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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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warllm in Verdacht hatte, als habe sie das Haus ,'n Brand stecken wol¬
len, wurde gerichtlich verfolgt und ins Gefängniß geworfen, und hätte
nicht indeß ein neuer Brand weitere Untersuchungen und die Entdeckung
veranlaßt, daß eine Scheibe eines Fensters einen Fehler habe, durch den
sie die Wirkung eines Brennglases erhielt, so würde die arme Magd zur
großen Freude des Pöbels von Marseille verurteilt und hingerichtet
worden sein. Bei der Gelegenheit fällt uns ein komisches Ereigniß ein,
das wir vor einigen Jahren, in einer kleinen deutschen^ Residenz erlebt
haben, wohin uns gerade am Geburtstage des abwesenden Regenten ein
Zufall geführt haUe.' Es war officieller Fest- und Freudentag, d. b. die
ganze Stadt war traurig, daß man Herzweh davon bekam; für den
Abend erwartete man von dem vaterländischen Enthusiasmus eine allge¬
meine Illumination; die Nacht kam, und die Stadt erglänzte auch wirk¬
lich von der schwärzesten, greifbarsten Finsterniß. Nun hatte uns aber
der Stadtrath wenigstens noch das Schauspiel einiger auffliegenden Ra¬
keten versprochen; er hatte aber die Rechnung ohne die Sonne des hei¬
ßen Sommertages gemacht; alle Feuerkugeln, die in den Landesfarben
erglänzen sollten, alle Schwärmer, kurz das ganze Feuerwerk war in ei¬
nem Saale des Polizeiamtes; plötzlich gegen Mittag wird das sonst ru¬
hige Zimmer ein feuerspeiender Vulean; von allen Seiten kracht es,
zischt es, steigen Feuerstrcifen in die Luft. Die Sonne nämlich hatte das
Feuerwerk durch das Fenster entzündet und so die armen Residenzbewoh-
ner um ihre Freude gebracht; zum Glück hatte übrigens der Zufall keine
schlimmen Folgen.

Bei der Gelegenheit aber können wir uns der ernsthaften Bemer¬
kung nicht enthalten, wie gefährlich die in vielen Städten noch mitten
in 'den bewohntesten Vierteln befindlichen Pulvermagazine sind, da es
nur einer schief stehenden oder falsch geschnittenen Scheibe und eines Son¬
nenstrahls bedarf, um ein fürchterliches Unglück herbeizuführen.

Jedoch darf man übrigens nicht alle Feuersbrünste auf Rechnung
der Sonne schieben, sondern, außer den vielen andermUrsachen derselben,
entstehen sie oft in Folge des manchen Personen einwohnenden krankhaf¬
ten Gelüstes an Feuer. Glücklicherweise sind solche Beispiele selten, aber
sie mstiren. So haben wir selbst in den Hospitälern von Paris zwei
Frauen gesehen, deren Intelligenz in allen anderen Beziehungen vollkom¬
men gesund und ungeschmälert ist, die aber ein unerklärliches Gelüst dazu
treibt, überall Feuer anzulegen. Ohne irgend einen Beweggrund wür¬
den sie unbewacht alles, was ihnen in die Hände geräth, anzünden; alle


warllm in Verdacht hatte, als habe sie das Haus ,'n Brand stecken wol¬
len, wurde gerichtlich verfolgt und ins Gefängniß geworfen, und hätte
nicht indeß ein neuer Brand weitere Untersuchungen und die Entdeckung
veranlaßt, daß eine Scheibe eines Fensters einen Fehler habe, durch den
sie die Wirkung eines Brennglases erhielt, so würde die arme Magd zur
großen Freude des Pöbels von Marseille verurteilt und hingerichtet
worden sein. Bei der Gelegenheit fällt uns ein komisches Ereigniß ein,
das wir vor einigen Jahren, in einer kleinen deutschen^ Residenz erlebt
haben, wohin uns gerade am Geburtstage des abwesenden Regenten ein
Zufall geführt haUe.' Es war officieller Fest- und Freudentag, d. b. die
ganze Stadt war traurig, daß man Herzweh davon bekam; für den
Abend erwartete man von dem vaterländischen Enthusiasmus eine allge¬
meine Illumination; die Nacht kam, und die Stadt erglänzte auch wirk¬
lich von der schwärzesten, greifbarsten Finsterniß. Nun hatte uns aber
der Stadtrath wenigstens noch das Schauspiel einiger auffliegenden Ra¬
keten versprochen; er hatte aber die Rechnung ohne die Sonne des hei¬
ßen Sommertages gemacht; alle Feuerkugeln, die in den Landesfarben
erglänzen sollten, alle Schwärmer, kurz das ganze Feuerwerk war in ei¬
nem Saale des Polizeiamtes; plötzlich gegen Mittag wird das sonst ru¬
hige Zimmer ein feuerspeiender Vulean; von allen Seiten kracht es,
zischt es, steigen Feuerstrcifen in die Luft. Die Sonne nämlich hatte das
Feuerwerk durch das Fenster entzündet und so die armen Residenzbewoh-
ner um ihre Freude gebracht; zum Glück hatte übrigens der Zufall keine
schlimmen Folgen.

