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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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"n solcher Kampf der Eigenliebe nun einmal entbrannt ist, so kann
man nie sein Aufhören vorausbestimmen. So' kam es daher bald, daß
Verse von Lord Byron, Unterschriften von Cooper, Walter Scott,
Göthe, Humbold, Lamartine, Meyerbeer, Victor Hugo nicht mehr genüg¬
ten; das' Album wurde zu einer Sammlung von Zeichnungen, Skiz¬
zen, Aquarellgemälden, welche erst Freunde lieferten, und die man spä¬
ter von Kaufleuten erhandelte, die man am Allerhäusigsten aber durch
Zudringlichkeit der sorglosen Großmuth der- Künstler entrissen hatte.

Die Künstler machten damals im Allgemeinen gute Geschäfte, und
zwar aus dem ganz einfachen Grunde, weil ihrer etwa zwanzig Mal
weniger waren, als heute; sie ließen sich daher Anfangs diese Plünde¬
rung, die man gegen sie organisirt hatte, gefallen. Da aber der Ge"
Schmack an Albums sich immer mehr ausbreitete, so machten auch hierin
die Künstler ihre Schule. Es war natürlich etwas sehr Angenehmes
für sie, zu erfahren, daß eine Zeichnung von 3-^-4 Zoll Ausdehnung,
die sie freigebig verschenkt hatten, für mehrere hundert Francs verkauft,
und zwei Tage darauf, nicht ohne bedeutenden Nutzen für den ersten Käu¬
fer, wieder verhandelt worden war. Ihre Eigenliebe als Künstler fand
ihre Rechnung darin, daß der Preis ihrer kleinen Arbeiten sorgfältig,
wie auf der Börse, notirt wurde: sie aber aber auch bald ein, daß
ihnen von Rechtswegen ein bedeutender Theil' dieses durch einen scham¬
losen Schacher erworbenen Gewinns zukäme. Seitdem verkauften sie
das, waS sie früher verschenkt hatten. Nun mußte man Feinheiten
brauchen; man nahm zu allen nur erdenklichen Mitteln seine Zuflucht,
um'Zeichnungen zu erhalten, ohne sich den Bedingungen der Geldtare
zu unterwerfen. Man kam auf den Einfall, Diners zu geben. Dieje¬
nigen Maler, deren Namen im Album noch fehlten, lud man ein oder
ließ sie durch gemeinschaftliche Freunde bei sich einführen, und beim Des¬
sert schickte sich die Frau vom Hause an, ihre Kosten wicdereinzutreiben,
indem sie ihre Augen die Runde um die Tafel machen ließ, und mit
ausgesuchter Höflichkeit den Preis des Diner'S, das man eben genossen
hatte, verlangte. Man ging in den Salon, wo der Kaffee servirt war,
und wo der Künstler auf einem großen runden, hellbelcuchteten Tisch
aufgespanntes Zeichenpapicr fand, Bleistift, schwarze Kreide, Pinsel,
Sepia, Tuschen und Alles, was sonst noch nöthig war, um ein Blatt
im Album auszufüllen. Einem solchen Hinterhalt zu entgehen', war sehr
schwer. Ja, die Künstler wurden sogar auf'S Land, in entfernte De¬
partements, in die Fremde eingeladen, und ihnen dabei natürlich die


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«n solcher Kampf der Eigenliebe nun einmal entbrannt ist, so kann
man nie sein Aufhören vorausbestimmen. So' kam es daher bald, daß
Verse von Lord Byron, Unterschriften von Cooper, Walter Scott,
Göthe, Humbold, Lamartine, Meyerbeer, Victor Hugo nicht mehr genüg¬
ten; das' Album wurde zu einer Sammlung von Zeichnungen, Skiz¬
zen, Aquarellgemälden, welche erst Freunde lieferten, und die man spä¬
ter von Kaufleuten erhandelte, die man am Allerhäusigsten aber durch
Zudringlichkeit der sorglosen Großmuth der- Künstler entrissen hatte.

