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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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dieser Vulkane wirklich verspüren. Belgien theilt in dieser Beziehung
sein Loos mit Deutschland und Italien: es ist gleich diesen beiden Lar--
dem der Boden gewesen, auf dem fast alle großen europäischen Fragen seit
einer Reihe von Jahrhunderten ausgefochten worden sind. Nur ist Bel¬
gien speciell auch noch stets ein Gegenstand der Begierde, nicht blos der
angrenzenden, sondern der entferntesten Staaten (Spaniens) gewesen. Die
Gründe beider Erscheinungen sind leicht zu finden. Eben die großen
Vorzüge, die man Belgien allgemein zugesteht, sind auch die Ursache sei¬
ner Leiden geworden. Das Land ist schon, seine Gefilde sind fruchtbar,
seine großen beiden Heerstraßen bieten zahlreiche Verbindungswege, der
Schoos seiner Erde liefert unerschöpfliche reichliche Hülfsmittel aller Art:
es ist ein beneidenswerthes Besitztum, und > eben-darum leider so oft der
Zanckapfel Derer gewesen, die sich stark genug, glaubten, um es zu ero¬
bern. Eine zweite Ursache, warum es so oft das Amphitheater für
fremde Streitigkeiten gewesen ist,/ sind seine offenen Gränzen so leicht
zu überschreiten, sind seine schönen unabsehbar sich ausdehnenden Ebenen
für Hie Bewegungen großer Heeresmassen so geeignet) daß man schon
aus bloßer Lust am Kampf sich-das Vergnügen einer >Can'nonade auf
seinem,Grund und Boden nicht leicht versagte, wenn man.nur irgend
einen auch noch so unscheinbaren- Grund zu kämpfen hatte.- '! Unter die¬
ser allzugünstigen topographischen und statistischen Lage hat aber nicht
Mein'der APere-Wohlstand des Landes gelitten, sondern auch seine lite¬
rarischen Schätze haben -Schaden genommen; Und dieser Verlust ist für
unser Bibliophilen-Herz weit empfindlicher, als jeder anderer Erndte,
die der hus der Rosse zerstampft, denn dafiir giebt es einen Dünger, in Folge
dessen die Erndte des nächsten Jahres reichlich den Verlust der vorigen
ersetzt; aber geplünderte oder gar zerstörte Manufmpte, die vielleicht
'einzig in ihrer Art waren, welchen Ersatz kann man uns für solche Ca-
lmnitäten bieten? Jedoch ist es Zeit, daß wir unsere allgemeinen Be¬
trachtungen verlassen ^und zur wirklichen Geschichte der Burgundischen
Bibliothek übergehen. > , ,, ,

-- Die Laiett der Bibliographie, die gewöhnt sind, den Namen einer
Bibliothek nur solchen Sammlungen beizulegen, welche die Zahl ihrer
Bände nach Tausenden angeben können, würden in Verlegenheit sein für
die Sammlung des Robert von Bethune einen Namen aufzufinden, da
das -in Courtrcn 1322 aufgenommene Verzeichniß derselben nur 13 Num¬
mern zählt. In jenen Feudalzeiten, an die unsere Alterthumsforschet
noch heute nicht-ohne Rührung denken, war' eine Bücherei nicht ein


dieser Vulkane wirklich verspüren. Belgien theilt in dieser Beziehung
sein Loos mit Deutschland und Italien: es ist gleich diesen beiden Lar--
dem der Boden gewesen, auf dem fast alle großen europäischen Fragen seit
einer Reihe von Jahrhunderten ausgefochten worden sind. Nur ist Bel¬
gien speciell auch noch stets ein Gegenstand der Begierde, nicht blos der
angrenzenden, sondern der entferntesten Staaten (Spaniens) gewesen. Die
Gründe beider Erscheinungen sind leicht zu finden. Eben die großen
Vorzüge, die man Belgien allgemein zugesteht, sind auch die Ursache sei¬
ner Leiden geworden. Das Land ist schon, seine Gefilde sind fruchtbar,
seine großen beiden Heerstraßen bieten zahlreiche Verbindungswege, der
Schoos seiner Erde liefert unerschöpfliche reichliche Hülfsmittel aller Art:
es ist ein beneidenswerthes Besitztum, und > eben-darum leider so oft der
Zanckapfel Derer gewesen, die sich stark genug, glaubten, um es zu ero¬
bern. Eine zweite Ursache, warum es so oft das Amphitheater für
fremde Streitigkeiten gewesen ist,/ sind seine offenen Gränzen so leicht
zu überschreiten, sind seine schönen unabsehbar sich ausdehnenden Ebenen
für Hie Bewegungen großer Heeresmassen so geeignet) daß man schon
aus bloßer Lust am Kampf sich-das Vergnügen einer >Can'nonade auf
seinem,Grund und Boden nicht leicht versagte, wenn man.nur irgend
einen auch noch so unscheinbaren- Grund zu kämpfen hatte.- '! Unter die¬
ser allzugünstigen topographischen und statistischen Lage hat aber nicht
Mein'der APere-Wohlstand des Landes gelitten, sondern auch seine lite¬
rarischen Schätze haben -Schaden genommen; Und dieser Verlust ist für
unser Bibliophilen-Herz weit empfindlicher, als jeder anderer Erndte,
die der hus der Rosse zerstampft, denn dafiir giebt es einen Dünger, in Folge
dessen die Erndte des nächsten Jahres reichlich den Verlust der vorigen
ersetzt; aber geplünderte oder gar zerstörte Manufmpte, die vielleicht
'einzig in ihrer Art waren, welchen Ersatz kann man uns für solche Ca-
lmnitäten bieten? Jedoch ist es Zeit, daß wir unsere allgemeinen Be¬
trachtungen verlassen ^und zur wirklichen Geschichte der Burgundischen
Bibliothek übergehen. > , ,, ,

