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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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Welche erfordert wirb, um vor Eraminatoren zu bestellen, die ans
allen Theilen des Landes zusammenberufen und alljährlich erneut
werden können. Daher greift er so gern nach dem Auskunftsmittel,
sich eine Masse Kenntnisse gedächtnißmäßig einzuprägen, worüber
freilich die wahre Frucht seiner Arbeit ohnfehlbar verscherzt wird.
Es ist schon oft von einer Umwandlung des Instituts der Prüfungs-
jurys die Rede gewesen, und es scheint, daß eine solche in Kurzem
zu Stande kommen wird. Jedenfalls verdient der Vorschlag Billi¬
gung, nur die letzten, sogenannten Doctoreramina den JuryS zu
übertragen, und alle frühern Prüfungen, die Kandidatur mit einge¬
schlossen, den vier Universitäten anheimzugeben. Dies würde ganz
mit der Bedeutung in Einklang sein, die wir überhaupt den StaatS-
jurys zuschreiben. Denn da der Unterricht freigegeben ist, so scheint
das Eingreifen des Staates erst für den Moment nothwendig, wo
der Studirende am Eingang in irgend einen gelehrten Beruf steht;
erst dann tritt für den Staat die Verpflichtung ein, über die Arbeit
und Fähigkeit Derer, die ins praktische Leben übertreten wollen, zu
entscheiden.

Wie nun der Staat durch die Prüfungsjurys die oberen Sphä¬
ren deS gestimmten Unterrichtswesens in eine directe Beziehung zu
der praktischen Welt bringt, so steht ihm auch noch eine andere
wichtige Funktion zu, die Lehranstalten nämlich in ihrem Wirken
sowohl unter einander als mit der Nation selbst in Berührung zu
setzen. Alle Anstalten, welcher Stufe sie auch angehören, weß Gei¬
stes und welcher Herkunft sie sein mögen, wirken innerhalb der
Nation und arbeiten für dieselbe. Lehre und Erziehung sind nie
bloße Privatsache. Daraus ergiebt sich die Forderung, daß sämmt¬
liche Anstalten sich zu einander versammeln und unter das Auge des
Volkes treten. Ohne Oeffentlichkeit würde der freie Unterricht der
sittlichen Haltung ermangeln. Als einen Anfang, dieses Ziel zu er¬
reichen, sehen wir die zuerst vor zwei Jahren eingerichteten öffent¬
lichen Preisbewerbungen an, durch welche die Jugend zu einem
edlen Wetteifer bet den großen Nationalfesten im Herbst in der
Hauptstadt zusammengerufen wird. Belgien ist das Land der Preis-
vcrtheilungen, der Feste für jederlei Kunst und Wissen. Das rühm¬
liche Ehrenzeichen des öffentlichen Lobes ziert jede Art von Verdienst.


Welche erfordert wirb, um vor Eraminatoren zu bestellen, die ans
allen Theilen des Landes zusammenberufen und alljährlich erneut
werden können. Daher greift er so gern nach dem Auskunftsmittel,
sich eine Masse Kenntnisse gedächtnißmäßig einzuprägen, worüber
freilich die wahre Frucht seiner Arbeit ohnfehlbar verscherzt wird.
Es ist schon oft von einer Umwandlung des Instituts der Prüfungs-
jurys die Rede gewesen, und es scheint, daß eine solche in Kurzem
zu Stande kommen wird. Jedenfalls verdient der Vorschlag Billi¬
gung, nur die letzten, sogenannten Doctoreramina den JuryS zu
übertragen, und alle frühern Prüfungen, die Kandidatur mit einge¬
schlossen, den vier Universitäten anheimzugeben. Dies würde ganz
mit der Bedeutung in Einklang sein, die wir überhaupt den StaatS-
jurys zuschreiben. Denn da der Unterricht freigegeben ist, so scheint
das Eingreifen des Staates erst für den Moment nothwendig, wo
der Studirende am Eingang in irgend einen gelehrten Beruf steht;
erst dann tritt für den Staat die Verpflichtung ein, über die Arbeit
und Fähigkeit Derer, die ins praktische Leben übertreten wollen, zu
entscheiden.