Die Künstler machten damals im Allgemeinen gute Geschäfte, und
zwar aus dem ganz einfachen Grunde, weil ihrer etwa zwanzig Mal
weniger waren, als heute; sie ließen sich daher Anfangs diese Plünde¬
rung, die man gegen sie organisirt hatte, gefallen. Da aber der Ge«
Schmack an Albums sich immer mehr ausbreitete, so machten auch hierin
die Künstler ihre Schule. Es war natürlich etwas sehr Angenehmes
für sie, zu erfahren, daß eine Zeichnung von 3-^-4 Zoll Ausdehnung,
die sie freigebig verschenkt hatten, für mehrere hundert Francs verkauft,
und zwei Tage darauf, nicht ohne bedeutenden Nutzen für den ersten Käu¬
fer, wieder verhandelt worden war. Ihre Eigenliebe als Künstler fand
ihre Rechnung darin, daß der Preis ihrer kleinen Arbeiten sorgfältig,
wie auf der Börse, notirt wurde: sie aber aber auch bald ein, daß
ihnen von Rechtswegen ein bedeutender Theil' dieses durch einen scham¬
losen Schacher erworbenen Gewinns zukäme. Seitdem verkauften sie
das, waS sie früher verschenkt hatten. Nun mußte man Feinheiten
brauchen; man nahm zu allen nur erdenklichen Mitteln seine Zuflucht,
um'Zeichnungen zu erhalten, ohne sich den Bedingungen der Geldtare
zu unterwerfen. Man kam auf den Einfall, Diners zu geben. Dieje¬
nigen Maler, deren Namen im Album noch fehlten, lud man ein oder
ließ sie durch gemeinschaftliche Freunde bei sich einführen, und beim Des¬
sert schickte sich die Frau vom Hause an, ihre Kosten wicdereinzutreiben,
indem sie ihre Augen die Runde um die Tafel machen ließ, und mit
ausgesuchter Höflichkeit den Preis des Diner'S, das man eben genossen
hatte, verlangte. Man ging in den Salon, wo der Kaffee servirt war,
und wo der Künstler auf einem großen runden, hellbelcuchteten Tisch
aufgespanntes Zeichenpapicr fand, Bleistift, schwarze Kreide, Pinsel,
Sepia, Tuschen und Alles, was sonst noch nöthig war, um ein Blatt
im Album auszufüllen. Einem solchen Hinterhalt zu entgehen', war sehr
schwer. Ja, die Künstler wurden sogar auf'S Land, in entfernte De¬
partements, in die Fremde eingeladen, und ihnen dabei natürlich die


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[0206] «n solcher Kampf der Eigenliebe nun einmal entbrannt ist, so kann man nie sein Aufhören vorausbestimmen. So' kam es daher bald, daß Verse von Lord Byron, Unterschriften von Cooper, Walter Scott, Göthe, Humbold, Lamartine, Meyerbeer, Victor Hugo nicht mehr genüg¬ ten; das' Album wurde zu einer Sammlung von Zeichnungen, Skiz¬ zen, Aquarellgemälden, welche erst Freunde lieferten, und die man spä¬ ter von Kaufleuten erhandelte, die man am Allerhäusigsten aber durch Zudringlichkeit der sorglosen Großmuth der- Künstler entrissen hatte. Die Künstler machten damals im Allgemeinen gute Geschäfte, und zwar aus dem ganz einfachen Grunde, weil ihrer etwa zwanzig Mal weniger waren, als heute; sie ließen sich daher Anfangs diese Plünde¬ rung, die man gegen sie organisirt hatte, gefallen. Da aber der Ge« Schmack an Albums sich immer mehr ausbreitete, so machten auch hierin die Künstler ihre Schule. Es war natürlich etwas sehr Angenehmes für sie, zu erfahren, daß eine Zeichnung von 3-^-4 Zoll Ausdehnung, die sie freigebig verschenkt hatten, für mehrere hundert Francs verkauft, und zwei Tage darauf, nicht ohne bedeutenden Nutzen für den ersten Käu¬ fer, wieder verhandelt worden war. Ihre Eigenliebe als Künstler fand ihre Rechnung darin, daß der Preis ihrer kleinen Arbeiten sorgfältig, wie auf der Börse, notirt wurde: sie aber aber auch bald ein, daß ihnen von Rechtswegen ein bedeutender Theil' dieses durch einen scham¬ losen Schacher erworbenen Gewinns zukäme. Seitdem verkauften sie das, waS sie früher verschenkt hatten. Nun mußte man Feinheiten brauchen; man nahm zu allen nur erdenklichen Mitteln seine Zuflucht, um'Zeichnungen zu erhalten, ohne sich den Bedingungen der Geldtare zu unterwerfen. Man kam auf den Einfall, Diners zu geben. Dieje¬ nigen Maler, deren Namen im Album noch fehlten, lud man ein oder ließ sie durch gemeinschaftliche Freunde bei sich einführen, und beim Des¬ sert schickte sich die Frau vom Hause an, ihre Kosten wicdereinzutreiben, indem sie ihre Augen die Runde um die Tafel machen ließ, und mit ausgesuchter Höflichkeit den Preis des Diner'S, das man eben genossen hatte, verlangte. Man ging in den Salon, wo der Kaffee servirt war, und wo der Künstler auf einem großen runden, hellbelcuchteten Tisch aufgespanntes Zeichenpapicr fand, Bleistift, schwarze Kreide, Pinsel, Sepia, Tuschen und Alles, was sonst noch nöthig war, um ein Blatt im Album auszufüllen. Einem solchen Hinterhalt zu entgehen', war sehr schwer. Ja, die Künstler wurden sogar auf'S Land, in entfernte De¬ partements, in die Fremde eingeladen, und ihnen dabei natürlich die M

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/206>, abgerufen am 22.12.2024.