Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.Die Journale stehen ja längst in bösem Ruf. Aber sogar die Milch, Tod und Leben gränzen ja in der Wirklichkeit hart an einander, Die Journale stehen ja längst in bösem Ruf. Aber sogar die Milch, Tod und Leben gränzen ja in der Wirklichkeit hart an einander, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0252" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267466"/> <p xml:id="ID_1045" prev="#ID_1044"> Die Journale stehen ja längst in bösem Ruf. Aber sogar die Milch,<lb/> die eine junge Mutter ihrem Erstgebornen/ ihrem miles- und rosenfar¬<lb/> benen Engel reicht, sogar die sollte Gift enthalten. Machte man sich<lb/> doch anheischig aus dem kleinen Handschul), der die niedliche Hand un¬<lb/> serer Leserinnen bedeckt, oder aus dem Bouquet, das, weil es an ihrem<lb/> Busen glänzt, nur um so schöner ist, Gift herauszuziehen. Der coquet-<lb/> tirende Fächer unsrer Schönen, die Säbelklinge unserer jungen Helden<lb/> die enthalten, wie sich das von selbst versteht, gefährliche Bestandtheile.<lb/> Kurz wir warm nicht Chemiker, waren ganz außer uns: kaum noch<lb/> wagten wir zu essen oder zu trinken, oder etwas anzurühren. Aus al¬<lb/> len diesen kam uns dieser ertödtende Knoolauchgcstank entgegen, diese<lb/> Leichcnausdünstung, die von dem Gerichtshof zu Tülle aus sich über<lb/> ganz Europa zu verbreiten anfing. Wahrhaftig, hätte man uns, ehe<lb/> wir das Jahrbuch gelesen, die Frage gestellt: Sagen Sie, wo findet sich<lb/> Arsenik? so würden wir keine bessere Antwort gewußt haben, als: Sa¬<lb/> gen Sie lieber, wo man keinen findet. Das Jahrbuch befreit uns nun,<lb/> glücklicherweise von dieser Pein, und es verbannt den Arsenik wieder in.<lb/> die Apotheken. Noch besser wäre es übrigens, wenn er viel tausend<lb/> Klafter tief unter der Erde verborgen bliebe, damit man ihm nicht so<lb/> bald wieder in unläugbaren Sphären hingemvrdeter Wesen begegne.</p><lb/> <p xml:id="ID_1046" next="#ID_1047"> Tod und Leben gränzen ja in der Wirklichkeit hart an einander,<lb/> und wissen wir ja eigentlich uoch gar nicht, ob Tod ein Aufhören zu<lb/> leben, oder Leben ein Aufhören todt zu sein, ist. So folgt, such in dem,<lb/> Jahrbuch gleich auf diesen todbringenden Arsenikartikel ein anderer, be¬<lb/> sonders für die gelehrte und Schriftstellerwelt — und wer gehört sens<lb/> zu Tage nicht zu dieser — sehr interessanter Artikel über die Lebens-'<lb/> dquer der Gelehrten und Schriftsteller. Hören wir nur! Der Ver¬<lb/> fasser dieses Artikels, hat sich bemüht, ein albernes Gerücht, das die<lb/> Dummheit in Umlauf gesetzt hat, durch Thatsachen zu widerlegen. Gut,,<lb/> sagen die Einfaltspinsel zu den geistreichen Leuten, ihr seid gescheuter/ge¬<lb/> wandter, berühmter als wir; aber dasür sterbt ihr auch in der Blüthe<lb/> Eurer Jahre hin; wir werden euch alle noch zu Grabe tragen und wer¬<lb/> den, selbst dabei frisch und froh, gesund und, kräftig sein; wir werden<lb/> 101 Jahr alt und noch älter, wie es uns gefällt. — Geirrt, schmählich<lb/> geirrt,, ihr geistlosen Leute, ihr werdet nicht allein als Dummköpfe ster¬<lb/> ben, sondern auch noch viel früher als wir. Fragt nur das liebenswür¬<lb/> dige Jahrbuch; es bat aus dem ConvcrsativuSlexicon auf gut Glück die -<lb/> Namen von 1000 Schriftstellern des 18ten Jahrhunderts genommen und</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0252]
Die Journale stehen ja längst in bösem Ruf. Aber sogar die Milch,
die eine junge Mutter ihrem Erstgebornen/ ihrem miles- und rosenfar¬
benen Engel reicht, sogar die sollte Gift enthalten. Machte man sich
doch anheischig aus dem kleinen Handschul), der die niedliche Hand un¬
serer Leserinnen bedeckt, oder aus dem Bouquet, das, weil es an ihrem
Busen glänzt, nur um so schöner ist, Gift herauszuziehen. Der coquet-
tirende Fächer unsrer Schönen, die Säbelklinge unserer jungen Helden
die enthalten, wie sich das von selbst versteht, gefährliche Bestandtheile.
Kurz wir warm nicht Chemiker, waren ganz außer uns: kaum noch
wagten wir zu essen oder zu trinken, oder etwas anzurühren. Aus al¬
len diesen kam uns dieser ertödtende Knoolauchgcstank entgegen, diese
Leichcnausdünstung, die von dem Gerichtshof zu Tülle aus sich über
ganz Europa zu verbreiten anfing. Wahrhaftig, hätte man uns, ehe
wir das Jahrbuch gelesen, die Frage gestellt: Sagen Sie, wo findet sich
Arsenik? so würden wir keine bessere Antwort gewußt haben, als: Sa¬
gen Sie lieber, wo man keinen findet. Das Jahrbuch befreit uns nun,
glücklicherweise von dieser Pein, und es verbannt den Arsenik wieder in.
die Apotheken. Noch besser wäre es übrigens, wenn er viel tausend
Klafter tief unter der Erde verborgen bliebe, damit man ihm nicht so
bald wieder in unläugbaren Sphären hingemvrdeter Wesen begegne.
Tod und Leben gränzen ja in der Wirklichkeit hart an einander,
und wissen wir ja eigentlich uoch gar nicht, ob Tod ein Aufhören zu
leben, oder Leben ein Aufhören todt zu sein, ist. So folgt, such in dem,
Jahrbuch gleich auf diesen todbringenden Arsenikartikel ein anderer, be¬
sonders für die gelehrte und Schriftstellerwelt — und wer gehört sens
zu Tage nicht zu dieser — sehr interessanter Artikel über die Lebens-'
dquer der Gelehrten und Schriftsteller. Hören wir nur! Der Ver¬
fasser dieses Artikels, hat sich bemüht, ein albernes Gerücht, das die
Dummheit in Umlauf gesetzt hat, durch Thatsachen zu widerlegen. Gut,,
sagen die Einfaltspinsel zu den geistreichen Leuten, ihr seid gescheuter/ge¬
wandter, berühmter als wir; aber dasür sterbt ihr auch in der Blüthe
Eurer Jahre hin; wir werden euch alle noch zu Grabe tragen und wer¬
den, selbst dabei frisch und froh, gesund und, kräftig sein; wir werden
101 Jahr alt und noch älter, wie es uns gefällt. — Geirrt, schmählich
geirrt,, ihr geistlosen Leute, ihr werdet nicht allein als Dummköpfe ster¬
ben, sondern auch noch viel früher als wir. Fragt nur das liebenswür¬
dige Jahrbuch; es bat aus dem ConvcrsativuSlexicon auf gut Glück die -
Namen von 1000 Schriftstellern des 18ten Jahrhunderts genommen und
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