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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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fayette's unter diesem Titel figurirte, das königliche Wappen Englands
auf einem Wappenfchildchen. Ob es um wirklich das Rohr des un--
glücklichen Königs war? Ich möchte es nicht behaupten; es giebt viel¬
leicht 2 oder 300 eben so authentische; daran liegt aber auch nichts;
der General war des festen Glaubens, das" Rohr Carls des Ersten zu
besitzen, und die. Liebhaber von Sammlungen bedürfen weiter nichts,
als einen kräftigen Glauben. - ' '

Wie glücklich hat Immermann in seinem Münchhausen daS Schwert
Carls des Großen in dieser Beziehung zu benutzen gewußt. Die köst¬
liche Figur des Freischützen, der in dem Besitze desselben zusein glaubt^
treibt diesen Glauben bis zur Poesie, die sogar den Leser so tief ergreift,
daß wir den ganzen Schmerz des Freischützen mitfühlen, als ihm später¬
hin diese kostbare Reliquie abhanden kömmt, und er über die Aechtheit
derselben sich enttäuscht sieht.

Ueberhaupt erleben die Sammler zuweilen grausame Enttäuschun¬
gen , wie z. B. bei folgendem Umstände. Als der eben erwähnte König
Carl hingerichtet worden war, wurde seine Reiterstatue nicht allein um-
geworfen, --das wäre für ein Volk, das zu allen Zeiten und vor Allein
Kaufmann ist, nicht genug gewesen,--sondern sie wurde als altes Mes¬
sing verkauft, und von einem Messerschmied erstanden. Dieser Mann
erwarb sich ein ungeheures/Vermögen, indem er Messer 'verkaufte, de¬
ren Stiel aus dem Messing der Statue gefertigt war; als aber die Re¬
stauration vollendet, und die Familie Stuart zurückgekehrt war, zog er
die ganze Statue aus seinem Keller hervor, und gab sie dem neuen Kö¬
nig zurück.

' - Wodurch sich aber die Sammlung des Generals Lafayette besonders
auszeichnete, war die große Zahl ihrer Stücke. Alle Wochen, und das
seit seiner Rückkehr aus Olmütz, ließ sich der General in's Z?s1"is ro^al
führen, trat in das Magazin eines Spazierstockhändlers ein, setzte sich
nieder, verplauderte ein Stündchen, und verließ den Laden nie, ohne
einen Stock gekauft zu haben. Dafür hat er ihrer auch 1800 hinter¬
lassen. Daraus kann man nun einen Schluß darauf ziehen, wie viel
Personen binnen hundert Jahren einen Spazierstock besitzen werden, der
früher dem General Lafayette gehört hat.

, Der Schauspieler Löwe in Wien hat neben der, Nollensucht -- der
Erbkrankheit der meisten, Schauspieles -- auch noch die Sucht der Na-
ritätensämmluvgen, Als ein 'achter'Theatermensch liebt er die Veranda


fayette's unter diesem Titel figurirte, das königliche Wappen Englands
auf einem Wappenfchildchen. Ob es um wirklich das Rohr des un--
glücklichen Königs war? Ich möchte es nicht behaupten; es giebt viel¬
leicht 2 oder 300 eben so authentische; daran liegt aber auch nichts;
der General war des festen Glaubens, das" Rohr Carls des Ersten zu
besitzen, und die. Liebhaber von Sammlungen bedürfen weiter nichts,
als einen kräftigen Glauben. - ' '

Wie glücklich hat Immermann in seinem Münchhausen daS Schwert
Carls des Großen in dieser Beziehung zu benutzen gewußt. Die köst¬
liche Figur des Freischützen, der in dem Besitze desselben zusein glaubt^
treibt diesen Glauben bis zur Poesie, die sogar den Leser so tief ergreift,
daß wir den ganzen Schmerz des Freischützen mitfühlen, als ihm später¬
hin diese kostbare Reliquie abhanden kömmt, und er über die Aechtheit
derselben sich enttäuscht sieht.