Bei der Gelegenheit aber können wir uns der ernsthaften Bemer¬
kung nicht enthalten, wie gefährlich die in vielen Städten noch mitten
in 'den bewohntesten Vierteln befindlichen Pulvermagazine sind, da es
nur einer schief stehenden oder falsch geschnittenen Scheibe und eines Son¬
nenstrahls bedarf, um ein fürchterliches Unglück herbeizuführen.

Jedoch darf man übrigens nicht alle Feuersbrünste auf Rechnung
der Sonne schieben, sondern, außer den vielen andermUrsachen derselben,
entstehen sie oft in Folge des manchen Personen einwohnenden krankhaf¬
ten Gelüstes an Feuer. Glücklicherweise sind solche Beispiele selten, aber
sie mstiren. So haben wir selbst in den Hospitälern von Paris zwei
Frauen gesehen, deren Intelligenz in allen anderen Beziehungen vollkom¬
men gesund und ungeschmälert ist, die aber ein unerklärliches Gelüst dazu
treibt, überall Feuer anzulegen. Ohne irgend einen Beweggrund wür¬
den sie unbewacht alles, was ihnen in die Hände geräth, anzünden; alle


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[0254] warllm in Verdacht hatte, als habe sie das Haus ,'n Brand stecken wol¬ len, wurde gerichtlich verfolgt und ins Gefängniß geworfen, und hätte nicht indeß ein neuer Brand weitere Untersuchungen und die Entdeckung veranlaßt, daß eine Scheibe eines Fensters einen Fehler habe, durch den sie die Wirkung eines Brennglases erhielt, so würde die arme Magd zur großen Freude des Pöbels von Marseille verurteilt und hingerichtet worden sein. Bei der Gelegenheit fällt uns ein komisches Ereigniß ein, das wir vor einigen Jahren, in einer kleinen deutschen^ Residenz erlebt haben, wohin uns gerade am Geburtstage des abwesenden Regenten ein Zufall geführt haUe.' Es war officieller Fest- und Freudentag, d. b. die ganze Stadt war traurig, daß man Herzweh davon bekam; für den Abend erwartete man von dem vaterländischen Enthusiasmus eine allge¬ meine Illumination; die Nacht kam, und die Stadt erglänzte auch wirk¬ lich von der schwärzesten, greifbarsten Finsterniß. Nun hatte uns aber der Stadtrath wenigstens noch das Schauspiel einiger auffliegenden Ra¬ keten versprochen; er hatte aber die Rechnung ohne die Sonne des hei¬ ßen Sommertages gemacht; alle Feuerkugeln, die in den Landesfarben erglänzen sollten, alle Schwärmer, kurz das ganze Feuerwerk war in ei¬ nem Saale des Polizeiamtes; plötzlich gegen Mittag wird das sonst ru¬ hige Zimmer ein feuerspeiender Vulean; von allen Seiten kracht es, zischt es, steigen Feuerstrcifen in die Luft. Die Sonne nämlich hatte das Feuerwerk durch das Fenster entzündet und so die armen Residenzbewoh- ner um ihre Freude gebracht; zum Glück hatte übrigens der Zufall keine schlimmen Folgen. Bei der Gelegenheit aber können wir uns der ernsthaften Bemer¬ kung nicht enthalten, wie gefährlich die in vielen Städten noch mitten in 'den bewohntesten Vierteln befindlichen Pulvermagazine sind, da es nur einer schief stehenden oder falsch geschnittenen Scheibe und eines Son¬ nenstrahls bedarf, um ein fürchterliches Unglück herbeizuführen. Jedoch darf man übrigens nicht alle Feuersbrünste auf Rechnung der Sonne schieben, sondern, außer den vielen andermUrsachen derselben, entstehen sie oft in Folge des manchen Personen einwohnenden krankhaf¬ ten Gelüstes an Feuer. Glücklicherweise sind solche Beispiele selten, aber sie mstiren. So haben wir selbst in den Hospitälern von Paris zwei Frauen gesehen, deren Intelligenz in allen anderen Beziehungen vollkom¬ men gesund und ungeschmälert ist, die aber ein unerklärliches Gelüst dazu treibt, überall Feuer anzulegen. Ohne irgend einen Beweggrund wür¬ den sie unbewacht alles, was ihnen in die Hände geräth, anzünden; alle

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/254>, abgerufen am 22.12.2024.