Wie nun der Staat durch die Prüfungsjurys die oberen Sphä¬
ren deS gestimmten Unterrichtswesens in eine directe Beziehung zu
der praktischen Welt bringt, so steht ihm auch noch eine andere
wichtige Funktion zu, die Lehranstalten nämlich in ihrem Wirken
sowohl unter einander als mit der Nation selbst in Berührung zu
setzen. Alle Anstalten, welcher Stufe sie auch angehören, weß Gei¬
stes und welcher Herkunft sie sein mögen, wirken innerhalb der
Nation und arbeiten für dieselbe. Lehre und Erziehung sind nie
bloße Privatsache. Daraus ergiebt sich die Forderung, daß sämmt¬
liche Anstalten sich zu einander versammeln und unter das Auge des
Volkes treten. Ohne Oeffentlichkeit würde der freie Unterricht der
sittlichen Haltung ermangeln. Als einen Anfang, dieses Ziel zu er¬
reichen, sehen wir die zuerst vor zwei Jahren eingerichteten öffent¬
lichen Preisbewerbungen an, durch welche die Jugend zu einem
edlen Wetteifer bet den großen Nationalfesten im Herbst in der
Hauptstadt zusammengerufen wird. Belgien ist das Land der Preis-
vcrtheilungen, der Feste für jederlei Kunst und Wissen. Das rühm¬
liche Ehrenzeichen des öffentlichen Lobes ziert jede Art von Verdienst.


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[0077] Welche erfordert wirb, um vor Eraminatoren zu bestellen, die ans allen Theilen des Landes zusammenberufen und alljährlich erneut werden können. Daher greift er so gern nach dem Auskunftsmittel, sich eine Masse Kenntnisse gedächtnißmäßig einzuprägen, worüber freilich die wahre Frucht seiner Arbeit ohnfehlbar verscherzt wird. Es ist schon oft von einer Umwandlung des Instituts der Prüfungs- jurys die Rede gewesen, und es scheint, daß eine solche in Kurzem zu Stande kommen wird. Jedenfalls verdient der Vorschlag Billi¬ gung, nur die letzten, sogenannten Doctoreramina den JuryS zu übertragen, und alle frühern Prüfungen, die Kandidatur mit einge¬ schlossen, den vier Universitäten anheimzugeben. Dies würde ganz mit der Bedeutung in Einklang sein, die wir überhaupt den StaatS- jurys zuschreiben. Denn da der Unterricht freigegeben ist, so scheint das Eingreifen des Staates erst für den Moment nothwendig, wo der Studirende am Eingang in irgend einen gelehrten Beruf steht; erst dann tritt für den Staat die Verpflichtung ein, über die Arbeit und Fähigkeit Derer, die ins praktische Leben übertreten wollen, zu entscheiden. Wie nun der Staat durch die Prüfungsjurys die oberen Sphä¬ ren deS gestimmten Unterrichtswesens in eine directe Beziehung zu der praktischen Welt bringt, so steht ihm auch noch eine andere wichtige Funktion zu, die Lehranstalten nämlich in ihrem Wirken sowohl unter einander als mit der Nation selbst in Berührung zu setzen. Alle Anstalten, welcher Stufe sie auch angehören, weß Gei¬ stes und welcher Herkunft sie sein mögen, wirken innerhalb der Nation und arbeiten für dieselbe. Lehre und Erziehung sind nie bloße Privatsache. Daraus ergiebt sich die Forderung, daß sämmt¬ liche Anstalten sich zu einander versammeln und unter das Auge des Volkes treten. Ohne Oeffentlichkeit würde der freie Unterricht der sittlichen Haltung ermangeln. Als einen Anfang, dieses Ziel zu er¬ reichen, sehen wir die zuerst vor zwei Jahren eingerichteten öffent¬ lichen Preisbewerbungen an, durch welche die Jugend zu einem edlen Wetteifer bet den großen Nationalfesten im Herbst in der Hauptstadt zusammengerufen wird. Belgien ist das Land der Preis- vcrtheilungen, der Feste für jederlei Kunst und Wissen. Das rühm¬ liche Ehrenzeichen des öffentlichen Lobes ziert jede Art von Verdienst.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/77>, abgerufen am 23.07.2024.