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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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mein bewundern, die aber für die Ausdrücke des Gefühls und des Ge->
müthlebcns/ nur einen sehr kargen, engen Raum besitzt. Der Verstands
und, nur der Verstand ist die Gottheit dieser Sprache;, und doch-ver-
langt auch.das Gefühl seine Rechte, es will gleich dem Verstände von
demselben Deputaten, von der Zunge, sich vertreten sehen. Allein,
Voltaire spricht: tons ce ^ni n'est, xas elaii^ n'est xas ki'-nchts.
-- Nun hat das Gemüth gar oft Regungen, die uns nicht im¬
mer klar werden; solche Gefühle erkennt die französische Sprache nicht
an. Vielleicht kömmt es daher, meine verehrten Hörer, daß man sich
im französischen Dictionnaire nach einer Uebersetzung des deutschen Wor¬
tes Gemüth vergebens umsieht! -- --




Nichten wir nun den Blick auf die deutsche Sprache. Auch hier
begegnen wir zwei Hauptmundarten, und wieder ist es eine südliche und
eine nördliche, welche sich gegenüberstehen. Was für die französische
Sprache die laoguo et'vo, das ist für uns die allemanische oder
schwäbische Mundart; was für Frankreich die IsuFn-z ä'oni, das ist
für uns das Sächsische, woraus das heutige Hochdeutsche sich gebil¬
det hat.

Auch für Deutschland war es die südliche Sprache in welcher die-
Troubadours oder die Minnesänger, wie sie bei uns hießen, ihre Lieder
dichtete?:. Als nämlich das Ritterthum und die fröhliche Kunst der pro-
venpalischen Dichter über ganz Europa sich auszubreiten begann, da war
es das glänzende Hoflager des schwäbischen Kaisers Friedrich Barba¬
rossa und in Wien an dem fröhlichen Hofe dex österreichischen Herzo¬
ge, wo die neuen Sitten und Dichtungen, die früheste Aufnahme und.
Nachfolge fanden. Eine unzählige Reihe von Rittern und Edlen wettei¬
ferten in der Kunst, das schönste Lied zur Ehre der Frauen und der
Liebe zu dichten und der Kaiser selbst stand an ihrer Spitze.

Die süddeutsche Mundart wurde sonnt der Mittelpunkt dieser neuen
auflebenden Cultur. Wer nur in Deutschland an dem neuen Bildungs¬
gange Theil nehmen wollte, der mußte sich der schwäbischen Mundart
bedienen.

Sogar Belgien, der Urstannn der nordischen Mundart, hat dem
süddeutschen Dialekt Tribut gezollt, und Herzog Johann von Brabant
ist einer der berühmtesten.Minnesänger gewesen.


mein bewundern, die aber für die Ausdrücke des Gefühls und des Ge->
müthlebcns/ nur einen sehr kargen, engen Raum besitzt. Der Verstands
und, nur der Verstand ist die Gottheit dieser Sprache;, und doch-ver-
langt auch.das Gefühl seine Rechte, es will gleich dem Verstände von
demselben Deputaten, von der Zunge, sich vertreten sehen. Allein,
Voltaire spricht: tons ce ^ni n'est, xas elaii^ n'est xas ki'-nchts.
— Nun hat das Gemüth gar oft Regungen, die uns nicht im¬
mer klar werden; solche Gefühle erkennt die französische Sprache nicht
an. Vielleicht kömmt es daher, meine verehrten Hörer, daß man sich
im französischen Dictionnaire nach einer Uebersetzung des deutschen Wor¬
tes Gemüth vergebens umsieht! — —




Nichten wir nun den Blick auf die deutsche Sprache. Auch hier
begegnen wir zwei Hauptmundarten, und wieder ist es eine südliche und
eine nördliche, welche sich gegenüberstehen. Was für die französische
Sprache die laoguo et'vo, das ist für uns die allemanische oder
schwäbische Mundart; was für Frankreich die IsuFn-z ä'oni, das ist
für uns das Sächsische, woraus das heutige Hochdeutsche sich gebil¬
det hat.

