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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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beweisen, nur an die beiden bereits im Jahr 5834 gestifteten freien
Universitäten zu erinnern, welche nicht wenig dazu beigetragen haben,
- inen regen Wetteifer in ven Universitätsstudien wach zu erhalten und
sie zuerst, wie wir gleich näher zeigen werden, eine der gefährlich¬
sten Lücken im öffentlichen Lehrwesen auszufüllen gestrebt haben.

Wenn das Decret der provisorischen Verwaltung sich daraus
beschränkt hatte, die damals bestehenden Staatölehranstalten als
solche anzuerkennen, so lag es nach Vollendung der Konstitution
des Landes der Regierung ob, "im Einverständnis) mit den Kam¬
mern daS gesammte öffentliche Unterrichtswesen zu reorganisieren."
Seit dem Jahre hat dieselbe dieses Gesetz durch eine Reihe
"on Institutionen zur Ausführung gebracht, von denen wir jetzt
lenz Rechenschaft zu geben haben.

Indem die Regierung eine Anzahl Lehranstalten errichtet, tritt
sie gewissermaßen neben die Privatpersonen und Gesellschaften, welche
aus eignen Mitteln für denselben Zweck thätig sind. Man könnte
meFrage auswerfen, inwiefern dies zu der höhern Stellung, zu der
Parteilosigkeit paßt, welche dem Staate, selner Natur nach, zukommt.
Ist indeß die Unterrichtsfreiheit einmal gegeben, so entsteht für den
Staat von selbst die Aufgabe, überall ermunternd und ergänzend
einzuwirken und seinerseits Lehrsäle zu eröffnen, da die vom Volke
frei und noch ungeordnet ausgehende Thätigkeit keine hinlängliche
Bürgschaft giebt, das; dieselbe den Bedürfnissen des ganzen Landes
entspreche. Doch würde der Staat allerdings diese seine natürliche
Stellung verläugnen, wenn er als Rival der freien Anstalten letztere
in ihrem Wirken und in ihrer Ausbreitung hemmte; ihm muß viel¬
mehr daran liegen, daß so viele Anstalten als möglich vorhanden
seien, die unmittelbar dem örtlichen Bedürfnisse entsprechend sind, mö¬
gen sie nun von Einzelnen odervon korporativen Unternehmen ausgehen.
'

Unter der niederländischen Regierung hatten in denbelgischen
Provinzen drei Universitäten, zu Löwen, Lüttich und Gent bestanden.
Nach der Revolution waren diese Universitäten für den Augenblick
durch den freiwilligen oder gezwungenen Austritt von siebenzehn Profes¬
soren, theils Holländern, theils Fremden, sowie bald nachher durch
die Entlassung von sechs anderen Professoren in Zerrüttung gerathen.
Ganze Facultäten waren eingegangen; so besaß Belgien eine Zeit
!nig nur Eine philosophische Facultät und ebenfalls nur Eine für


beweisen, nur an die beiden bereits im Jahr 5834 gestifteten freien
Universitäten zu erinnern, welche nicht wenig dazu beigetragen haben,
- inen regen Wetteifer in ven Universitätsstudien wach zu erhalten und
sie zuerst, wie wir gleich näher zeigen werden, eine der gefährlich¬
sten Lücken im öffentlichen Lehrwesen auszufüllen gestrebt haben.

Wenn das Decret der provisorischen Verwaltung sich daraus
beschränkt hatte, die damals bestehenden Staatölehranstalten als
solche anzuerkennen, so lag es nach Vollendung der Konstitution
des Landes der Regierung ob, „im Einverständnis) mit den Kam¬
mern daS gesammte öffentliche Unterrichtswesen zu reorganisieren."
Seit dem Jahre hat dieselbe dieses Gesetz durch eine Reihe
"on Institutionen zur Ausführung gebracht, von denen wir jetzt
lenz Rechenschaft zu geben haben.

