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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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im Volksunterrichte gegenwärtig eine merkliche Verbesserung gegen
die letzten Jahr/ vor dem Umsturz des holländischen Regiments ein¬
getreten ist.

Unter den allgemeinen Veranstaltungen, welche die Proclamation
5er Unterrichtsfreiheit herbeiführen mußte, und welche wir als die
.-igentliche Vollendung dieses Gesetzes ansehen, haben wir vor Allem
der öffentlichen Prüfungen vor den Jurys zu gedenken. Durch die
Eraminationsjury empfängt der Staat die Zöglinge der verschiedenen
Anstalten des Landes, der freien sowie der von der Negierung ab¬
hängigen, desgleichen die jungen Leute, welche durch Privatstudien
sich auf einen gelehrten Beruf vorbereitet haben. Indem die Jury
den Uebergang aus der Schule in die öffentliche Welt vermittelt,
muß sie ihrer Natur gemäß von den obersten politischen Gewalten
des Landes eingesetzt werden. Unter den Mitgliedern, deren sieben
eine Jury bilden, werden drei von der Regierung, zwei vom Senate
und zwei von der Repräsentantenkammer ernannt; jährlich finden
zwei Sitzungen statt, von denen jede vier bis sechs Wochen zu
dauern pflegt. Zwei Grade, die Candtdaiur und das Doctorat,
oder, nach deutscher Art zu reden, das letzte Staatseramen, werden
von besonderen Püfungsbehörden ertheilt; nur in den philosophischen
und allgemeinen Vorbereitungswissenschaften sind beide Grade der
nämlichen Jury anvertraut. Bloße Ehrendiplome, dergleichen die
Universitäten nach abgehaltenem Eramen oder wegen wissenschaftli¬
cher Auszeichnung ertheilen können, geben wie in Deutschland weder
Anspruch noch Vorrecht auf den Eintritt in eine öffentliche Carriere.
Man hat über die Zulänglichkeit und den Nutzen der PrüfungS-
jurys viel gestritten, und es ist nicht zu läugnen, daß allerlei Uebel¬
stände damit verbunden sind. Um das Eramen zu überwinden
und zwar so schnell als möglich, wirst sich der Studirende häufig
auf ein mechanisches Erlernen des Stoffs seiner Fächer. Die Era-
mina selbst bieten im Durchschnitt das Schauspiel eines gemessenen,
einförmigen Abfragens dar, ohne jenes Zutrauen, welches dem Era-
minanden sein Wissen vor dem Geiste gegenwärtig erhält. Um mit
Sicherheit angetreten zu werden, setzen diese Prüfungen voraus, daß
der Studirende sein Material selbständig beherrsche und es verstehe,
in verschiedenen Methoden und Ansichten sich schnell zu orientiren.
Nur mit den Jahren kann der Studirende die Gewandtheit erlangen,


im Volksunterrichte gegenwärtig eine merkliche Verbesserung gegen
die letzten Jahr/ vor dem Umsturz des holländischen Regiments ein¬
getreten ist.

