Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht minder tief und bedeutsam war" Wir' gedenken jener glänzenden
Reihe von edlen Frauen dieser Stadt, deren Einwirkungen auf geistiges
Leben, von Göthe's Mutter bis auf die.neueste'Zeit, in der deutschen
Literatur einzig dastehen. Jene kräftigen Jünglinge, in denen das warme
Leben blühend und schäumend sich ergoß, würden niemals zu harmoni¬
scher Tiefe der Bildung gelangt sein, wenn nicht in ihrem Kreis Hohe
gebildete Frauen gewaltet hätten, die zu der gewaltigen Kraft mit dem
Schmucke der Anmuth hinzutraten und ein keimenden Lorbeer jener Dich¬
ter mit zarten Blüthen durchflochten. Auch hat sich ihre Theilnahme,ein
der Entfaltung des Schönen herrlich belohnt, und Göthe's Mutter, Fräu¬
lein von Klettenberg, Sophie Laroche haben von der Rubmeösonne, die
sie zuerst geahnt und erblickt, einen lieblichen Abglanz erhalten. So bil¬
dete hiehin Frankfurt ein Kreis, der die Aufmerksamkeit.von Deutsch¬
land erregte und die größten Männer der Nation 'in seinem magischen
Gebiete zu fesseln vermochte. Hier predigte Lavater seine physiognomischen
Lehren, und Zimmermann seine Einsamkeits-Theorie; ja selbst von Ber¬
lin aus wendete sich an vicsen Kreis einer jener rationalistischen Schrift¬
steller, von denen man sagt, daß sie eine Vernunftreligion aufSubscrip-
tion stiften wollten. Freilich wurde die Gemüthsrichtung jener Genos¬
senschaft späterhin etwas weichlicher, und dieselben Männer, die man
bisher spottweise mit dem Namen der frankfurter Krastgenie's bezeichnet
hatte, verfielen der wertherischen Sentimentalität in dem-Grade, da^
Göthe selbst sagte: - -'--"-'''',,-,

Die Herzen schlagen und pochen so sehr,
Man hört sein eigen Wort nicht mehr. ,

Jene Gemeinschaft löste sich zwar allmählig auf/ als Göthe nach Weimar
berufen wurde, um, wie sein Vater sich ausdrückte, dort das'Schlitt¬
schuhlaufen einzuführen. Aber die Erinnerung daran-ist reich genug,
um eine Stadt ,zu zieren, und wenn man jeden Ort, der durch jene
Männer und ihre Nachfolger klassisch geworden ist, mit einem Denkstein
-bezeichnen wollte, so könnten wir fast mit jenem prahlerischer Gascogner
sprechen, daß die ganze Gegend wie ein Kegelspiel aussähe. -Eine DeM-
tafel müßte das Haus zieren, wo Clemens Brentano von dem Buchhal¬
ter Herrn Schwab jene Mährchen hörte, die er nachher, mit so reicher
Phantasie ausgeschmückt, der Nation vorgeführt hat. Auch das Käm-
merchen in Sachsenvausm, wo Schiller auf seiner Flucht an dem Trau¬
erspiel: Louise Millerin, arbeitete, verdiente wenigstens ausfindig gemacht


41*

nicht minder tief und bedeutsam war» Wir' gedenken jener glänzenden
Reihe von edlen Frauen dieser Stadt, deren Einwirkungen auf geistiges
Leben, von Göthe's Mutter bis auf die.neueste'Zeit, in der deutschen
Literatur einzig dastehen. Jene kräftigen Jünglinge, in denen das warme
Leben blühend und schäumend sich ergoß, würden niemals zu harmoni¬
scher Tiefe der Bildung gelangt sein, wenn nicht in ihrem Kreis Hohe
gebildete Frauen gewaltet hätten, die zu der gewaltigen Kraft mit dem
Schmucke der Anmuth hinzutraten und ein keimenden Lorbeer jener Dich¬
ter mit zarten Blüthen durchflochten. Auch hat sich ihre Theilnahme,ein
der Entfaltung des Schönen herrlich belohnt, und Göthe's Mutter, Fräu¬
lein von Klettenberg, Sophie Laroche haben von der Rubmeösonne, die
sie zuerst geahnt und erblickt, einen lieblichen Abglanz erhalten. So bil¬
dete hiehin Frankfurt ein Kreis, der die Aufmerksamkeit.von Deutsch¬
land erregte und die größten Männer der Nation 'in seinem magischen
Gebiete zu fesseln vermochte. Hier predigte Lavater seine physiognomischen
Lehren, und Zimmermann seine Einsamkeits-Theorie; ja selbst von Ber¬
lin aus wendete sich an vicsen Kreis einer jener rationalistischen Schrift¬
steller, von denen man sagt, daß sie eine Vernunftreligion aufSubscrip-
tion stiften wollten. Freilich wurde die Gemüthsrichtung jener Genos¬
senschaft späterhin etwas weichlicher, und dieselben Männer, die man
bisher spottweise mit dem Namen der frankfurter Krastgenie's bezeichnet
hatte, verfielen der wertherischen Sentimentalität in dem-Grade, da^
Göthe selbst sagte: - -'--„-'''',,-,

