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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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Lurus, den sich Privatpersonen erlauben konnten, von wie hohem Range
sie auch gewesen wären; das Privilegium ihres Besitzes gehörte nur ge¬
krönten Häuptern an: Und auch da noch siebt man aus dem eben citir-
ten Beispiel, aus wie wenig Bänden diese seltenen Sammlungen bestan¬
den. Der hohe Preis der Manuscripte machte ihren Erwerb von einem
großen Vermögen-abhängig. Philipp der Kühne hatte von seinem Schwie¬
gervater, dem Grafen Ludwig von Flandern, eine für jene Zeit sehr be¬
trächtliche Bücherei geerbt; er selbst war ein Freund der Wissenschaften
und arbeitete an ihrer Vergrößerung. Dyne und Jakob Räpoed, zwei
in Paris lebende lombardische Buchhändler jener Zeiten, verkauften ihm
mehrere Werke, unter andern ein Buch über das Eigenthum der
Dinge für 400 Goldthaler (1600 Rest.), eine französische Bibel
mit sehr schönen Geschichten für 600 Goldthaler und ein Buch un¬
ter dem Titel,Goldene Legende für 600 Goldthaler. Man sieht
leicht ein, daß solche Bücherpreise, die heute für bedeutend gelten würden
und die, wenn man den höheren Werth des Geldes in jenen Tagen mit
in Anschlag bringt, enorm erscheinen, es unmöglich machten, viel Bücher
auf ein Mal zu kaufen. Das 1404 von Meister Richard le-Comte/
dem Barbier Philipps, des Kühnen und zu gleicher Zeit dem Bewahret
seiner Kleinodien, aufgenommene Verzeichnis) belehrt uns, daß dieser
Fürst 69 Manuscripte besaß, die zum Theil aus dem von Ludwig dem
Zweiten ihm gewordenen Legat herrührten, theils von ihm selbst ange¬
schafft worden waren.- Die so theuer bezahlten Bände verwahrten die
Fürsten bei den Kleinodien ihrer Krone; die kostbarsten waren sogar mit?
silbernen Ketten an den Pulten befestigt. ' .',

Die Bücherei der Herzoge von Burgund erhielt-einen zahlreichen
Zuwachs neuer Werke durch die Sorgfalt Philipps, des Guten, den man
wegen der Bedeutung, die sie unter seiner Regierung annahm, gemeinhin
als ihren Begründer angiebt. Dieser Fürst unterhielt in den verschie¬
denen Ländern Schreiber, die beauftragt waren auf seine Kosten die be¬
sten Werke zu sammeln und abzuschreiben. Daher versicherte David Än¬
dert, ein bedeutender Gelehrter, mit dem er in Verbindung stand, daß
er die "reichste und edelste Bücherei der Welt" besitze. Karl
der Kühne, sein Sohn und Nachfolger, hatte nicht die Zeit sie zu ver¬
größern; der Grund davon war nicht etwa, daß er den Wissenschaften
fremde gewesen wäre; im-Gegentheil hatte sein Vater den größten Theil
seiner Michersammlung nur Behufs der Erziehung seines Sohnes ange¬
schafft; aber bis zu seinem unglücklichen Ende in der Nähe von Nancy


Lurus, den sich Privatpersonen erlauben konnten, von wie hohem Range
sie auch gewesen wären; das Privilegium ihres Besitzes gehörte nur ge¬
krönten Häuptern an: Und auch da noch siebt man aus dem eben citir-
ten Beispiel, aus wie wenig Bänden diese seltenen Sammlungen bestan¬
den. Der hohe Preis der Manuscripte machte ihren Erwerb von einem
großen Vermögen-abhängig. Philipp der Kühne hatte von seinem Schwie¬
gervater, dem Grafen Ludwig von Flandern, eine für jene Zeit sehr be¬
trächtliche Bücherei geerbt; er selbst war ein Freund der Wissenschaften
und arbeitete an ihrer Vergrößerung. Dyne und Jakob Räpoed, zwei
in Paris lebende lombardische Buchhändler jener Zeiten, verkauften ihm
mehrere Werke, unter andern ein Buch über das Eigenthum der
Dinge für 400 Goldthaler (1600 Rest.), eine französische Bibel
mit sehr schönen Geschichten für 600 Goldthaler und ein Buch un¬
ter dem Titel,Goldene Legende für 600 Goldthaler. Man sieht
leicht ein, daß solche Bücherpreise, die heute für bedeutend gelten würden
und die, wenn man den höheren Werth des Geldes in jenen Tagen mit
in Anschlag bringt, enorm erscheinen, es unmöglich machten, viel Bücher
auf ein Mal zu kaufen. Das 1404 von Meister Richard le-Comte/
dem Barbier Philipps, des Kühnen und zu gleicher Zeit dem Bewahret
seiner Kleinodien, aufgenommene Verzeichnis) belehrt uns, daß dieser
Fürst 69 Manuscripte besaß, die zum Theil aus dem von Ludwig dem
Zweiten ihm gewordenen Legat herrührten, theils von ihm selbst ange¬
schafft worden waren.- Die so theuer bezahlten Bände verwahrten die
Fürsten bei den Kleinodien ihrer Krone; die kostbarsten waren sogar mit?
silbernen Ketten an den Pulten befestigt. ' .',