Ueberhaupt erleben die Sammler zuweilen grausame Enttäuschun¬
gen , wie z. B. bei folgendem Umstände. Als der eben erwähnte König
Carl hingerichtet worden war, wurde seine Reiterstatue nicht allein um-
geworfen, —das wäre für ein Volk, das zu allen Zeiten und vor Allein
Kaufmann ist, nicht genug gewesen,—sondern sie wurde als altes Mes¬
sing verkauft, und von einem Messerschmied erstanden. Dieser Mann
erwarb sich ein ungeheures/Vermögen, indem er Messer 'verkaufte, de¬
ren Stiel aus dem Messing der Statue gefertigt war; als aber die Re¬
stauration vollendet, und die Familie Stuart zurückgekehrt war, zog er
die ganze Statue aus seinem Keller hervor, und gab sie dem neuen Kö¬
nig zurück.

' - Wodurch sich aber die Sammlung des Generals Lafayette besonders
auszeichnete, war die große Zahl ihrer Stücke. Alle Wochen, und das
seit seiner Rückkehr aus Olmütz, ließ sich der General in's Z?s1»is ro^al
führen, trat in das Magazin eines Spazierstockhändlers ein, setzte sich
nieder, verplauderte ein Stündchen, und verließ den Laden nie, ohne
einen Stock gekauft zu haben. Dafür hat er ihrer auch 1800 hinter¬
lassen. Daraus kann man nun einen Schluß darauf ziehen, wie viel
Personen binnen hundert Jahren einen Spazierstock besitzen werden, der
früher dem General Lafayette gehört hat.

, Der Schauspieler Löwe in Wien hat neben der, Nollensucht — der
Erbkrankheit der meisten, Schauspieles — auch noch die Sucht der Na-
ritätensämmluvgen, Als ein 'achter'Theatermensch liebt er die Veranda


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[0211] fayette's unter diesem Titel figurirte, das königliche Wappen Englands auf einem Wappenfchildchen. Ob es um wirklich das Rohr des un-- glücklichen Königs war? Ich möchte es nicht behaupten; es giebt viel¬ leicht 2 oder 300 eben so authentische; daran liegt aber auch nichts; der General war des festen Glaubens, das" Rohr Carls des Ersten zu besitzen, und die. Liebhaber von Sammlungen bedürfen weiter nichts, als einen kräftigen Glauben. - ' ' Wie glücklich hat Immermann in seinem Münchhausen daS Schwert Carls des Großen in dieser Beziehung zu benutzen gewußt. Die köst¬ liche Figur des Freischützen, der in dem Besitze desselben zusein glaubt^ treibt diesen Glauben bis zur Poesie, die sogar den Leser so tief ergreift, daß wir den ganzen Schmerz des Freischützen mitfühlen, als ihm später¬ hin diese kostbare Reliquie abhanden kömmt, und er über die Aechtheit derselben sich enttäuscht sieht. Ueberhaupt erleben die Sammler zuweilen grausame Enttäuschun¬ gen , wie z. B. bei folgendem Umstände. Als der eben erwähnte König Carl hingerichtet worden war, wurde seine Reiterstatue nicht allein um- geworfen, —das wäre für ein Volk, das zu allen Zeiten und vor Allein Kaufmann ist, nicht genug gewesen,—sondern sie wurde als altes Mes¬ sing verkauft, und von einem Messerschmied erstanden. Dieser Mann erwarb sich ein ungeheures/Vermögen, indem er Messer 'verkaufte, de¬ ren Stiel aus dem Messing der Statue gefertigt war; als aber die Re¬ stauration vollendet, und die Familie Stuart zurückgekehrt war, zog er die ganze Statue aus seinem Keller hervor, und gab sie dem neuen Kö¬ nig zurück. ' - Wodurch sich aber die Sammlung des Generals Lafayette besonders auszeichnete, war die große Zahl ihrer Stücke. Alle Wochen, und das seit seiner Rückkehr aus Olmütz, ließ sich der General in's Z?s1»is ro^al führen, trat in das Magazin eines Spazierstockhändlers ein, setzte sich nieder, verplauderte ein Stündchen, und verließ den Laden nie, ohne einen Stock gekauft zu haben. Dafür hat er ihrer auch 1800 hinter¬ lassen. Daraus kann man nun einen Schluß darauf ziehen, wie viel Personen binnen hundert Jahren einen Spazierstock besitzen werden, der früher dem General Lafayette gehört hat. , Der Schauspieler Löwe in Wien hat neben der, Nollensucht — der Erbkrankheit der meisten, Schauspieles — auch noch die Sucht der Na- ritätensämmluvgen, Als ein 'achter'Theatermensch liebt er die Veranda

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/211>, abgerufen am 23.07.2024.