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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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rung der Scene und der Personen. Jedes Jahr kömmt eine neue Lieb¬
haberei zu Tage. Voriges Jahr war er ganz Käfer, dieses Jahr ist er
ganz Autograph, und schon zeigen sich gefährliche Symptome, daß er
künftiges Jahr ganz Kupferstich sein wird. Am Längsten erhielt sich bei
ihm die Sympathie für Käfer; durch achte Jahre War seine Käfer¬
sammlung eine der berühmtesten. Er war ganz Fliegengott, und wenn
die wiener Theaterrecensenten von den Schwingen und Flügeln der Phan¬
tasie, über welche er gebietet/ sprechen mußten, so dachten sie mit heim¬
licher Bosheit an die Bremsen, Maikäfer und andere Flügelthiere dieser
Art, die er in seinem Besitze hatte. Für die wiener Theaterdichter war
diese schwache Seite des großen Mimen eine allerliebste Hinterthüre, UM
ihre Stücke auf die Bühne zu bringen. Wenn nämlich ein junger Au¬
tor ein Trauerspiel verfertigt hatte, für welches er Herrn Löwe zu in-
teressiren wünschte, so unterließ er es nicht, ihm irgend einen Floh oder
eine andere kostbare Mücke in's Ohr zu setzen. 'Die Briefe, die bei sol¬
cher Gelegenheit geschrieben wurden, gäben an und für sich eine vortreff¬
liche Sammlung. "Beiliegend wage ich es, Euer Wohlgeboren eine sehr
seltene Wanze und meine neueste Tragödie zu übersenden, sie hat sechs¬
füßige Jamben) die Tragödie nämlich; denn die Wanze hat ihrer
weit mehr. Ich glaube, sie wird Ihnen Freude machen die Wanze
nämlich -- und Ihr schöpferischer Geist wird in dieser Rolle (der Tra¬
gödie) neue Triumphe feiern. Ich habe Sie dabei immer vor Augen
gehabt, (bei der Wanze oder bei der Tragödie?) und ich hoffe, Sie
werden ihr Schutzgeist und Taufpathe sein." ?c. Solche Briefchen unter¬
lassen denn nicht, einen sehr wohlthätigen Einfluß auf die Seele des
großen Schauspielers auszuüben, welcher nicht nur sür das Große, son¬
dern auch für das Kleine Begeisterung hat. Oftmals spricht Herr
Löwe mit Enthusiasmus von einem Stücke, welches jeder andere ver¬
nünftige Mensch als unter aller Kritik erklärt. Seine Collegen fragen
sich dann mit boshaftem Lächeln: Welch eine Mücke hat ihn nur wie¬
der gestochen?

In neuerer Zeit hat Herr Löwe seinen Mückenenthusiasmus aufge¬
geben, und sonderbarerweise sprechen die wiener Journale seitdem auch
weit weniger von den Schwingen seiner Phantasie.

Eine der gangbarsten Art von Sammlungen in Deutschland sind
die, Pfeifen-Cabmete. Die Nauchlust hat darum in Frankreich nicht nun
der zahlreiche Vertreter, und namentlich seit den letzten deutschen Krie¬
gen- hat sich das Vergnügen an schönen Pfeifenköpfen dort eben so fest-


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rung der Scene und der Personen. Jedes Jahr kömmt eine neue Lieb¬
haberei zu Tage. Voriges Jahr war er ganz Käfer, dieses Jahr ist er
ganz Autograph, und schon zeigen sich gefährliche Symptome, daß er
künftiges Jahr ganz Kupferstich sein wird. Am Längsten erhielt sich bei
ihm die Sympathie für Käfer; durch achte Jahre War seine Käfer¬
sammlung eine der berühmtesten. Er war ganz Fliegengott, und wenn
die wiener Theaterrecensenten von den Schwingen und Flügeln der Phan¬
tasie, über welche er gebietet/ sprechen mußten, so dachten sie mit heim¬
licher Bosheit an die Bremsen, Maikäfer und andere Flügelthiere dieser
Art, die er in seinem Besitze hatte. Für die wiener Theaterdichter war
diese schwache Seite des großen Mimen eine allerliebste Hinterthüre, UM
ihre Stücke auf die Bühne zu bringen. Wenn nämlich ein junger Au¬
tor ein Trauerspiel verfertigt hatte, für welches er Herrn Löwe zu in-
teressiren wünschte, so unterließ er es nicht, ihm irgend einen Floh oder
eine andere kostbare Mücke in's Ohr zu setzen. 'Die Briefe, die bei sol¬
cher Gelegenheit geschrieben wurden, gäben an und für sich eine vortreff¬
liche Sammlung. »Beiliegend wage ich es, Euer Wohlgeboren eine sehr
seltene Wanze und meine neueste Tragödie zu übersenden, sie hat sechs¬
füßige Jamben) die Tragödie nämlich; denn die Wanze hat ihrer
weit mehr. Ich glaube, sie wird Ihnen Freude machen die Wanze
nämlich — und Ihr schöpferischer Geist wird in dieser Rolle (der Tra¬
gödie) neue Triumphe feiern. Ich habe Sie dabei immer vor Augen
gehabt, (bei der Wanze oder bei der Tragödie?) und ich hoffe, Sie
werden ihr Schutzgeist und Taufpathe sein." ?c. Solche Briefchen unter¬
lassen denn nicht, einen sehr wohlthätigen Einfluß auf die Seele des
großen Schauspielers auszuüben, welcher nicht nur sür das Große, son¬
dern auch für das Kleine Begeisterung hat. Oftmals spricht Herr
Löwe mit Enthusiasmus von einem Stücke, welches jeder andere ver¬
nünftige Mensch als unter aller Kritik erklärt. Seine Collegen fragen
sich dann mit boshaftem Lächeln: Welch eine Mücke hat ihn nur wie¬
der gestochen?