Die Bücherei der Herzoge von Burgund erhielt-einen zahlreichen
Zuwachs neuer Werke durch die Sorgfalt Philipps, des Guten, den man
wegen der Bedeutung, die sie unter seiner Regierung annahm, gemeinhin
als ihren Begründer angiebt. Dieser Fürst unterhielt in den verschie¬
denen Ländern Schreiber, die beauftragt waren auf seine Kosten die be¬
sten Werke zu sammeln und abzuschreiben. Daher versicherte David Än¬
dert, ein bedeutender Gelehrter, mit dem er in Verbindung stand, daß
er die „reichste und edelste Bücherei der Welt" besitze. Karl
der Kühne, sein Sohn und Nachfolger, hatte nicht die Zeit sie zu ver¬
größern; der Grund davon war nicht etwa, daß er den Wissenschaften
fremde gewesen wäre; im-Gegentheil hatte sein Vater den größten Theil
seiner Michersammlung nur Behufs der Erziehung seines Sohnes ange¬
schafft; aber bis zu seinem unglücklichen Ende in der Nähe von Nancy


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[0244] Lurus, den sich Privatpersonen erlauben konnten, von wie hohem Range sie auch gewesen wären; das Privilegium ihres Besitzes gehörte nur ge¬ krönten Häuptern an: Und auch da noch siebt man aus dem eben citir- ten Beispiel, aus wie wenig Bänden diese seltenen Sammlungen bestan¬ den. Der hohe Preis der Manuscripte machte ihren Erwerb von einem großen Vermögen-abhängig. Philipp der Kühne hatte von seinem Schwie¬ gervater, dem Grafen Ludwig von Flandern, eine für jene Zeit sehr be¬ trächtliche Bücherei geerbt; er selbst war ein Freund der Wissenschaften und arbeitete an ihrer Vergrößerung. Dyne und Jakob Räpoed, zwei in Paris lebende lombardische Buchhändler jener Zeiten, verkauften ihm mehrere Werke, unter andern ein Buch über das Eigenthum der Dinge für 400 Goldthaler (1600 Rest.), eine französische Bibel mit sehr schönen Geschichten für 600 Goldthaler und ein Buch un¬ ter dem Titel,Goldene Legende für 600 Goldthaler. Man sieht leicht ein, daß solche Bücherpreise, die heute für bedeutend gelten würden und die, wenn man den höheren Werth des Geldes in jenen Tagen mit in Anschlag bringt, enorm erscheinen, es unmöglich machten, viel Bücher auf ein Mal zu kaufen. Das 1404 von Meister Richard le-Comte/ dem Barbier Philipps, des Kühnen und zu gleicher Zeit dem Bewahret seiner Kleinodien, aufgenommene Verzeichnis) belehrt uns, daß dieser Fürst 69 Manuscripte besaß, die zum Theil aus dem von Ludwig dem Zweiten ihm gewordenen Legat herrührten, theils von ihm selbst ange¬ schafft worden waren.- Die so theuer bezahlten Bände verwahrten die Fürsten bei den Kleinodien ihrer Krone; die kostbarsten waren sogar mit? silbernen Ketten an den Pulten befestigt. ' .', Die Bücherei der Herzoge von Burgund erhielt-einen zahlreichen Zuwachs neuer Werke durch die Sorgfalt Philipps, des Guten, den man wegen der Bedeutung, die sie unter seiner Regierung annahm, gemeinhin als ihren Begründer angiebt. Dieser Fürst unterhielt in den verschie¬ denen Ländern Schreiber, die beauftragt waren auf seine Kosten die be¬ sten Werke zu sammeln und abzuschreiben. Daher versicherte David Än¬ dert, ein bedeutender Gelehrter, mit dem er in Verbindung stand, daß er die „reichste und edelste Bücherei der Welt" besitze. Karl der Kühne, sein Sohn und Nachfolger, hatte nicht die Zeit sie zu ver¬ größern; der Grund davon war nicht etwa, daß er den Wissenschaften fremde gewesen wäre; im-Gegentheil hatte sein Vater den größten Theil seiner Michersammlung nur Behufs der Erziehung seines Sohnes ange¬ schafft; aber bis zu seinem unglücklichen Ende in der Nähe von Nancy

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/244>, abgerufen am 22.12.2024.