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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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zeugiuß einer bis zum Schwindel feurigen,,ja rasenden Jugend, die un¬
ter dem,Panier des NomantisinuS, ein Ausdruck so vieldeutig
als verworren -- die letzten Überreste der von den Nachzüglern der Neichs-
schule,so benannten klassischen Kunst, welche aber im Grunde keine
andere als die David'sche war, aus dem Felde schlagen wollte. Mit
einem unglaublichen Enthusiasmus hatte man sich wieder an Rubens ge¬
schlossen; und freilich hätte um: gut gethan, wenn man mit dem Bestre¬
ben die Rubens'sche Färbung sich anzueignen auch das Studium des Ru-
bens'sehen Dessins vereinigt hätte. Aber leider machte sich jene Kunstju¬
gend, mit einer sehr unvollständigen Einsicht in die Zeichnung ihres Vor¬
bildes, und mit einer oberflächlichen und übertriebenen Vorliebe für seine
Farbe ans Werk. Es war nicht zu verkennen, der Saal ließ uns mehr
als Ein Werk entdecken,, worin ein besserer Trieb niedergelegt war.
Abcrdie meisten glichen doch bloßen Farbenbrettern, denen die Form fehlt,
nicht bloß die ideale, die Poesie der Form, sondern ost sogar die sinn¬
liche, die bloß äußerliche Gestalt und ihre Verhältnisse. Man hätte sagen
mögen, die jungen Maler- begingen die wildesten Orgien des Kunstcultus,
Es war aber eine Reaction, die sich bei dieser Ausstellung nuSsprach,
und als solche war sie natürlicherweise übertrieben, gewaltsam, ausgelassen;
um nur nicht hinter dem Ziele zurückzubleiben, nahm man einen Schwung
darüber hinaus. Die Fluch war übergetreten, und hatte Alles mit sich
fortgerissen; doch konnte sie ja später wieder in ihre Ufer zurückgehen
und' ihren regelmäßigen Lauf nehmen. Und hier dürfen wir eS nicht
verschweigen, daß die Anhänger der David'schen Schule jener ungestümen
Jugend die größten Dienste leistete. Denn sie boten den letzten Nest ih¬
res schwindenden Einflusses auf, um die stürmische Maaß-und Gesetzlo¬
sigkeit derselben in Schranken zu legen. Ohne Unterlaß predigten sie Zeich¬
nung und Form, durch Werke sowohl als durch ihr Vorbild.

Man betrachte nur die Ausstellung des Jahres 133 ö. Der blinde,
wuchernde Übermuch hat sich gelegt, die Zügellosigkeit hat sich einer Re¬
gel unterworfen, und wenn mehr als Ein Name in der ersten träumerischen
Aufregung sich verloren hat, so ist doch im Ganzen ein Fortschritt ge¬
wonnen. Bei den einen ist die Farbe von tieferem, wahrem Gefühl
beleb!; bei andern zeigen die Linien ein wissenschaftliches, ein stren¬
geres Studium; dort sieht man die Besonnenheit mit dem Enthusiasmus
M Bunde. Und was dieser AuSstcllug noch einen größeren Werth ver¬
leiht, ist die große Anzahl Historienbilder, deren Vorwürfe diesmal nicht
aus dein griechischen oder römischen Alterthume, sondern aus den Annalen


zeugiuß einer bis zum Schwindel feurigen,,ja rasenden Jugend, die un¬
ter dem,Panier des NomantisinuS, ein Ausdruck so vieldeutig
als verworren — die letzten Überreste der von den Nachzüglern der Neichs-
schule,so benannten klassischen Kunst, welche aber im Grunde keine
andere als die David'sche war, aus dem Felde schlagen wollte. Mit
einem unglaublichen Enthusiasmus hatte man sich wieder an Rubens ge¬
schlossen; und freilich hätte um: gut gethan, wenn man mit dem Bestre¬
ben die Rubens'sche Färbung sich anzueignen auch das Studium des Ru-
bens'sehen Dessins vereinigt hätte. Aber leider machte sich jene Kunstju¬
gend, mit einer sehr unvollständigen Einsicht in die Zeichnung ihres Vor¬
bildes, und mit einer oberflächlichen und übertriebenen Vorliebe für seine
Farbe ans Werk. Es war nicht zu verkennen, der Saal ließ uns mehr
als Ein Werk entdecken,, worin ein besserer Trieb niedergelegt war.
Abcrdie meisten glichen doch bloßen Farbenbrettern, denen die Form fehlt,
nicht bloß die ideale, die Poesie der Form, sondern ost sogar die sinn¬
liche, die bloß äußerliche Gestalt und ihre Verhältnisse. Man hätte sagen
mögen, die jungen Maler- begingen die wildesten Orgien des Kunstcultus,
Es war aber eine Reaction, die sich bei dieser Ausstellung nuSsprach,
und als solche war sie natürlicherweise übertrieben, gewaltsam, ausgelassen;
um nur nicht hinter dem Ziele zurückzubleiben, nahm man einen Schwung
darüber hinaus. Die Fluch war übergetreten, und hatte Alles mit sich
fortgerissen; doch konnte sie ja später wieder in ihre Ufer zurückgehen
und' ihren regelmäßigen Lauf nehmen. Und hier dürfen wir eS nicht
verschweigen, daß die Anhänger der David'schen Schule jener ungestümen
Jugend die größten Dienste leistete. Denn sie boten den letzten Nest ih¬
res schwindenden Einflusses auf, um die stürmische Maaß-und Gesetzlo¬
sigkeit derselben in Schranken zu legen. Ohne Unterlaß predigten sie Zeich¬
nung und Form, durch Werke sowohl als durch ihr Vorbild.

Man betrachte nur die Ausstellung des Jahres 133 ö. Der blinde,
wuchernde Übermuch hat sich gelegt, die Zügellosigkeit hat sich einer Re¬
gel unterworfen, und wenn mehr als Ein Name in der ersten träumerischen
Aufregung sich verloren hat, so ist doch im Ganzen ein Fortschritt ge¬
wonnen. Bei den einen ist die Farbe von tieferem, wahrem Gefühl
beleb!; bei andern zeigen die Linien ein wissenschaftliches, ein stren¬
geres Studium; dort sieht man die Besonnenheit mit dem Enthusiasmus
M Bunde. Und was dieser AuSstcllug noch einen größeren Werth ver¬
leiht, ist die große Anzahl Historienbilder, deren Vorwürfe diesmal nicht
aus dein griechischen oder römischen Alterthume, sondern aus den Annalen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/40>, abgerufen am 22.12.2024.