Ein verbotenes Buch. Censuracschichtcn. — Walter Scott und der Cölner Dom. — DaS Eldorado der Wirthshäuser. Das linke Rheinufer nimmt seine Rache an Frankreich. - Durch Jahrhunderte trugen die Rheinländer den Ruf fröhlicher Gutmüthigkeit I Aber auch- ein Lamm hat seine Galle. Die Eroberungsidecn des Herrn Thiers hat das linke Rheinufer in Harnisch gebracht, und nun hat es seinerseits beschlossen, Frankreich zu erobern. Der Mainzer Schauspiel-Director, Herr Schumann, ist der Held, der, bewaffnet mit dem Schwerte HerrmannS, des Cheruskers, eingesegnet von dem nltchrwürdigen Jahr, und mit Empfehlungsbriefen von der Oberdeutschen Zeitung begleitet, den Siegeszug nach Paris antritt. Es war die höchste Zeit. Die Schanzen von Paris eilen ihrer Vollendung immer näher; schon sind zwei Fünftel fertig. Und was die Wiener von Stcmdigl in ihrem kindischen Enthusiasmus nachrühmen, diese Mauern halte er mit seiner Stimme doch nicht erschüttert: die Recensenten der Theaterzei¬ tung mögen mir diese Blasphemie verzeihen. Nun der Kreuzzug begonnen hat, ist'es die Pflicht eines jeden Deutschen, in unsern heutigen Hainen sür die Waffen der tapfern Legion zu beten: möge Odin das Haupt des Herrn Schumann be¬ schützen: möge Freia mit ihrem Honigmeth die Kehle der Demoiselhe Lutzer frisch und feucht erhalten: möge Thor mit seinem Hammer ap'plnudircn und an die TM ren der französischen Journalisten pochen, damit wir keinen Scandal erleben. Jede heilige Sache verlangt ihren Märtyrer. Herr Lewald hatte vor mehreren Jahren eine ähnliche Idee, wie Herr Schumann; er wollte unier seiner Direction die aus¬ gezeichnetsten dramatischen Künstler Deutschlands für eine Reihe von Gastrollen nach Paris führen; alle Anstalten waren bereits getroffen: die bedeutendsten Schauspieler hatten zugesagt, aber die Götter verhüteten es; denn im Rathe derGötter war es beschlossen, daß Herr Lewald die elegante Literatur in Deutschland erfinden sollte, und die Palme des Märtvrthums ward daher sür Herrn Schumann aufbewahrt. Bereiten wir uns vor, mit Salben und Specereien seine Wunden zu waschen, mit deutschen Specereien, nicht mit Colonialwaaren; denn für Deutschlands Ehre zog er in den Kampf. - - Daß das Beispiel großer Männer bei uns nicht ohne Nachahmung bleibt, da¬ für mag uns Herr Spielbcrger aus Köln als Beweis dienen. Wenn die erhabe¬ nen Ideen des Herrn Schumann auf das große Frankreich, auf daS weite Paris sich richten, so bescheidet Herr Spiclbergcr sich mit dem kleinen Theil, mitBclgim. Antwerpen mit seinem Hafen, Lüttich, die alte Bischofsstadt, sind bestimmt, den Ar-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/422>, abgerufen am 22.12.2024.