Die Herzen schlagen und pochen so sehr,
Man hört sein eigen Wort nicht mehr. ,

Jene Gemeinschaft löste sich zwar allmählig auf/ als Göthe nach Weimar
berufen wurde, um, wie sein Vater sich ausdrückte, dort das'Schlitt¬
schuhlaufen einzuführen. Aber die Erinnerung daran-ist reich genug,
um eine Stadt ,zu zieren, und wenn man jeden Ort, der durch jene
Männer und ihre Nachfolger klassisch geworden ist, mit einem Denkstein
-bezeichnen wollte, so könnten wir fast mit jenem prahlerischer Gascogner
sprechen, daß die ganze Gegend wie ein Kegelspiel aussähe. -Eine DeM-
tafel müßte das Haus zieren, wo Clemens Brentano von dem Buchhal¬
ter Herrn Schwab jene Mährchen hörte, die er nachher, mit so reicher
Phantasie ausgeschmückt, der Nation vorgeführt hat. Auch das Käm-
merchen in Sachsenvausm, wo Schiller auf seiner Flucht an dem Trau¬
erspiel: Louise Millerin, arbeitete, verdiente wenigstens ausfindig gemacht


41*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0303" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267516"/>
          <p xml:id="ID_1161" prev="#ID_1160"> nicht minder tief und bedeutsam war» Wir' gedenken jener glänzenden<lb/>
Reihe von edlen Frauen dieser Stadt, deren Einwirkungen auf geistiges<lb/>
Leben, von Göthe's Mutter bis auf die.neueste'Zeit, in der deutschen<lb/>
Literatur einzig dastehen. Jene kräftigen Jünglinge, in denen das warme<lb/>
Leben blühend und schäumend sich ergoß, würden niemals zu harmoni¬<lb/>
scher Tiefe der Bildung gelangt sein, wenn nicht in ihrem Kreis Hohe<lb/>
gebildete Frauen gewaltet hätten, die zu der gewaltigen Kraft mit dem<lb/>
Schmucke der Anmuth hinzutraten und ein keimenden Lorbeer jener Dich¬<lb/>
ter mit zarten Blüthen durchflochten. Auch hat sich ihre Theilnahme,ein<lb/>
der Entfaltung des Schönen herrlich belohnt, und Göthe's Mutter, Fräu¬<lb/>
lein von Klettenberg, Sophie Laroche haben von der Rubmeösonne, die<lb/>
sie zuerst geahnt und erblickt, einen lieblichen Abglanz erhalten. So bil¬<lb/>
dete hiehin Frankfurt ein Kreis, der die Aufmerksamkeit.von Deutsch¬<lb/>
land erregte und die größten Männer der Nation 'in seinem magischen<lb/>
Gebiete zu fesseln vermochte. Hier predigte Lavater seine physiognomischen<lb/>
Lehren, und Zimmermann seine Einsamkeits-Theorie; ja selbst von Ber¬<lb/>
lin aus wendete sich an vicsen Kreis einer jener rationalistischen Schrift¬<lb/>
steller, von denen man sagt, daß sie eine Vernunftreligion aufSubscrip-<lb/>
tion stiften wollten. Freilich wurde die Gemüthsrichtung jener Genos¬<lb/>
senschaft späterhin etwas weichlicher, und dieselben Männer, die man<lb/>
bisher spottweise mit dem Namen der frankfurter Krastgenie's bezeichnet<lb/>
hatte, verfielen der wertherischen Sentimentalität in dem-Grade, da^<lb/>
Göthe selbst sagte: - -'--&#x201E;-'''',,-,</p><lb/>
          <lg xml:id="POEMID_5" type="poem">
            <l> Die Herzen schlagen und pochen so sehr,<lb/>
Man hört sein eigen Wort nicht mehr.  ,</l>
          </lg><lb/>
          <p xml:id="ID_1162" next="#ID_1163"> Jene Gemeinschaft löste sich zwar allmählig auf/ als Göthe nach Weimar<lb/>
berufen wurde, um, wie sein Vater sich ausdrückte, dort das'Schlitt¬<lb/>
schuhlaufen einzuführen. Aber die Erinnerung daran-ist reich genug,<lb/>
um eine Stadt ,zu zieren, und wenn man jeden Ort, der durch jene<lb/>
