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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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ihre Handlungen haben nur dies Eine Ziel. Man hat sehr wohl daran
gethan'/ sie sorgfältig einzuschließen und zu überwachen; denn erst neu¬
lich hat eine von diesen Frauen sich alle ihre Kleider ausgezogen, sie in
ihrem Schlafzimmer auf einen Haufen geworfen und alsbald mit einem
Stück Papier, das sie an der Lampe eines Corridors anzündete, in Brand
gesteckt.

Das Lehrbuch der Hygienik behandelt diese wichtige Frage der Mo¬
nomanie häufig. Seit etwa 30 Jahren, daß sie aufgekommen, hat sie
an dem Assisenhofe in Folge der Arbeiten einiger ausgezeichneten Aerzte,
welche sich die Advokaten sehr bald als Vertheidigungsartikel aneigneten,
eine hohe Wichtigkeit erlangt. Es ist gewiß etwas Schreckliches, un¬
glückliche Kranke auf's Schaffst zu schicken, die als Opfer einer Gehirn-
Verletzung mehr unfer Mitleid, als unsern Zorn verdienen; aber man
Muß sich auch vor dem Mißbrauch einer sehr elastischen wissenschaftlichen
Hypothese hüten und man darf nicht alle Verbrecher, welche grause Lei¬
denschaften zum Verbrechen treiben, für Monomanen halten. Die Rechte
der Gesellschaft sind nicht minder unbestreitbar und heilig, als die Mensch¬
lichkeit, und wenn manches verdammende Urtheil vielleicht etwas'zu streng
gewesen, so haben dagegen auch unverantwortliche Lossprechungen statt¬
gefunden. Die Wissenschaft ist leider noch in der Lösung dieser fürchter¬
lichen psychologischen Probleme weit zurück,, und erscheint sogar außer
dem Bereiche menschlicher Kräfte zu liegen, jemals zur vollkommenen
Klarheit darüber zu gelangen.

Ganz besonders haben sehr bedeutende Arbeiten über den Selbstmord
unsere Aufmerksachkeit gefesselt; wir wollen jedoch hier nur wenige Worte
über diese fürchterliche Krankheit sagen, die in unserer blasirten, ekeln,
erschöpften Gesellschaft, die weder Treu noch Glauben, weder Zügel noch,
Schranken kennt, immer mehr und mehr wüthet. Der Selbstmord ist,
nach dem Jahrbuch, in Ungarn, China und Bengalen besonders häusig;
eine Behauptung, deren Wahrheit nach unserer Meinung näherer Beglau¬
bigung bedarf, und die man daher nicht ohne Vorsicht annehmen kann.
In Frankreich, England, und Deutschland ist die Anzahl der Sclbstmör--,
der bei Weitem größer als in Spanien, Italien und im hohen Norden,
in der Schweiz ist ihre Zahl erfreulich gering. Unglaublich sind zuwei¬
len die läppischen Beweggründe gewisser Leute, die ihren Tagen selbst ein
Ende machen. Ein Feinschmecker täuscht sich über das Wer eines seiner
Schätzung unterworfenen Weines, man neckt ihn und im Grabe sucht er
eine Zuflucht gegen die schlechten Witze, die seiner Eigenliebe zu nahe


ihre Handlungen haben nur dies Eine Ziel. Man hat sehr wohl daran
gethan'/ sie sorgfältig einzuschließen und zu überwachen; denn erst neu¬
lich hat eine von diesen Frauen sich alle ihre Kleider ausgezogen, sie in
ihrem Schlafzimmer auf einen Haufen geworfen und alsbald mit einem
Stück Papier, das sie an der Lampe eines Corridors anzündete, in Brand
gesteckt.

Das Lehrbuch der Hygienik behandelt diese wichtige Frage der Mo¬
nomanie häufig. Seit etwa 30 Jahren, daß sie aufgekommen, hat sie
an dem Assisenhofe in Folge der Arbeiten einiger ausgezeichneten Aerzte,
welche sich die Advokaten sehr bald als Vertheidigungsartikel aneigneten,
eine hohe Wichtigkeit erlangt. Es ist gewiß etwas Schreckliches, un¬
glückliche Kranke auf's Schaffst zu schicken, die als Opfer einer Gehirn-
Verletzung mehr unfer Mitleid, als unsern Zorn verdienen; aber man
Muß sich auch vor dem Mißbrauch einer sehr elastischen wissenschaftlichen
Hypothese hüten und man darf nicht alle Verbrecher, welche grause Lei¬
denschaften zum Verbrechen treiben, für Monomanen halten. Die Rechte
der Gesellschaft sind nicht minder unbestreitbar und heilig, als die Mensch¬
lichkeit, und wenn manches verdammende Urtheil vielleicht etwas'zu streng
gewesen, so haben dagegen auch unverantwortliche Lossprechungen statt¬
gefunden. Die Wissenschaft ist leider noch in der Lösung dieser fürchter¬
lichen psychologischen Probleme weit zurück,, und erscheint sogar außer
dem Bereiche menschlicher Kräfte zu liegen, jemals zur vollkommenen
Klarheit darüber zu gelangen.