Auch für Deutschland war es die südliche Sprache in welcher die-
Troubadours oder die Minnesänger, wie sie bei uns hießen, ihre Lieder
dichtete?:. Als nämlich das Ritterthum und die fröhliche Kunst der pro-
venpalischen Dichter über ganz Europa sich auszubreiten begann, da war
es das glänzende Hoflager des schwäbischen Kaisers Friedrich Barba¬
rossa und in Wien an dem fröhlichen Hofe dex österreichischen Herzo¬
ge, wo die neuen Sitten und Dichtungen, die früheste Aufnahme und.
Nachfolge fanden. Eine unzählige Reihe von Rittern und Edlen wettei¬
ferten in der Kunst, das schönste Lied zur Ehre der Frauen und der
Liebe zu dichten und der Kaiser selbst stand an ihrer Spitze.

Die süddeutsche Mundart wurde sonnt der Mittelpunkt dieser neuen
auflebenden Cultur. Wer nur in Deutschland an dem neuen Bildungs¬
gange Theil nehmen wollte, der mußte sich der schwäbischen Mundart
bedienen.

Sogar Belgien, der Urstannn der nordischen Mundart, hat dem
süddeutschen Dialekt Tribut gezollt, und Herzog Johann von Brabant
ist einer der berühmtesten.Minnesänger gewesen.


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[0016] mein bewundern, die aber für die Ausdrücke des Gefühls und des Ge-> müthlebcns/ nur einen sehr kargen, engen Raum besitzt. Der Verstands und, nur der Verstand ist die Gottheit dieser Sprache;, und doch-ver- langt auch.das Gefühl seine Rechte, es will gleich dem Verstände von demselben Deputaten, von der Zunge, sich vertreten sehen. Allein, Voltaire spricht: tons ce ^ni n'est, xas elaii^ n'est xas ki'-nchts. — Nun hat das Gemüth gar oft Regungen, die uns nicht im¬ mer klar werden; solche Gefühle erkennt die französische Sprache nicht an. Vielleicht kömmt es daher, meine verehrten Hörer, daß man sich im französischen Dictionnaire nach einer Uebersetzung des deutschen Wor¬ tes Gemüth vergebens umsieht! — — Nichten wir nun den Blick auf die deutsche Sprache. Auch hier begegnen wir zwei Hauptmundarten, und wieder ist es eine südliche und eine nördliche, welche sich gegenüberstehen. Was für die französische Sprache die laoguo et'vo, das ist für uns die allemanische oder schwäbische Mundart; was für Frankreich die IsuFn-z ä'oni, das ist für uns das Sächsische, woraus das heutige Hochdeutsche sich gebil¬ det hat. Auch für Deutschland war es die südliche Sprache in welcher die- Troubadours oder die Minnesänger, wie sie bei uns hießen, ihre Lieder dichtete?:. Als nämlich das Ritterthum und die fröhliche Kunst der pro- venpalischen Dichter über ganz Europa sich auszubreiten begann, da war es das glänzende Hoflager des schwäbischen Kaisers Friedrich Barba¬ rossa und in Wien an dem fröhlichen Hofe dex österreichischen Herzo¬ ge, wo die neuen Sitten und Dichtungen, die früheste Aufnahme und. Nachfolge fanden. Eine unzählige Reihe von Rittern und Edlen wettei¬ ferten in der Kunst, das schönste Lied zur Ehre der Frauen und der Liebe zu dichten und der Kaiser selbst stand an ihrer Spitze. Die süddeutsche Mundart wurde sonnt der Mittelpunkt dieser neuen auflebenden Cultur. Wer nur in Deutschland an dem neuen Bildungs¬ gange Theil nehmen wollte, der mußte sich der schwäbischen Mundart bedienen. Sogar Belgien, der Urstannn der nordischen Mundart, hat dem süddeutschen Dialekt Tribut gezollt, und Herzog Johann von Brabant ist einer der berühmtesten.Minnesänger gewesen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/16>, abgerufen am 23.07.2024.