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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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freundlich und friedlich das prächtige Mahl. Ein Diener tritt in's
Zimmer und flüstert heimliche Botschaft dem Herrn in das Ohr. Der
König entfärbt sich, aber seine Diener merken nichts. Immer fröhlicher
klingen die Becher, immer lauter donet das Wort. -- Drunten aber
durch die Stadt wälzt sich eine dumpfe Kunde. Das Volk tritt zu¬
sammen, die Soldaten versammeln sich zu Haufen. Der Feldherr ist
todt, er hat die Hand an sich selbst gelegt und sein rothes Blut be¬
spritzte die Wände seines HcinseS. --

Warum? Weshalb? tönen tausend Stimmen; durch die Stra¬
ßen zieht die Menge, wie der Chorus der Griechen! und doch spielt die
Tragödie nicht in Athen und nicht in Sparta, sondern in Brüssel, in
der positivsten, materiellsten und praktischsten Stadt der modernen Welt.

Wir brauchen wohl keinem unserer Leser erst zu sagen, daß wir
hier von dem unglücklichen General Buzen sprechen, der in demselben
Augenblicke, wo der preußische Souverain in dem Schlosse von Laeken
zu Gaste saß, in einem Gemache seines Gartenhauses sich eine Kugel
durch den Kopf jagte.

Lassen Sie uns vor Allem einen Cppressenkranz auf das Grab
des edlen Mannes legen, den wir persönlich gekannt, und der eine un¬
auslöschliche Hochachtung und Erinnerung zurückgelassen.

Der General Buzen war ein Mann von einigen fünfzig Jahren.
Ein robuster Körper mit sanften Augen, rauh und kurz in der Aeuße¬
rung, aber mild und wohlwollend in seinem Inneren. Er soll ein guter
Soldat, und namentlich ein guter Administratcur gewesen sein. Mag
sein; wir verstehen nichts davon. Was wir von ihm sagen können,
ist, daß er ein begeisterter Freund der Wissenschaft und ein großer Ken-
ner der alten Sprachen war, daß er ebenso guil Musterung über seine
große und ausgewählte Büchersammlung, als über seine Soldaten hielt,
daß er stundenlang über die dunkele Stelle irgend eines Classikers dis-
cutiren konnte, und selbst zur Zeit der stürmischsten Kammersitzungcn
immer noch einige Stunden des Tags seinen Privatstudien widmete.
Wahrlich, ein seltenes Beispiel eines Kriegsministers. Was ihn aber
uns persönlich noch werther machte, das war seine Vorliebe für Deutsch¬
land, die in Bezug auf unsere Sprache und Literatur bis zur Begei¬
sterung sich verstieg. Kein deutscher Classiker fehlte in seiner Biblio¬
thek; kein deutscher Gelehrte von irgend einer Bedeutung, von nahe
und ferne, der nicht in seinem Hause die freundlichste Aufnahme fand.
Als Flamänder war ihm das Deutsche erleichtert, und als langjähriger


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freundlich und friedlich das prächtige Mahl. Ein Diener tritt in's
Zimmer und flüstert heimliche Botschaft dem Herrn in das Ohr. Der
König entfärbt sich, aber seine Diener merken nichts. Immer fröhlicher
klingen die Becher, immer lauter donet das Wort. — Drunten aber
durch die Stadt wälzt sich eine dumpfe Kunde. Das Volk tritt zu¬
sammen, die Soldaten versammeln sich zu Haufen. Der Feldherr ist
todt, er hat die Hand an sich selbst gelegt und sein rothes Blut be¬
spritzte die Wände seines HcinseS. —

Warum? Weshalb? tönen tausend Stimmen; durch die Stra¬
ßen zieht die Menge, wie der Chorus der Griechen! und doch spielt die
Tragödie nicht in Athen und nicht in Sparta, sondern in Brüssel, in
der positivsten, materiellsten und praktischsten Stadt der modernen Welt.

Wir brauchen wohl keinem unserer Leser erst zu sagen, daß wir
hier von dem unglücklichen General Buzen sprechen, der in demselben
Augenblicke, wo der preußische Souverain in dem Schlosse von Laeken
zu Gaste saß, in einem Gemache seines Gartenhauses sich eine Kugel
durch den Kopf jagte.

Lassen Sie uns vor Allem einen Cppressenkranz auf das Grab
des edlen Mannes legen, den wir persönlich gekannt, und der eine un¬
auslöschliche Hochachtung und Erinnerung zurückgelassen.