Unter den allgemeinen Veranstaltungen, welche die Proclamation
5er Unterrichtsfreiheit herbeiführen mußte, und welche wir als die
.-igentliche Vollendung dieses Gesetzes ansehen, haben wir vor Allem
der öffentlichen Prüfungen vor den Jurys zu gedenken. Durch die
Eraminationsjury empfängt der Staat die Zöglinge der verschiedenen
Anstalten des Landes, der freien sowie der von der Negierung ab¬
hängigen, desgleichen die jungen Leute, welche durch Privatstudien
sich auf einen gelehrten Beruf vorbereitet haben. Indem die Jury
den Uebergang aus der Schule in die öffentliche Welt vermittelt,
muß sie ihrer Natur gemäß von den obersten politischen Gewalten
des Landes eingesetzt werden. Unter den Mitgliedern, deren sieben
eine Jury bilden, werden drei von der Regierung, zwei vom Senate
und zwei von der Repräsentantenkammer ernannt; jährlich finden
zwei Sitzungen statt, von denen jede vier bis sechs Wochen zu
dauern pflegt. Zwei Grade, die Candtdaiur und das Doctorat,
oder, nach deutscher Art zu reden, das letzte Staatseramen, werden
von besonderen Püfungsbehörden ertheilt; nur in den philosophischen
und allgemeinen Vorbereitungswissenschaften sind beide Grade der
nämlichen Jury anvertraut. Bloße Ehrendiplome, dergleichen die
Universitäten nach abgehaltenem Eramen oder wegen wissenschaftli¬
cher Auszeichnung ertheilen können, geben wie in Deutschland weder
Anspruch noch Vorrecht auf den Eintritt in eine öffentliche Carriere.
Man hat über die Zulänglichkeit und den Nutzen der PrüfungS-
jurys viel gestritten, und es ist nicht zu läugnen, daß allerlei Uebel¬
stände damit verbunden sind. Um das Eramen zu überwinden
und zwar so schnell als möglich, wirst sich der Studirende häufig
auf ein mechanisches Erlernen des Stoffs seiner Fächer. Die Era-
mina selbst bieten im Durchschnitt das Schauspiel eines gemessenen,
einförmigen Abfragens dar, ohne jenes Zutrauen, welches dem Era-
minanden sein Wissen vor dem Geiste gegenwärtig erhält. Um mit
Sicherheit angetreten zu werden, setzen diese Prüfungen voraus, daß
der Studirende sein Material selbständig beherrsche und es verstehe,
in verschiedenen Methoden und Ansichten sich schnell zu orientiren.
Nur mit den Jahren kann der Studirende die Gewandtheit erlangen,


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[0076] im Volksunterrichte gegenwärtig eine merkliche Verbesserung gegen die letzten Jahr/ vor dem Umsturz des holländischen Regiments ein¬ getreten ist. Unter den allgemeinen Veranstaltungen, welche die Proclamation 5er Unterrichtsfreiheit herbeiführen mußte, und welche wir als die .-igentliche Vollendung dieses Gesetzes ansehen, haben wir vor Allem der öffentlichen Prüfungen vor den Jurys zu gedenken. Durch die Eraminationsjury empfängt der Staat die Zöglinge der verschiedenen Anstalten des Landes, der freien sowie der von der Negierung ab¬ hängigen, desgleichen die jungen Leute, welche durch Privatstudien sich auf einen gelehrten Beruf vorbereitet haben. Indem die Jury den Uebergang aus der Schule in die öffentliche Welt vermittelt, muß sie ihrer Natur gemäß von den obersten politischen Gewalten des Landes eingesetzt werden. Unter den Mitgliedern, deren sieben eine Jury bilden, werden drei von der Regierung, zwei vom Senate und zwei von der Repräsentantenkammer ernannt; jährlich finden zwei Sitzungen statt, von denen jede vier bis sechs Wochen zu dauern pflegt. Zwei Grade, die Candtdaiur und das Doctorat, oder, nach deutscher Art zu reden, das letzte Staatseramen, werden von besonderen Püfungsbehörden ertheilt; nur in den philosophischen und allgemeinen Vorbereitungswissenschaften sind beide Grade der nämlichen Jury anvertraut. Bloße Ehrendiplome, dergleichen die Universitäten nach abgehaltenem Eramen oder wegen wissenschaftli¬ cher Auszeichnung ertheilen können, geben wie in Deutschland weder Anspruch noch Vorrecht auf den Eintritt in eine öffentliche Carriere. Man hat über die Zulänglichkeit und den Nutzen der PrüfungS- jurys viel gestritten, und es ist nicht zu läugnen, daß allerlei Uebel¬ stände damit verbunden sind. Um das Eramen zu überwinden und zwar so schnell als möglich, wirst sich der Studirende häufig auf ein mechanisches Erlernen des Stoffs seiner Fächer. Die Era- mina selbst bieten im Durchschnitt das Schauspiel eines gemessenen, einförmigen Abfragens dar, ohne jenes Zutrauen, welches dem Era- minanden sein Wissen vor dem Geiste gegenwärtig erhält. Um mit Sicherheit angetreten zu werden, setzen diese Prüfungen voraus, daß der Studirende sein Material selbständig beherrsche und es verstehe, in verschiedenen Methoden und Ansichten sich schnell zu orientiren. Nur mit den Jahren kann der Studirende die Gewandtheit erlangen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/76>, abgerufen am 23.07.2024.