In neuerer Zeit hat Herr Löwe seinen Mückenenthusiasmus aufge¬
geben, und sonderbarerweise sprechen die wiener Journale seitdem auch
weit weniger von den Schwingen seiner Phantasie.

Eine der gangbarsten Art von Sammlungen in Deutschland sind
die, Pfeifen-Cabmete. Die Nauchlust hat darum in Frankreich nicht nun
der zahlreiche Vertreter, und namentlich seit den letzten deutschen Krie¬
gen- hat sich das Vergnügen an schönen Pfeifenköpfen dort eben so fest-


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[0212] rung der Scene und der Personen. Jedes Jahr kömmt eine neue Lieb¬ haberei zu Tage. Voriges Jahr war er ganz Käfer, dieses Jahr ist er ganz Autograph, und schon zeigen sich gefährliche Symptome, daß er künftiges Jahr ganz Kupferstich sein wird. Am Längsten erhielt sich bei ihm die Sympathie für Käfer; durch achte Jahre War seine Käfer¬ sammlung eine der berühmtesten. Er war ganz Fliegengott, und wenn die wiener Theaterrecensenten von den Schwingen und Flügeln der Phan¬ tasie, über welche er gebietet/ sprechen mußten, so dachten sie mit heim¬ licher Bosheit an die Bremsen, Maikäfer und andere Flügelthiere dieser Art, die er in seinem Besitze hatte. Für die wiener Theaterdichter war diese schwache Seite des großen Mimen eine allerliebste Hinterthüre, UM ihre Stücke auf die Bühne zu bringen. Wenn nämlich ein junger Au¬ tor ein Trauerspiel verfertigt hatte, für welches er Herrn Löwe zu in- teressiren wünschte, so unterließ er es nicht, ihm irgend einen Floh oder eine andere kostbare Mücke in's Ohr zu setzen. 'Die Briefe, die bei sol¬ cher Gelegenheit geschrieben wurden, gäben an und für sich eine vortreff¬ liche Sammlung. »Beiliegend wage ich es, Euer Wohlgeboren eine sehr seltene Wanze und meine neueste Tragödie zu übersenden, sie hat sechs¬ füßige Jamben) die Tragödie nämlich; denn die Wanze hat ihrer weit mehr. Ich glaube, sie wird Ihnen Freude machen die Wanze nämlich — und Ihr schöpferischer Geist wird in dieser Rolle (der Tra¬ gödie) neue Triumphe feiern. Ich habe Sie dabei immer vor Augen gehabt, (bei der Wanze oder bei der Tragödie?) und ich hoffe, Sie werden ihr Schutzgeist und Taufpathe sein." ?c. Solche Briefchen unter¬ lassen denn nicht, einen sehr wohlthätigen Einfluß auf die Seele des großen Schauspielers auszuüben, welcher nicht nur sür das Große, son¬ dern auch für das Kleine Begeisterung hat. Oftmals spricht Herr Löwe mit Enthusiasmus von einem Stücke, welches jeder andere ver¬ nünftige Mensch als unter aller Kritik erklärt. Seine Collegen fragen sich dann mit boshaftem Lächeln: Welch eine Mücke hat ihn nur wie¬ der gestochen? In neuerer Zeit hat Herr Löwe seinen Mückenenthusiasmus aufge¬ geben, und sonderbarerweise sprechen die wiener Journale seitdem auch weit weniger von den Schwingen seiner Phantasie. Eine der gangbarsten Art von Sammlungen in Deutschland sind die, Pfeifen-Cabmete. Die Nauchlust hat darum in Frankreich nicht nun der zahlreiche Vertreter, und namentlich seit den letzten deutschen Krie¬ gen- hat sich das Vergnügen an schönen Pfeifenköpfen dort eben so fest- 30

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/212>, abgerufen am 23.07.2024.