Der General Buzen war ein Mann von einigen fünfzig Jahren.
Ein robuster Körper mit sanften Augen, rauh und kurz in der Aeuße¬
rung, aber mild und wohlwollend in seinem Inneren. Er soll ein guter
Soldat, und namentlich ein guter Administratcur gewesen sein. Mag
sein; wir verstehen nichts davon. Was wir von ihm sagen können,
ist, daß er ein begeisterter Freund der Wissenschaft und ein großer Ken-
ner der alten Sprachen war, daß er ebenso guil Musterung über seine
große und ausgewählte Büchersammlung, als über seine Soldaten hielt,
daß er stundenlang über die dunkele Stelle irgend eines Classikers dis-
cutiren konnte, und selbst zur Zeit der stürmischsten Kammersitzungcn
immer noch einige Stunden des Tags seinen Privatstudien widmete.
Wahrlich, ein seltenes Beispiel eines Kriegsministers. Was ihn aber
uns persönlich noch werther machte, das war seine Vorliebe für Deutsch¬
land, die in Bezug auf unsere Sprache und Literatur bis zur Begei¬
sterung sich verstieg. Kein deutscher Classiker fehlte in seiner Biblio¬
thek; kein deutscher Gelehrte von irgend einer Bedeutung, von nahe
und ferne, der nicht in seinem Hause die freundlichste Aufnahme fand.
Als Flamänder war ihm das Deutsche erleichtert, und als langjähriger


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[0192] freundlich und friedlich das prächtige Mahl. Ein Diener tritt in's Zimmer und flüstert heimliche Botschaft dem Herrn in das Ohr. Der König entfärbt sich, aber seine Diener merken nichts. Immer fröhlicher klingen die Becher, immer lauter donet das Wort. — Drunten aber durch die Stadt wälzt sich eine dumpfe Kunde. Das Volk tritt zu¬ sammen, die Soldaten versammeln sich zu Haufen. Der Feldherr ist todt, er hat die Hand an sich selbst gelegt und sein rothes Blut be¬ spritzte die Wände seines HcinseS. — Warum? Weshalb? tönen tausend Stimmen; durch die Stra¬ ßen zieht die Menge, wie der Chorus der Griechen! und doch spielt die Tragödie nicht in Athen und nicht in Sparta, sondern in Brüssel, in der positivsten, materiellsten und praktischsten Stadt der modernen Welt. Wir brauchen wohl keinem unserer Leser erst zu sagen, daß wir hier von dem unglücklichen General Buzen sprechen, der in demselben Augenblicke, wo der preußische Souverain in dem Schlosse von Laeken zu Gaste saß, in einem Gemache seines Gartenhauses sich eine Kugel durch den Kopf jagte. Lassen Sie uns vor Allem einen Cppressenkranz auf das Grab des edlen Mannes legen, den wir persönlich gekannt, und der eine un¬ auslöschliche Hochachtung und Erinnerung zurückgelassen. Der General Buzen war ein Mann von einigen fünfzig Jahren. Ein robuster Körper mit sanften Augen, rauh und kurz in der Aeuße¬ rung, aber mild und wohlwollend in seinem Inneren. Er soll ein guter Soldat, und namentlich ein guter Administratcur gewesen sein. Mag sein; wir verstehen nichts davon. Was wir von ihm sagen können, ist, daß er ein begeisterter Freund der Wissenschaft und ein großer Ken- ner der alten Sprachen war, daß er ebenso guil Musterung über seine große und ausgewählte Büchersammlung, als über seine Soldaten hielt, daß er stundenlang über die dunkele Stelle irgend eines Classikers dis- cutiren konnte, und selbst zur Zeit der stürmischsten Kammersitzungcn immer noch einige Stunden des Tags seinen Privatstudien widmete. Wahrlich, ein seltenes Beispiel eines Kriegsministers. Was ihn aber uns persönlich noch werther machte, das war seine Vorliebe für Deutsch¬ land, die in Bezug auf unsere Sprache und Literatur bis zur Begei¬ sterung sich verstieg. Kein deutscher Classiker fehlte in seiner Biblio¬ thek; kein deutscher Gelehrte von irgend einer Bedeutung, von nahe und ferne, der nicht in seinem Hause die freundlichste Aufnahme fand. Als Flamänder war ihm das Deutsche erleichtert, und als langjähriger 27"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/192>, abgerufen am 22.12.2024.