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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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.starKM. die Wagschaale legt-, :ein' hinlängliches Gegengewicht zum--Aus-
gleich, nur uns für den Haupthelden''und mit:'ihm Unpathetisch und
brüderlich zu stimmen. Allein seine spätere blöde'und blinde Wuth,
diese stierartigen Ausbrüche einer'verhängten/ wo nicht bormrten Seele5
diese Häßlichkeiten, des:'Geistes heben den Zusammenhang! zwischen ^'hin
und uns wieder ^auf, da'wir nur bei den Irrungen des >'geistig Edlen,
geistig 'Schonens als Brüder ' mitfühlen können. - :Die Shäkspearesche
Romantik hat viel Hinneigung zum' Häßlichen.- Nahm sie doch- ihre
Stoffe ans her Entartung einer seltsam verstrickten,, mit'dem Naturbe¬
dingungen des, ersten EristirenS ringenden, mittelalterlichen Menschenwelt.
Sie hat die,"häßlichen' Elemente in"Lustspielen zu'den glücklichsten' Effek¬
ten benutzt^ aber sehr häufig in unerquicklichen Wagnissen fehlgegriffen,
wo sie diese' Elemente zu tragischen Wirkungen' verwenden wollte. - Ich
brauche nur an die Scheußlichkeit des Timon, an die-elende Bestialität
der beiden - Töchter im Lear, zu erinnern, und es bedürfte fürwahr der
ganzen' glorreichen, Heiterkeit der classisch -gewiegten Goethescher Poesie,
um in deutscher .Literatur, jener/- in Shakspeare genährten Richtung nach
dem dämonisch Häßlichen ein wohlthuendes Gegengewicht zu geben.

, Doch,-ich muß einlenken, um auf Margg'raff's Mackel zukommen.
Kann das Element des-absolut'Häßlichen es'nicht bis zur idealen Höhe
tragischen , Interesses bringen, , so giebt es,-doch'für dasselbe zwei andere
Ma der Fassung, um es im Dichtwerk zum Mittelpunkt der- Theil¬
nahme zu macheu. Die Mßforrn des Individuums "kann- uns durch
die" Güte 'des Herzens, rühren. Oder sie erscheint in einer Beleuchtung,
wo' -sie ergötzlich ist ,- komisch wirkt., Oder -auch,, die ,Darstellung -macht-
es zu beiden Witkungen geschickt,, wie denn -der, kölnische-Roman'-es-sich
nicht: gern entgehen'läßt, an seinen: Figuren dies doppelte'Interesse zu
Pflegen.' Wie,Marggraff über/diesen Punkt denkt,- erfahren wir-aus,
einer statt Vorrede gegebenen-Anmerkung.' "Der Verfasser fühlt,": sagt
er witzig, /,wie gewagt es ist, einen häßlichen Menschen' zum, Mittel-
nnd Schwerpunkt eines, Buches zu machen, während sonst in unseren
Romanen' die,schönen'Menschen und , zwar in den ausgesuchtesten Exem¬
plaren dutzendweis feilgeboten' werden. 'Und doch liefert jeder Spazier-,
gang aussen belebtesten-Promenaden ,der belebtesten Städte den Beweis,^
daß die, schönen Häute-oder Schönhäute -- man verzeihe.diesen durch
das Analogon ,/Rothhäute" gerechtfertigten Ausdruckschwerlich, die
Majorität bilden, ,und man wird doch nicht' etwa behaupten wollen,-
daß'die Häßlichen von aller Romantik des Daseins ausgeschlossen wer-
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.starKM. die Wagschaale legt-, :ein' hinlängliches Gegengewicht zum--Aus-
gleich, nur uns für den Haupthelden''und mit:'ihm Unpathetisch und
brüderlich zu stimmen. Allein seine spätere blöde'und blinde Wuth,
diese stierartigen Ausbrüche einer'verhängten/ wo nicht bormrten Seele5
diese Häßlichkeiten, des:'Geistes heben den Zusammenhang! zwischen ^'hin
und uns wieder ^auf, da'wir nur bei den Irrungen des >'geistig Edlen,
geistig 'Schonens als Brüder ' mitfühlen können. - :Die Shäkspearesche
Romantik hat viel Hinneigung zum' Häßlichen.- Nahm sie doch- ihre
Stoffe ans her Entartung einer seltsam verstrickten,, mit'dem Naturbe¬
dingungen des, ersten EristirenS ringenden, mittelalterlichen Menschenwelt.
Sie hat die,"häßlichen' Elemente in"Lustspielen zu'den glücklichsten' Effek¬
ten benutzt^ aber sehr häufig in unerquicklichen Wagnissen fehlgegriffen,
wo sie diese' Elemente zu tragischen Wirkungen' verwenden wollte. - Ich
brauche nur an die Scheußlichkeit des Timon, an die-elende Bestialität
der beiden - Töchter im Lear, zu erinnern, und es bedürfte fürwahr der
ganzen' glorreichen, Heiterkeit der classisch -gewiegten Goethescher Poesie,
um in deutscher .Literatur, jener/- in Shakspeare genährten Richtung nach
dem dämonisch Häßlichen ein wohlthuendes Gegengewicht zu geben.

, Doch,-ich muß einlenken, um auf Margg'raff's Mackel zukommen.
Kann das Element des-absolut'Häßlichen es'nicht bis zur idealen Höhe
tragischen , Interesses bringen, , so giebt es,-doch'für dasselbe zwei andere
Ma der Fassung, um es im Dichtwerk zum Mittelpunkt der- Theil¬
nahme zu macheu. Die Mßforrn des Individuums "kann- uns durch
die" Güte 'des Herzens, rühren. Oder sie erscheint in einer Beleuchtung,
wo' -sie ergötzlich ist ,- komisch wirkt., Oder -auch,, die ,Darstellung -macht-
es zu beiden Witkungen geschickt,, wie denn -der, kölnische-Roman'-es-sich
nicht: gern entgehen'läßt, an seinen: Figuren dies doppelte'Interesse zu
Pflegen.' Wie,Marggraff über/diesen Punkt denkt,- erfahren wir-aus,
einer statt Vorrede gegebenen-Anmerkung.' "Der Verfasser fühlt,": sagt
er witzig, /,wie gewagt es ist, einen häßlichen Menschen' zum, Mittel-
nnd Schwerpunkt eines, Buches zu machen, während sonst in unseren
Romanen' die,schönen'Menschen und , zwar in den ausgesuchtesten Exem¬
plaren dutzendweis feilgeboten' werden. 'Und doch liefert jeder Spazier-,
gang aussen belebtesten-Promenaden ,der belebtesten Städte den Beweis,^
daß die, schönen Häute-oder Schönhäute — man verzeihe.diesen durch
das Analogon ,/Rothhäute" gerechtfertigten Ausdruckschwerlich, die
Majorität bilden, ,und man wird doch nicht' etwa behaupten wollen,-
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/175>, abgerufen am 02.07.2024.