Indem die Regierung eine Anzahl Lehranstalten errichtet, tritt
sie gewissermaßen neben die Privatpersonen und Gesellschaften, welche
aus eignen Mitteln für denselben Zweck thätig sind. Man könnte
meFrage auswerfen, inwiefern dies zu der höhern Stellung, zu der
Parteilosigkeit paßt, welche dem Staate, selner Natur nach, zukommt.
Ist indeß die Unterrichtsfreiheit einmal gegeben, so entsteht für den
Staat von selbst die Aufgabe, überall ermunternd und ergänzend
einzuwirken und seinerseits Lehrsäle zu eröffnen, da die vom Volke
frei und noch ungeordnet ausgehende Thätigkeit keine hinlängliche
Bürgschaft giebt, das; dieselbe den Bedürfnissen des ganzen Landes
entspreche. Doch würde der Staat allerdings diese seine natürliche
Stellung verläugnen, wenn er als Rival der freien Anstalten letztere
in ihrem Wirken und in ihrer Ausbreitung hemmte; ihm muß viel¬
mehr daran liegen, daß so viele Anstalten als möglich vorhanden
seien, die unmittelbar dem örtlichen Bedürfnisse entsprechend sind, mö¬
gen sie nun von Einzelnen odervon korporativen Unternehmen ausgehen.
'

Unter der niederländischen Regierung hatten in denbelgischen
Provinzen drei Universitäten, zu Löwen, Lüttich und Gent bestanden.
Nach der Revolution waren diese Universitäten für den Augenblick
durch den freiwilligen oder gezwungenen Austritt von siebenzehn Profes¬
soren, theils Holländern, theils Fremden, sowie bald nachher durch
die Entlassung von sechs anderen Professoren in Zerrüttung gerathen.
Ganze Facultäten waren eingegangen; so besaß Belgien eine Zeit
!nig nur Eine philosophische Facultät und ebenfalls nur Eine für


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[0074] beweisen, nur an die beiden bereits im Jahr 5834 gestifteten freien Universitäten zu erinnern, welche nicht wenig dazu beigetragen haben, - inen regen Wetteifer in ven Universitätsstudien wach zu erhalten und sie zuerst, wie wir gleich näher zeigen werden, eine der gefährlich¬ sten Lücken im öffentlichen Lehrwesen auszufüllen gestrebt haben. Wenn das Decret der provisorischen Verwaltung sich daraus beschränkt hatte, die damals bestehenden Staatölehranstalten als solche anzuerkennen, so lag es nach Vollendung der Konstitution des Landes der Regierung ob, „im Einverständnis) mit den Kam¬ mern daS gesammte öffentliche Unterrichtswesen zu reorganisieren." Seit dem Jahre hat dieselbe dieses Gesetz durch eine Reihe "on Institutionen zur Ausführung gebracht, von denen wir jetzt lenz Rechenschaft zu geben haben. Indem die Regierung eine Anzahl Lehranstalten errichtet, tritt sie gewissermaßen neben die Privatpersonen und Gesellschaften, welche aus eignen Mitteln für denselben Zweck thätig sind. Man könnte meFrage auswerfen, inwiefern dies zu der höhern Stellung, zu der Parteilosigkeit paßt, welche dem Staate, selner Natur nach, zukommt. Ist indeß die Unterrichtsfreiheit einmal gegeben, so entsteht für den Staat von selbst die Aufgabe, überall ermunternd und ergänzend einzuwirken und seinerseits Lehrsäle zu eröffnen, da die vom Volke frei und noch ungeordnet ausgehende Thätigkeit keine hinlängliche Bürgschaft giebt, das; dieselbe den Bedürfnissen des ganzen Landes entspreche. Doch würde der Staat allerdings diese seine natürliche Stellung verläugnen, wenn er als Rival der freien Anstalten letztere in ihrem Wirken und in ihrer Ausbreitung hemmte; ihm muß viel¬ mehr daran liegen, daß so viele Anstalten als möglich vorhanden seien, die unmittelbar dem örtlichen Bedürfnisse entsprechend sind, mö¬ gen sie nun von Einzelnen odervon korporativen Unternehmen ausgehen. ' Unter der niederländischen Regierung hatten in denbelgischen Provinzen drei Universitäten, zu Löwen, Lüttich und Gent bestanden. Nach der Revolution waren diese Universitäten für den Augenblick durch den freiwilligen oder gezwungenen Austritt von siebenzehn Profes¬ soren, theils Holländern, theils Fremden, sowie bald nachher durch die Entlassung von sechs anderen Professoren in Zerrüttung gerathen. Ganze Facultäten waren eingegangen; so besaß Belgien eine Zeit !nig nur Eine philosophische Facultät und ebenfalls nur Eine für

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/74>, abgerufen am 23.07.2024.