Ganz besonders haben sehr bedeutende Arbeiten über den Selbstmord
unsere Aufmerksachkeit gefesselt; wir wollen jedoch hier nur wenige Worte
über diese fürchterliche Krankheit sagen, die in unserer blasirten, ekeln,
erschöpften Gesellschaft, die weder Treu noch Glauben, weder Zügel noch,
Schranken kennt, immer mehr und mehr wüthet. Der Selbstmord ist,
nach dem Jahrbuch, in Ungarn, China und Bengalen besonders häusig;
eine Behauptung, deren Wahrheit nach unserer Meinung näherer Beglau¬
bigung bedarf, und die man daher nicht ohne Vorsicht annehmen kann.
In Frankreich, England, und Deutschland ist die Anzahl der Sclbstmör--,
der bei Weitem größer als in Spanien, Italien und im hohen Norden,
in der Schweiz ist ihre Zahl erfreulich gering. Unglaublich sind zuwei¬
len die läppischen Beweggründe gewisser Leute, die ihren Tagen selbst ein
Ende machen. Ein Feinschmecker täuscht sich über das Wer eines seiner
Schätzung unterworfenen Weines, man neckt ihn und im Grabe sucht er
eine Zuflucht gegen die schlechten Witze, die seiner Eigenliebe zu nahe


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[0255] ihre Handlungen haben nur dies Eine Ziel. Man hat sehr wohl daran gethan'/ sie sorgfältig einzuschließen und zu überwachen; denn erst neu¬ lich hat eine von diesen Frauen sich alle ihre Kleider ausgezogen, sie in ihrem Schlafzimmer auf einen Haufen geworfen und alsbald mit einem Stück Papier, das sie an der Lampe eines Corridors anzündete, in Brand gesteckt. Das Lehrbuch der Hygienik behandelt diese wichtige Frage der Mo¬ nomanie häufig. Seit etwa 30 Jahren, daß sie aufgekommen, hat sie an dem Assisenhofe in Folge der Arbeiten einiger ausgezeichneten Aerzte, welche sich die Advokaten sehr bald als Vertheidigungsartikel aneigneten, eine hohe Wichtigkeit erlangt. Es ist gewiß etwas Schreckliches, un¬ glückliche Kranke auf's Schaffst zu schicken, die als Opfer einer Gehirn- Verletzung mehr unfer Mitleid, als unsern Zorn verdienen; aber man Muß sich auch vor dem Mißbrauch einer sehr elastischen wissenschaftlichen Hypothese hüten und man darf nicht alle Verbrecher, welche grause Lei¬ denschaften zum Verbrechen treiben, für Monomanen halten. Die Rechte der Gesellschaft sind nicht minder unbestreitbar und heilig, als die Mensch¬ lichkeit, und wenn manches verdammende Urtheil vielleicht etwas'zu streng gewesen, so haben dagegen auch unverantwortliche Lossprechungen statt¬ gefunden. Die Wissenschaft ist leider noch in der Lösung dieser fürchter¬ lichen psychologischen Probleme weit zurück,, und erscheint sogar außer dem Bereiche menschlicher Kräfte zu liegen, jemals zur vollkommenen Klarheit darüber zu gelangen. Ganz besonders haben sehr bedeutende Arbeiten über den Selbstmord unsere Aufmerksachkeit gefesselt; wir wollen jedoch hier nur wenige Worte über diese fürchterliche Krankheit sagen, die in unserer blasirten, ekeln, erschöpften Gesellschaft, die weder Treu noch Glauben, weder Zügel noch, Schranken kennt, immer mehr und mehr wüthet. Der Selbstmord ist, nach dem Jahrbuch, in Ungarn, China und Bengalen besonders häusig; eine Behauptung, deren Wahrheit nach unserer Meinung näherer Beglau¬ bigung bedarf, und die man daher nicht ohne Vorsicht annehmen kann. In Frankreich, England, und Deutschland ist die Anzahl der Sclbstmör--, der bei Weitem größer als in Spanien, Italien und im hohen Norden, in der Schweiz ist ihre Zahl erfreulich gering. Unglaublich sind zuwei¬ len die läppischen Beweggründe gewisser Leute, die ihren Tagen selbst ein Ende machen. Ein Feinschmecker täuscht sich über das Wer eines seiner Schätzung unterworfenen Weines, man neckt ihn und im Grabe sucht er eine Zuflucht gegen die schlechten Witze, die seiner Eigenliebe zu nahe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/255>, abgerufen am 22.12.2024.