-- Die Laiett der Bibliographie, die gewöhnt sind, den Namen einer
Bibliothek nur solchen Sammlungen beizulegen, welche die Zahl ihrer
Bände nach Tausenden angeben können, würden in Verlegenheit sein für
die Sammlung des Robert von Bethune einen Namen aufzufinden, da
das -in Courtrcn 1322 aufgenommene Verzeichniß derselben nur 13 Num¬
mern zählt. In jenen Feudalzeiten, an die unsere Alterthumsforschet
noch heute nicht-ohne Rührung denken, war' eine Bücherei nicht ein


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[0243] dieser Vulkane wirklich verspüren. Belgien theilt in dieser Beziehung sein Loos mit Deutschland und Italien: es ist gleich diesen beiden Lar-- dem der Boden gewesen, auf dem fast alle großen europäischen Fragen seit einer Reihe von Jahrhunderten ausgefochten worden sind. Nur ist Bel¬ gien speciell auch noch stets ein Gegenstand der Begierde, nicht blos der angrenzenden, sondern der entferntesten Staaten (Spaniens) gewesen. Die Gründe beider Erscheinungen sind leicht zu finden. Eben die großen Vorzüge, die man Belgien allgemein zugesteht, sind auch die Ursache sei¬ ner Leiden geworden. Das Land ist schon, seine Gefilde sind fruchtbar, seine großen beiden Heerstraßen bieten zahlreiche Verbindungswege, der Schoos seiner Erde liefert unerschöpfliche reichliche Hülfsmittel aller Art: es ist ein beneidenswerthes Besitztum, und > eben-darum leider so oft der Zanckapfel Derer gewesen, die sich stark genug, glaubten, um es zu ero¬ bern. Eine zweite Ursache, warum es so oft das Amphitheater für fremde Streitigkeiten gewesen ist,/ sind seine offenen Gränzen so leicht zu überschreiten, sind seine schönen unabsehbar sich ausdehnenden Ebenen für Hie Bewegungen großer Heeresmassen so geeignet) daß man schon aus bloßer Lust am Kampf sich-das Vergnügen einer >Can'nonade auf seinem,Grund und Boden nicht leicht versagte, wenn man.nur irgend einen auch noch so unscheinbaren- Grund zu kämpfen hatte.- '! Unter die¬ ser allzugünstigen topographischen und statistischen Lage hat aber nicht Mein'der APere-Wohlstand des Landes gelitten, sondern auch seine lite¬ rarischen Schätze haben -Schaden genommen; Und dieser Verlust ist für unser Bibliophilen-Herz weit empfindlicher, als jeder anderer Erndte, die der hus der Rosse zerstampft, denn dafiir giebt es einen Dünger, in Folge dessen die Erndte des nächsten Jahres reichlich den Verlust der vorigen ersetzt; aber geplünderte oder gar zerstörte Manufmpte, die vielleicht 'einzig in ihrer Art waren, welchen Ersatz kann man uns für solche Ca- lmnitäten bieten? Jedoch ist es Zeit, daß wir unsere allgemeinen Be¬ trachtungen verlassen ^und zur wirklichen Geschichte der Burgundischen Bibliothek übergehen. > , ,, , -- Die Laiett der Bibliographie, die gewöhnt sind, den Namen einer Bibliothek nur solchen Sammlungen beizulegen, welche die Zahl ihrer Bände nach Tausenden angeben können, würden in Verlegenheit sein für die Sammlung des Robert von Bethune einen Namen aufzufinden, da das -in Courtrcn 1322 aufgenommene Verzeichniß derselben nur 13 Num¬ mern zählt. In jenen Feudalzeiten, an die unsere Alterthumsforschet noch heute nicht-ohne Rührung denken, war' eine Bücherei nicht ein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/243>, abgerufen am 30.06.2024.