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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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und des Gährens sich hervorthun, gehören mehr dem historischen Ro¬
man als dem Gedichte an. Der Roman ist ein einheimisches Gut, be¬
stimmt, am heimathlichen Heerde genossen zu werden. Das Gedicht da¬
gegen fordert, schon wegen seiner Form, ein weiteres Publikum, es
tritt unter die Augen des Volkes, wie das Factum selbst, dem es sich
zum, Ausdruck leiht.

Die holländische Sprache hat manche Proben eigenthümlicher
Dichtungsanlage gegeben, zählt sie doch sogar einen niederländischen Ovid
unter ihre Zierden. Für ihre Bildsamkeit und den Reichthum ihres Wort¬
schatzes mag uns auch als Zeugniß gelten, daß sie den Klopstock hat
übersetzen können, und zwar im antiken Versmaaße des Originals, wel¬
ches die deutsche Sprache als ein ausschließliches Privilegium in Besitz
zu nehmen schien. Wie die holländischen Schriftsteller nun frühzeitig,
und gewiß zu ihrem Gewinn, angefangen haben, aus der deutschen Mut¬
tersprache zu übertragen, so haben wir von unserer Seite auch manche
der bessern Productionen unsrer seeanwohnenden Nachbarn uns zu eigen
gemacht. Allein trotz dieses Verkehrs ist der niederländische Literatur-
zwcig nicht in so weiten, Kreisen bei uns bekannt, als er es verdient.

Wir geben nachfolgend eine Probe aus einem Gedichte, dessen sehr
gelungene Uebertragung in'S Deutsche wir als einen Gewinn für uns
ansehen. Die eigenthümliche Färbung des Gedichts scheint in der neuen
Gestalt auf'S Deutlichste durch, und wir mochten das Werk, wie es in
deutscher Sprache vor uns liegt, eher eine Umkleidung aus einer ver¬
wandten Mundart, als eine Uebersetzung im gewöhnlichen Sinne nennen.
In dem Stück, welches wir ausheben, wird der Leser an der Klarheit
und dein Feuer der Darstellung sich erfreuen, wodurch das Gedicht im
Ganzen sich auszeichnet.




Europa's Garten, schönes Land,
Du, vor des Nordens Unbestand
Gesichert durch die Bergewand
Der wolkenhohen Pyrenäen;
Gestade, du, bespült von Seeerr,
Gekleidet in den blauen Schmelz
Des immer klaren Himmelszelts!
Sieht anderwärts der Mensch mit Grauen
Die Schnee- und Hagelwolken ziehen,
Den Winter unter Stürmen fliehen,

und des Gährens sich hervorthun, gehören mehr dem historischen Ro¬
man als dem Gedichte an. Der Roman ist ein einheimisches Gut, be¬
stimmt, am heimathlichen Heerde genossen zu werden. Das Gedicht da¬
gegen fordert, schon wegen seiner Form, ein weiteres Publikum, es
tritt unter die Augen des Volkes, wie das Factum selbst, dem es sich
zum, Ausdruck leiht.

Die holländische Sprache hat manche Proben eigenthümlicher
Dichtungsanlage gegeben, zählt sie doch sogar einen niederländischen Ovid
unter ihre Zierden. Für ihre Bildsamkeit und den Reichthum ihres Wort¬
schatzes mag uns auch als Zeugniß gelten, daß sie den Klopstock hat
übersetzen können, und zwar im antiken Versmaaße des Originals, wel¬
ches die deutsche Sprache als ein ausschließliches Privilegium in Besitz
zu nehmen schien. Wie die holländischen Schriftsteller nun frühzeitig,
und gewiß zu ihrem Gewinn, angefangen haben, aus der deutschen Mut¬
tersprache zu übertragen, so haben wir von unserer Seite auch manche
der bessern Productionen unsrer seeanwohnenden Nachbarn uns zu eigen
gemacht. Allein trotz dieses Verkehrs ist der niederländische Literatur-
zwcig nicht in so weiten, Kreisen bei uns bekannt, als er es verdient.

