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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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wuchs einheimischer Officiere heran, für die^gesorgt werden mußte. Die
Negierung entschloß sich daher die Offfciere, die temporär in belgische
Dienste getreten waren, zu entlassen, eine Maaßregel, an welcher der
Kriegsminister General Buzen natürlicherweise den größten Antheil hatte.
Daß dieses ihm Feinde erweckte, war leicht vorauszusehen, aber die Zahl
derselben vervielfachte sich noch außerdem durch die energischen admini¬
strativen Maaßregeln, welche dieser Minister im Finanzwesen der Armee
getroffen. Durch die Ereignisse des Jahres 1333, die Luxemburger An¬
gelegenheit, wo man die Armee wieder auf den Kriegsfuß stellte, hatten
sich ungeheure Mißbräuche eingeschlichen; viele Officiere und Kriegsbe¬
amte bezogen Summen und Gratifikationen für Dinge, die dem Staate
nicht zukamen; allerlei Schacher und Schmuggeleien wurden entdeckt und
die Geradheit und Energie des General Buzcn räumte tüchtig auf. Was
Wunder, daß Rache und Heimtücke sich die Hände reichten und zu den
frechsten Mitteln griffen. Nun, da die Ehre des unglücklichen Ministers
durch die Documente des Herrn Gerard völlig rehabilitirt ist, nun frägt
man sich freilich: Warum hat er Hand an sich gelegt? - Und wieder
sucht man nach vagen Ursachen und gemeinen Gründen und zwinkert mit
den Augen und wiegt pfiffig den Kopf. Aber auf den Gedanken kommt
keiner von ihnen, daß dem edlen gradfinnigen Manne der Ekel überkam
vor all diesem Treiben, vor all diesen Gemeinheiten, vor diesem Pfuhl
niedriger Interessen; sie begreifen nicht, daß es Momente giebt, wo ein
hochherziger Mensch zu sich selber sagt: besser sterben, als in solchem-
Treiben zu leben. Einer solchen Aufwallung -ist der General Buzcn un¬
terlegen. Sucht keine gemeine materiellen Motive für seine That, sucht,
lieber psychologische, moralische. Aber Ihr habt kein Verständniß für
Naturen, die nicht in einer Reihe mit Euch fitzen

Wahrlich, indem wir das Treiben der letzten vier Wochen überschauen,
die Luft, mit welcher man die Calonmie betrieb und aufnahm, die abscheuliche
Art, mit welcher ein Theil der Presse sie ausbeutete, die Indifferenz gegen den
guten Namen des Landes, den Mangel an moralischem Glauben -- da über¬
schleicht uns eine Unbehaglichkeit und ein Widerwille, der uns leicht ver¬
führen könnte, in einem Tone zu sprechen, welcher der Tendenz dieser Blätter,
die Belgien von seiner günstigen Seite zeigen wollen, zuwider tiefe. Wir wol¬
len die Geschichte der letzten 4Woch?n lieber nicht aufrütteln und einen Schleier
über die Scenen fallen lassen, welche das Licht der Kritik nicht ertragen.




wuchs einheimischer Officiere heran, für die^gesorgt werden mußte. Die
Negierung entschloß sich daher die Offfciere, die temporär in belgische
Dienste getreten waren, zu entlassen, eine Maaßregel, an welcher der
Kriegsminister General Buzen natürlicherweise den größten Antheil hatte.
Daß dieses ihm Feinde erweckte, war leicht vorauszusehen, aber die Zahl
derselben vervielfachte sich noch außerdem durch die energischen admini¬
strativen Maaßregeln, welche dieser Minister im Finanzwesen der Armee
getroffen. Durch die Ereignisse des Jahres 1333, die Luxemburger An¬
gelegenheit, wo man die Armee wieder auf den Kriegsfuß stellte, hatten
sich ungeheure Mißbräuche eingeschlichen; viele Officiere und Kriegsbe¬
amte bezogen Summen und Gratifikationen für Dinge, die dem Staate
nicht zukamen; allerlei Schacher und Schmuggeleien wurden entdeckt und
die Geradheit und Energie des General Buzcn räumte tüchtig auf. Was
Wunder, daß Rache und Heimtücke sich die Hände reichten und zu den
frechsten Mitteln griffen. Nun, da die Ehre des unglücklichen Ministers
durch die Documente des Herrn Gerard völlig rehabilitirt ist, nun frägt
man sich freilich: Warum hat er Hand an sich gelegt? - Und wieder
sucht man nach vagen Ursachen und gemeinen Gründen und zwinkert mit
den Augen und wiegt pfiffig den Kopf. Aber auf den Gedanken kommt
keiner von ihnen, daß dem edlen gradfinnigen Manne der Ekel überkam
vor all diesem Treiben, vor all diesen Gemeinheiten, vor diesem Pfuhl
niedriger Interessen; sie begreifen nicht, daß es Momente giebt, wo ein
hochherziger Mensch zu sich selber sagt: besser sterben, als in solchem-
Treiben zu leben. Einer solchen Aufwallung -ist der General Buzcn un¬
terlegen. Sucht keine gemeine materiellen Motive für seine That, sucht,
lieber psychologische, moralische. Aber Ihr habt kein Verständniß für
Naturen, die nicht in einer Reihe mit Euch fitzen