Männer und ihre Nachfolger klassisch geworden ist, mit einem Denkstein<lb/>
-bezeichnen wollte, so könnten wir fast mit jenem prahlerischer Gascogner<lb/>
sprechen, daß die ganze Gegend wie ein Kegelspiel aussähe. -Eine DeM-<lb/>
tafel müßte das Haus zieren, wo Clemens Brentano von dem Buchhal¬<lb/>
ter Herrn Schwab jene Mährchen hörte, die er nachher, mit so reicher<lb/>
Phantasie ausgeschmückt, der Nation vorgeführt hat. Auch das Käm-<lb/>
merchen in Sachsenvausm, wo Schiller auf seiner Flucht an dem Trau¬<lb/>
erspiel: Louise Millerin, arbeitete, verdiente wenigstens ausfindig gemacht</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 41*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0303] nicht minder tief und bedeutsam war» Wir' gedenken jener glänzenden Reihe von edlen Frauen dieser Stadt, deren Einwirkungen auf geistiges Leben, von Göthe's Mutter bis auf die.neueste'Zeit, in der deutschen Literatur einzig dastehen. Jene kräftigen Jünglinge, in denen das warme Leben blühend und schäumend sich ergoß, würden niemals zu harmoni¬ scher Tiefe der Bildung gelangt sein, wenn nicht in ihrem Kreis Hohe gebildete Frauen gewaltet hätten, die zu der gewaltigen Kraft mit dem Schmucke der Anmuth hinzutraten und ein keimenden Lorbeer jener Dich¬ ter mit zarten Blüthen durchflochten. Auch hat sich ihre Theilnahme,ein der Entfaltung des Schönen herrlich belohnt, und Göthe's Mutter, Fräu¬ lein von Klettenberg, Sophie Laroche haben von der Rubmeösonne, die sie zuerst geahnt und erblickt, einen lieblichen Abglanz erhalten. So bil¬ dete hiehin Frankfurt ein Kreis, der die Aufmerksamkeit.von Deutsch¬ land erregte und die größten Männer der Nation 'in seinem magischen Gebiete zu fesseln vermochte. Hier predigte Lavater seine physiognomischen Lehren, und Zimmermann seine Einsamkeits-Theorie; ja selbst von Ber¬ lin aus wendete sich an vicsen Kreis einer jener rationalistischen Schrift¬ steller, von denen man sagt, daß sie eine Vernunftreligion aufSubscrip- tion stiften wollten. Freilich wurde die Gemüthsrichtung jener Genos¬ senschaft späterhin etwas weichlicher, und dieselben Männer, die man bisher spottweise mit dem Namen der frankfurter Krastgenie's bezeichnet hatte, verfielen der wertherischen Sentimentalität in dem-Grade, da^ Göthe selbst sagte: - -'--„-'''',,-, Die Herzen schlagen und pochen so sehr, Man hört sein eigen Wort nicht mehr. , Jene Gemeinschaft löste sich zwar allmählig auf/ als Göthe nach Weimar berufen wurde, um, wie sein Vater sich ausdrückte, dort das'Schlitt¬ schuhlaufen einzuführen. Aber die Erinnerung daran-ist reich genug, um eine Stadt ,zu zieren, und wenn man jeden Ort, der durch jene Männer und ihre Nachfolger klassisch geworden ist, mit einem Denkstein -bezeichnen wollte, so könnten wir fast mit jenem prahlerischer Gascogner sprechen, daß die ganze Gegend wie ein Kegelspiel aussähe. -Eine DeM- tafel müßte das Haus zieren, wo Clemens Brentano von dem Buchhal¬ ter Herrn Schwab jene Mährchen hörte, die er nachher, mit so reicher Phantasie ausgeschmückt, der Nation vorgeführt hat. Auch das Käm- merchen in Sachsenvausm, wo Schiller auf seiner Flucht an dem Trau¬ erspiel: Louise Millerin, arbeitete, verdiente wenigstens ausfindig gemacht 41*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/303
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/303>, abgerufen am 02.07.2024.