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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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gefürchtete David selbst anwesend war. Indessen Hatte Mathias van
Bree, dessen Wort so kräftig als sein Pinsel schwach war, und
welcher Herrcpns in der Direktion der Antwerpener Akademie folgte, den
Mund gehabt, die Geschichte der Niederlande zum Vorwurf zu nehmen.
Die übrigen flamändischen Maler blieben in die heilige Geschichte, oder
in die Scenen aus der griechischen und römischen Welt gebannt, indem
sie gänzlich dein falschen Style Davids sich Hingaben; oder doch nur
höchstens das Colorit desselben durch einige italienische Tinten leicht über¬
warfen. Noch wagten sie es nicht, ihrem Vaterlande gänzlich anzugehören.

Endlich trat ein Ereignis) ein, welches auf die Entstehung der jetzt
in Belgien blühenden Schule vortheilhafe wirken mußte. David starb zu,
Brüssel am 29sten December 1826.

Sobald ,ver Mund dieses mürrischen Richters verstummt war, sobald
der Galeerenvoigt der kaiserlichen Reichökunst seinen Stab am Rande
des Grabes niedergelegt hatte, konnte man wieder frei ausathmen Jetzt
trat die Jüngerschaft, von Herrepns aus ihren Katakomben hervor und
wagte es, sich am hellen Tage zu zeigen, von desto wärmeren Glauben
beseelt, als sie sich in der Dunkelheit gebildet hatte, und unter Verfol¬
gungen herangewachsen war.

Der arme Herrepns erlebte es nicht, den Triumph seiner Lehre zu
sehen; dein: erst seit 1330 war seinen Lehren der Sieg errungen.

Die Brüsseler Ausstellung dieses JahreS muß im Großen als der
Ausgangspunkt der neuen Kunst in Flandern angesehen werden. Son¬
derbares Zusammentreffen! Es war im Monat August; auf den Straßen
gaben sich mancherlei Anzeichen .eines herannahenden Aufstandes zu er¬
kennen, aus welchem das junge Belgien hervorgehen^ soll, und in dem
Gemäldesaal hatte die Kunst schon ihre Barricadcn gehabt, die junge
flandrische Malerei hatte schon ihre Fahne aufgesteckt.

Diese Ausstellung bot unbestreitbar einen höchst merkwürdigen Anblick
dar, Nur wer sie gesehen hat ,, kann sich eine Vorstellung von dem da¬
maligen Zustande unserer Schule machen. Einige Landschaften und Genre¬
stücke abgerechnet, waren die Wände mit Mythologie und mit griechischer
und römischer Geschichte gleichsam ausgetäfelt. Cs war dies die Nach¬
geburt der französischen Kunst. Unter dem Vorgeben, das Nackte dar¬
zustellen, hatte man sich über Gebühr in allen zarten und entsetzenden
Gegenständen des Alterthums abgemüdet. Da sahet ihr nichts als Tu¬
niken, Togen, Prätcrten in allen Farben, weiß, roth, blan, grün, gelb;
nichts als Sandalen und Kothurne, Schwerter und Speere, Helme und


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gefürchtete David selbst anwesend war. Indessen Hatte Mathias van
Bree, dessen Wort so kräftig als sein Pinsel schwach war, und
welcher Herrcpns in der Direktion der Antwerpener Akademie folgte, den
Mund gehabt, die Geschichte der Niederlande zum Vorwurf zu nehmen.
Die übrigen flamändischen Maler blieben in die heilige Geschichte, oder
in die Scenen aus der griechischen und römischen Welt gebannt, indem
sie gänzlich dein falschen Style Davids sich Hingaben; oder doch nur
höchstens das Colorit desselben durch einige italienische Tinten leicht über¬
warfen. Noch wagten sie es nicht, ihrem Vaterlande gänzlich anzugehören.

Endlich trat ein Ereignis) ein, welches auf die Entstehung der jetzt
in Belgien blühenden Schule vortheilhafe wirken mußte. David starb zu,
Brüssel am 29sten December 1826.

Sobald ,ver Mund dieses mürrischen Richters verstummt war, sobald
der Galeerenvoigt der kaiserlichen Reichökunst seinen Stab am Rande
des Grabes niedergelegt hatte, konnte man wieder frei ausathmen Jetzt
trat die Jüngerschaft, von Herrepns aus ihren Katakomben hervor und
wagte es, sich am hellen Tage zu zeigen, von desto wärmeren Glauben
beseelt, als sie sich in der Dunkelheit gebildet hatte, und unter Verfol¬
gungen herangewachsen war.

Der arme Herrepns erlebte es nicht, den Triumph seiner Lehre zu
sehen; dein: erst seit 1330 war seinen Lehren der Sieg errungen.

Die Brüsseler Ausstellung dieses JahreS muß im Großen als der
Ausgangspunkt der neuen Kunst in Flandern angesehen werden. Son¬
derbares Zusammentreffen! Es war im Monat August; auf den Straßen
gaben sich mancherlei Anzeichen .eines herannahenden Aufstandes zu er¬
kennen, aus welchem das junge Belgien hervorgehen^ soll, und in dem
Gemäldesaal hatte die Kunst schon ihre Barricadcn gehabt, die junge
flandrische Malerei hatte schon ihre Fahne aufgesteckt.

Diese Ausstellung bot unbestreitbar einen höchst merkwürdigen Anblick
dar, Nur wer sie gesehen hat ,, kann sich eine Vorstellung von dem da¬
maligen Zustande unserer Schule machen. Einige Landschaften und Genre¬
stücke abgerechnet, waren die Wände mit Mythologie und mit griechischer
und römischer Geschichte gleichsam ausgetäfelt. Cs war dies die Nach¬
geburt der französischen Kunst. Unter dem Vorgeben, das Nackte dar¬
zustellen, hatte man sich über Gebühr in allen zarten und entsetzenden
Gegenständen des Alterthums abgemüdet. Da sahet ihr nichts als Tu¬
niken, Togen, Prätcrten in allen Farben, weiß, roth, blan, grün, gelb;
nichts als Sandalen und Kothurne, Schwerter und Speere, Helme und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/37>, abgerufen am 22.12.2024.