Wir geben nachfolgend eine Probe aus einem Gedichte, dessen sehr
gelungene Uebertragung in'S Deutsche wir als einen Gewinn für uns
ansehen. Die eigenthümliche Färbung des Gedichts scheint in der neuen
Gestalt auf'S Deutlichste durch, und wir mochten das Werk, wie es in
deutscher Sprache vor uns liegt, eher eine Umkleidung aus einer ver¬
wandten Mundart, als eine Uebersetzung im gewöhnlichen Sinne nennen.
In dem Stück, welches wir ausheben, wird der Leser an der Klarheit
und dein Feuer der Darstellung sich erfreuen, wodurch das Gedicht im
Ganzen sich auszeichnet.




Europa's Garten, schönes Land,
Du, vor des Nordens Unbestand
Gesichert durch die Bergewand
Der wolkenhohen Pyrenäen;
Gestade, du, bespült von Seeerr,
Gekleidet in den blauen Schmelz
Des immer klaren Himmelszelts!
Sieht anderwärts der Mensch mit Grauen
Die Schnee- und Hagelwolken ziehen,
Den Winter unter Stürmen fliehen,

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[0353] und des Gährens sich hervorthun, gehören mehr dem historischen Ro¬ man als dem Gedichte an. Der Roman ist ein einheimisches Gut, be¬ stimmt, am heimathlichen Heerde genossen zu werden. Das Gedicht da¬ gegen fordert, schon wegen seiner Form, ein weiteres Publikum, es tritt unter die Augen des Volkes, wie das Factum selbst, dem es sich zum, Ausdruck leiht. Die holländische Sprache hat manche Proben eigenthümlicher Dichtungsanlage gegeben, zählt sie doch sogar einen niederländischen Ovid unter ihre Zierden. Für ihre Bildsamkeit und den Reichthum ihres Wort¬ schatzes mag uns auch als Zeugniß gelten, daß sie den Klopstock hat übersetzen können, und zwar im antiken Versmaaße des Originals, wel¬ ches die deutsche Sprache als ein ausschließliches Privilegium in Besitz zu nehmen schien. Wie die holländischen Schriftsteller nun frühzeitig, und gewiß zu ihrem Gewinn, angefangen haben, aus der deutschen Mut¬ tersprache zu übertragen, so haben wir von unserer Seite auch manche der bessern Productionen unsrer seeanwohnenden Nachbarn uns zu eigen gemacht. Allein trotz dieses Verkehrs ist der niederländische Literatur- zwcig nicht in so weiten, Kreisen bei uns bekannt, als er es verdient. Wir geben nachfolgend eine Probe aus einem Gedichte, dessen sehr gelungene Uebertragung in'S Deutsche wir als einen Gewinn für uns ansehen. Die eigenthümliche Färbung des Gedichts scheint in der neuen Gestalt auf'S Deutlichste durch, und wir mochten das Werk, wie es in deutscher Sprache vor uns liegt, eher eine Umkleidung aus einer ver¬ wandten Mundart, als eine Uebersetzung im gewöhnlichen Sinne nennen. In dem Stück, welches wir ausheben, wird der Leser an der Klarheit und dein Feuer der Darstellung sich erfreuen, wodurch das Gedicht im Ganzen sich auszeichnet. Europa's Garten, schönes Land, Du, vor des Nordens Unbestand Gesichert durch die Bergewand Der wolkenhohen Pyrenäen; Gestade, du, bespült von Seeerr, Gekleidet in den blauen Schmelz Des immer klaren Himmelszelts! Sieht anderwärts der Mensch mit Grauen Die Schnee- und Hagelwolken ziehen, Den Winter unter Stürmen fliehen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/353>, abgerufen am 22.12.2024.