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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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hat zusammengezählt, wie viel der Lebenstage dieser Phalanx von Be¬
rühmtheiten aus allen Ländern von der verschiedensten Geltung, von den
verschiedensten Arten waren; und siehe da, diese mehr oder minder be^
rühmten Schriftsteller haben in' SuMma 66,S7S Jahre, 7 Monate, 19
Tage gelebt. Nun vergleiche man mit diesem so überaus günstigen Re¬
sultate einmal die Sterblichkeitslisten anderer nicht auserwählter Wesen-
Und dabei ist es noch außer allem Zweifel, daß at)nuche Untersuchungen
für frühere Jahrhunderte eine noch größere Durchschnittssumme der Le¬
bensdauer geben würden; wobei wir freilich auch der Bemerkung uns
. nicht erwehren können , daß unser Jahrhundert dereinst ein minder gün¬
stiges Resultat liefern wird. Aber die Schriftsteller unserer Tage sind
ja auch dafür zu einer weit anhaltenderen intensiverer Gehirnanstrengung
verdammt; sie haben mehr Freuden, mehr Haß, Enthusiasmus und ent¬
mutigendes Elend, mehr getäuschte Hoffnungen und übertriebene Anma¬
ßungen zu ertragen, als Schriftsteller irgend einer Zeit; sie leiden mehr
als die Märtyrer gelitten haben, und es ist die ewige fieberhafte Aufre¬
gung ihres Geistes und häufig auch-ihrer Sinne, die ihre Lebcnsorgane
abnutzt und zerstört. Sie sind, wie ein geistreicher Satiriker Italiens
gesagt hat, tuten nur wenige von ih¬
nen können hoffen, ihr Leben bis zum dreizehnten Lustrum zu bringen.

Vom Geist zum Feuer ist wieder nur ein kleiner Schritt. Mir
folgen daher ohne große Mühe dein //Jahrbuch", das zunächst übel- die
freiwilligen Entzündungen eine sehr lesenswerthe Abhandlung bringt. Un¬
seren Lesern wollen wir einige der merkwürdigsten Thatsachen der Art
Mittheilen und sie nach unserer Art mit einigen Anmerkungen begleiten.
Es giebt -- dies wollen wir zum bessern Verständniß vorausschicken --
eine Anzahl Körper, die ohne mit irgend einem entzündeten Stoffe in
Berührung zu gerathen, von selbst Feuer fangen, Kohle, Kobalt, Kalk,
Dünger, feuchtes Mehl, frisches Heu und viele andere Dinge haben diese
traurige Eigenschaft. Und die allgemeine Kenntniß dieses Unistandes thut
um so mehr Noth, da leicht Unschuldige in einen schlimmen Verdacht
und in die Anklage einer Brandstiftung gereichen können, während der
Brand selbst nur das natürliche Resultat der Gährung ist. Häufig aber
sind auch Fälle von Fcncrsbrimsten, die, durch das Auffallen der Son¬
nenstrahlen auf gewisse Gläser in bestimmten Richtungen entstanden. So
brach z. B. in Marseille im Jahr 1337 plötzlich in dem Vetsaal ein'es
Pensionats, einem seit langer Zeit verschlossenen und ganz unbesuchten
Zimmer, Feuer aus. Eine arme Dienstmagd ^ die man, Gott weiß/


hat zusammengezählt, wie viel der Lebenstage dieser Phalanx von Be¬
rühmtheiten aus allen Ländern von der verschiedensten Geltung, von den
verschiedensten Arten waren; und siehe da, diese mehr oder minder be^
rühmten Schriftsteller haben in' SuMma 66,S7S Jahre, 7 Monate, 19
Tage gelebt. Nun vergleiche man mit diesem so überaus günstigen Re¬
sultate einmal die Sterblichkeitslisten anderer nicht auserwählter Wesen-
Und dabei ist es noch außer allem Zweifel, daß at)nuche Untersuchungen
für frühere Jahrhunderte eine noch größere Durchschnittssumme der Le¬
bensdauer geben würden; wobei wir freilich auch der Bemerkung uns
. nicht erwehren können , daß unser Jahrhundert dereinst ein minder gün¬
stiges Resultat liefern wird. Aber die Schriftsteller unserer Tage sind
ja auch dafür zu einer weit anhaltenderen intensiverer Gehirnanstrengung
verdammt; sie haben mehr Freuden, mehr Haß, Enthusiasmus und ent¬
mutigendes Elend, mehr getäuschte Hoffnungen und übertriebene Anma¬
ßungen zu ertragen, als Schriftsteller irgend einer Zeit; sie leiden mehr
als die Märtyrer gelitten haben, und es ist die ewige fieberhafte Aufre¬
gung ihres Geistes und häufig auch-ihrer Sinne, die ihre Lebcnsorgane
abnutzt und zerstört. Sie sind, wie ein geistreicher Satiriker Italiens
gesagt hat, tuten nur wenige von ih¬
nen können hoffen, ihr Leben bis zum dreizehnten Lustrum zu bringen.