Wahrlich, indem wir das Treiben der letzten vier Wochen überschauen,
die Luft, mit welcher man die Calonmie betrieb und aufnahm, die abscheuliche
Art, mit welcher ein Theil der Presse sie ausbeutete, die Indifferenz gegen den
guten Namen des Landes, den Mangel an moralischem Glauben — da über¬
schleicht uns eine Unbehaglichkeit und ein Widerwille, der uns leicht ver¬
führen könnte, in einem Tone zu sprechen, welcher der Tendenz dieser Blätter,
die Belgien von seiner günstigen Seite zeigen wollen, zuwider tiefe. Wir wol¬
len die Geschichte der letzten 4Woch?n lieber nicht aufrütteln und einen Schleier
über die Scenen fallen lassen, welche das Licht der Kritik nicht ertragen.




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[0195] wuchs einheimischer Officiere heran, für die^gesorgt werden mußte. Die Negierung entschloß sich daher die Offfciere, die temporär in belgische Dienste getreten waren, zu entlassen, eine Maaßregel, an welcher der Kriegsminister General Buzen natürlicherweise den größten Antheil hatte. Daß dieses ihm Feinde erweckte, war leicht vorauszusehen, aber die Zahl derselben vervielfachte sich noch außerdem durch die energischen admini¬ strativen Maaßregeln, welche dieser Minister im Finanzwesen der Armee getroffen. Durch die Ereignisse des Jahres 1333, die Luxemburger An¬ gelegenheit, wo man die Armee wieder auf den Kriegsfuß stellte, hatten sich ungeheure Mißbräuche eingeschlichen; viele Officiere und Kriegsbe¬ amte bezogen Summen und Gratifikationen für Dinge, die dem Staate nicht zukamen; allerlei Schacher und Schmuggeleien wurden entdeckt und die Geradheit und Energie des General Buzcn räumte tüchtig auf. Was Wunder, daß Rache und Heimtücke sich die Hände reichten und zu den frechsten Mitteln griffen. Nun, da die Ehre des unglücklichen Ministers durch die Documente des Herrn Gerard völlig rehabilitirt ist, nun frägt man sich freilich: Warum hat er Hand an sich gelegt? - Und wieder sucht man nach vagen Ursachen und gemeinen Gründen und zwinkert mit den Augen und wiegt pfiffig den Kopf. Aber auf den Gedanken kommt keiner von ihnen, daß dem edlen gradfinnigen Manne der Ekel überkam vor all diesem Treiben, vor all diesen Gemeinheiten, vor diesem Pfuhl niedriger Interessen; sie begreifen nicht, daß es Momente giebt, wo ein hochherziger Mensch zu sich selber sagt: besser sterben, als in solchem- Treiben zu leben. Einer solchen Aufwallung -ist der General Buzcn un¬ terlegen. Sucht keine gemeine materiellen Motive für seine That, sucht, lieber psychologische, moralische. Aber Ihr habt kein Verständniß für Naturen, die nicht in einer Reihe mit Euch fitzen Wahrlich, indem wir das Treiben der letzten vier Wochen überschauen, die Luft, mit welcher man die Calonmie betrieb und aufnahm, die abscheuliche Art, mit welcher ein Theil der Presse sie ausbeutete, die Indifferenz gegen den guten Namen des Landes, den Mangel an moralischem Glauben — da über¬ schleicht uns eine Unbehaglichkeit und ein Widerwille, der uns leicht ver¬ führen könnte, in einem Tone zu sprechen, welcher der Tendenz dieser Blätter, die Belgien von seiner günstigen Seite zeigen wollen, zuwider tiefe. Wir wol¬ len die Geschichte der letzten 4Woch?n lieber nicht aufrütteln und einen Schleier über die Scenen fallen lassen, welche das Licht der Kritik nicht ertragen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/195>, abgerufen am 30.06.2024.