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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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die cracker Wissenschaften. Diesem schmählichen Zustande hatten
zuerst die freien Universitäten abzuhelfen unternommen, die katholische
in Mecheln errichtete und bald nach! Löwen verlegte und die Brüsseler,
deren Gründung ein Werk der Liberalen ist. Ueber ein Jahr spä¬
ter wurden von Seiten des Staates die beiden Hochschulen in Lüttich
und Gertl) eingerichtet, die mit dem Anfange des Jahres 1836
ihre Arbeiten begannen; die alte Staatsuniversität in Löwen wurde
aufgehoben, um der katholischen Platz zu machen. Geht man die
Berichte durch, welche das Ministerium über die Universitäten in
Lüttich und Gent den Kammern seit 1837 jährlich vorgelegt har,
desgleichen die von der Administration der Brüsseler veröffentlichten
und die zwar spärlichen Notizen in den Jahrbüchern der katholischen
Universität, so ist es erfreulich, überall die Sorgfalt zu sehen, welche
auf alle Zweige des Unterrichts verwandt wird. Kaum geht ein
Jahr vorüber, ohne daß Verbesserungen, getroffen, die Lehrfächer
erweitert und die wissenschaftlichen Mittel vervollständigt wärein
Allein der Hauptgewinn der von vier Seiten her betriebenen Con-
currenz ist ohne Widerrede die Forderung des wissenschaftlichen Be¬
strebens, die vielfache Anregung der Studien und Methoden, wo¬
durch, wie zu hoffen ist, die belgischen Hochschulen vor dem Schicksale
der englischen, in denen der Unterricht im Ganzen und Großen sta¬
tionär wird, sich bewahren werden.

Hinsichtlich des Volksunterrichts haben wir schon erwähnt, daß
derselbe nach der Revolution in Verfall geriet!). Zufolge späterer
Kammerberichte stellt sich heraus, daß, wie die ConscrivtionSlisten
beweisen, in verschiedenen Provinzen bald ein Drittel, bald zwei
Fünftel, ja selbst mehr als die Hälfte der Militärpflichtiger ohne
alle Unterweisung geblieben waren. Seit der Neugestaltung der
Gemeinde- und Provinzialverfassung von 1835 hat die Negierung
planmäßig ihren Einfluß auf die Volks- und Gelehrtenschulen immer
weiter ausgedehnt, indem sie bei einer großen Anzahl derselben durch
Bewilligung eines Subsidiumö und in Folge einer darauf gegrün¬
deten Uebereinkunft sich daS Recht der Inspection, der Anordnung
öffentlicher Prüfungen erwarb. Statistische Vergleiche zeigen, daß



' *) Die erstere ist mit einer Gcwrrbs- lind Bergschule, die andere mir
einer Civilgemeschule verbunden.
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die cracker Wissenschaften. Diesem schmählichen Zustande hatten
zuerst die freien Universitäten abzuhelfen unternommen, die katholische
in Mecheln errichtete und bald nach! Löwen verlegte und die Brüsseler,
deren Gründung ein Werk der Liberalen ist. Ueber ein Jahr spä¬
ter wurden von Seiten des Staates die beiden Hochschulen in Lüttich
und Gertl) eingerichtet, die mit dem Anfange des Jahres 1836
ihre Arbeiten begannen; die alte Staatsuniversität in Löwen wurde
aufgehoben, um der katholischen Platz zu machen. Geht man die
Berichte durch, welche das Ministerium über die Universitäten in
Lüttich und Gent den Kammern seit 1837 jährlich vorgelegt har,
desgleichen die von der Administration der Brüsseler veröffentlichten
und die zwar spärlichen Notizen in den Jahrbüchern der katholischen
Universität, so ist es erfreulich, überall die Sorgfalt zu sehen, welche
auf alle Zweige des Unterrichts verwandt wird. Kaum geht ein
Jahr vorüber, ohne daß Verbesserungen, getroffen, die Lehrfächer
erweitert und die wissenschaftlichen Mittel vervollständigt wärein
Allein der Hauptgewinn der von vier Seiten her betriebenen Con-
currenz ist ohne Widerrede die Forderung des wissenschaftlichen Be¬
strebens, die vielfache Anregung der Studien und Methoden, wo¬
durch, wie zu hoffen ist, die belgischen Hochschulen vor dem Schicksale
der englischen, in denen der Unterricht im Ganzen und Großen sta¬
tionär wird, sich bewahren werden.