Vom Geist zum Feuer ist wieder nur ein kleiner Schritt. Mir
folgen daher ohne große Mühe dein //Jahrbuch", das zunächst übel- die
freiwilligen Entzündungen eine sehr lesenswerthe Abhandlung bringt. Un¬
seren Lesern wollen wir einige der merkwürdigsten Thatsachen der Art
Mittheilen und sie nach unserer Art mit einigen Anmerkungen begleiten.
Es giebt — dies wollen wir zum bessern Verständniß vorausschicken —
eine Anzahl Körper, die ohne mit irgend einem entzündeten Stoffe in
Berührung zu gerathen, von selbst Feuer fangen, Kohle, Kobalt, Kalk,
Dünger, feuchtes Mehl, frisches Heu und viele andere Dinge haben diese
traurige Eigenschaft. Und die allgemeine Kenntniß dieses Unistandes thut
um so mehr Noth, da leicht Unschuldige in einen schlimmen Verdacht
und in die Anklage einer Brandstiftung gereichen können, während der
Brand selbst nur das natürliche Resultat der Gährung ist. Häufig aber
sind auch Fälle von Fcncrsbrimsten, die, durch das Auffallen der Son¬
nenstrahlen auf gewisse Gläser in bestimmten Richtungen entstanden. So
brach z. B. in Marseille im Jahr 1337 plötzlich in dem Vetsaal ein'es
Pensionats, einem seit langer Zeit verschlossenen und ganz unbesuchten
Zimmer, Feuer aus. Eine arme Dienstmagd ^ die man, Gott weiß/


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[0253] hat zusammengezählt, wie viel der Lebenstage dieser Phalanx von Be¬ rühmtheiten aus allen Ländern von der verschiedensten Geltung, von den verschiedensten Arten waren; und siehe da, diese mehr oder minder be^ rühmten Schriftsteller haben in' SuMma 66,S7S Jahre, 7 Monate, 19 Tage gelebt. Nun vergleiche man mit diesem so überaus günstigen Re¬ sultate einmal die Sterblichkeitslisten anderer nicht auserwählter Wesen- Und dabei ist es noch außer allem Zweifel, daß at)nuche Untersuchungen für frühere Jahrhunderte eine noch größere Durchschnittssumme der Le¬ bensdauer geben würden; wobei wir freilich auch der Bemerkung uns . nicht erwehren können , daß unser Jahrhundert dereinst ein minder gün¬ stiges Resultat liefern wird. Aber die Schriftsteller unserer Tage sind ja auch dafür zu einer weit anhaltenderen intensiverer Gehirnanstrengung verdammt; sie haben mehr Freuden, mehr Haß, Enthusiasmus und ent¬ mutigendes Elend, mehr getäuschte Hoffnungen und übertriebene Anma¬ ßungen zu ertragen, als Schriftsteller irgend einer Zeit; sie leiden mehr als die Märtyrer gelitten haben, und es ist die ewige fieberhafte Aufre¬ gung ihres Geistes und häufig auch-ihrer Sinne, die ihre Lebcnsorgane abnutzt und zerstört. Sie sind, wie ein geistreicher Satiriker Italiens gesagt hat, tuten nur wenige von ih¬ nen können hoffen, ihr Leben bis zum dreizehnten Lustrum zu bringen. Vom Geist zum Feuer ist wieder nur ein kleiner Schritt. Mir folgen daher ohne große Mühe dein //Jahrbuch", das zunächst übel- die freiwilligen Entzündungen eine sehr lesenswerthe Abhandlung bringt. Un¬ seren Lesern wollen wir einige der merkwürdigsten Thatsachen der Art Mittheilen und sie nach unserer Art mit einigen Anmerkungen begleiten. Es giebt — dies wollen wir zum bessern Verständniß vorausschicken — eine Anzahl Körper, die ohne mit irgend einem entzündeten Stoffe in Berührung zu gerathen, von selbst Feuer fangen, Kohle, Kobalt, Kalk, Dünger, feuchtes Mehl, frisches Heu und viele andere Dinge haben diese traurige Eigenschaft. Und die allgemeine Kenntniß dieses Unistandes thut um so mehr Noth, da leicht Unschuldige in einen schlimmen Verdacht und in die Anklage einer Brandstiftung gereichen können, während der Brand selbst nur das natürliche Resultat der Gährung ist. Häufig aber sind auch Fälle von Fcncrsbrimsten, die, durch das Auffallen der Son¬ nenstrahlen auf gewisse Gläser in bestimmten Richtungen entstanden. So brach z. B. in Marseille im Jahr 1337 plötzlich in dem Vetsaal ein'es Pensionats, einem seit langer Zeit verschlossenen und ganz unbesuchten Zimmer, Feuer aus. Eine arme Dienstmagd ^ die man, Gott weiß/

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/253>, abgerufen am 02.07.2024.