Hinsichtlich des Volksunterrichts haben wir schon erwähnt, daß
derselbe nach der Revolution in Verfall geriet!). Zufolge späterer
Kammerberichte stellt sich heraus, daß, wie die ConscrivtionSlisten
beweisen, in verschiedenen Provinzen bald ein Drittel, bald zwei
Fünftel, ja selbst mehr als die Hälfte der Militärpflichtiger ohne
alle Unterweisung geblieben waren. Seit der Neugestaltung der
Gemeinde- und Provinzialverfassung von 1835 hat die Negierung
planmäßig ihren Einfluß auf die Volks- und Gelehrtenschulen immer
weiter ausgedehnt, indem sie bei einer großen Anzahl derselben durch
Bewilligung eines Subsidiumö und in Folge einer darauf gegrün¬
deten Uebereinkunft sich daS Recht der Inspection, der Anordnung
öffentlicher Prüfungen erwarb. Statistische Vergleiche zeigen, daß



' *) Die erstere ist mit einer Gcwrrbs- lind Bergschule, die andere mir
einer Civilgemeschule verbunden.
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[0075] die cracker Wissenschaften. Diesem schmählichen Zustande hatten zuerst die freien Universitäten abzuhelfen unternommen, die katholische in Mecheln errichtete und bald nach! Löwen verlegte und die Brüsseler, deren Gründung ein Werk der Liberalen ist. Ueber ein Jahr spä¬ ter wurden von Seiten des Staates die beiden Hochschulen in Lüttich und Gertl) eingerichtet, die mit dem Anfange des Jahres 1836 ihre Arbeiten begannen; die alte Staatsuniversität in Löwen wurde aufgehoben, um der katholischen Platz zu machen. Geht man die Berichte durch, welche das Ministerium über die Universitäten in Lüttich und Gent den Kammern seit 1837 jährlich vorgelegt har, desgleichen die von der Administration der Brüsseler veröffentlichten und die zwar spärlichen Notizen in den Jahrbüchern der katholischen Universität, so ist es erfreulich, überall die Sorgfalt zu sehen, welche auf alle Zweige des Unterrichts verwandt wird. Kaum geht ein Jahr vorüber, ohne daß Verbesserungen, getroffen, die Lehrfächer erweitert und die wissenschaftlichen Mittel vervollständigt wärein Allein der Hauptgewinn der von vier Seiten her betriebenen Con- currenz ist ohne Widerrede die Forderung des wissenschaftlichen Be¬ strebens, die vielfache Anregung der Studien und Methoden, wo¬ durch, wie zu hoffen ist, die belgischen Hochschulen vor dem Schicksale der englischen, in denen der Unterricht im Ganzen und Großen sta¬ tionär wird, sich bewahren werden. Hinsichtlich des Volksunterrichts haben wir schon erwähnt, daß derselbe nach der Revolution in Verfall geriet!). Zufolge späterer Kammerberichte stellt sich heraus, daß, wie die ConscrivtionSlisten beweisen, in verschiedenen Provinzen bald ein Drittel, bald zwei Fünftel, ja selbst mehr als die Hälfte der Militärpflichtiger ohne alle Unterweisung geblieben waren. Seit der Neugestaltung der Gemeinde- und Provinzialverfassung von 1835 hat die Negierung planmäßig ihren Einfluß auf die Volks- und Gelehrtenschulen immer weiter ausgedehnt, indem sie bei einer großen Anzahl derselben durch Bewilligung eines Subsidiumö und in Folge einer darauf gegrün¬ deten Uebereinkunft sich daS Recht der Inspection, der Anordnung öffentlicher Prüfungen erwarb. Statistische Vergleiche zeigen, daß ' *) Die erstere ist mit einer Gcwrrbs- lind Bergschule, die andere mir einer Civilgemeschule verbunden. 5»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/75>, abgerufen am 23.07.2024.