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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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tarschulen ausgesetzten Subsidien vorläufig aufrecht schalten werden
sollten, bis zur Zeit, wo der Nationalcongreß über die Sache einen
Beschluß gefaßt haben würde." Zu gleicher Zeit gab sie das Recht
der allgemeinen Inspektion über die Schulen und Erziehungsanstalten
auf und behielt dasselbe nur für die von Staatswegen errichteten
oder subventionirten Anstalten bei; ein Decret des Regenten vom
31. Mai 1831 löste die Provinzialcommijsionen auf, welche zur
niederländischen Zeit mit der Inspection der Schulen beauftragt ge¬
wesen waren. /

Die schlimmen Folgen dieser plötzlichen Freigebung des Unter¬
richts mußten sich natürlich zumeist in dem niederen Schulwesen
zeigen. Es erhob sich sogleich eine Reaction gegen alle ausschlie߬
licherweise vom Staate verwalteten Volksschulen. Viele Gemeinden
unterdrückten die Ausgaben, welche sie bisher gehalten gewesen
waren, für den Unterricht zu bewilligen. Das Mißtrauen, womit
man die vorige Verwaltung angesehen, erstreckte sich auch auf die
Einrichtungen, welche von der neuen ausgingen. Ueberall thaten
sich Privatschulen auf, welche gegen die der Gemeinden eine gefähr¬
liche Concurrenz unterhielten. Durch billige Preise und freigebige Ver¬
sprechen ließ man sich nach den Anstalten hinlocken, wie sie eben
aus dem Stegreife geschaffen wurden, ohne nach ihrem Geist und
der Wahrheit ihrer Programme zu fragen. So geschah es bald,
daß die bessern Lehrer sich von dem Elementarunterricht abwandten.
Auf den Dörfern sah man meist nur diejenigen sich diesem Ge¬
schäfte widmen, denen es in keinem anderen glücken wollte. Die
Opposition gegen die Institute der Regierung dauerte während der
ersten zwei Jahre fort; nach dieser Zeit trat an die Stelle derselben
eine Gleichgültigkeit, die nicht minder verderblich werden mußte. Ge¬
gen alle diese Uebel hatte der Staat kein anderes Mittel, als das
der Vorstellung und Ueberredung. Nur nach und nach gelang es
ihm, auf diesem Wege den Unterricht in einer großen Anzahl von
Gemeinden emporzubringen.

Von ganz anderer Art waren die Folgen der neuerworbenen
Freiheit für den mittlern und höheren Unterricht. Ohne der zahl¬
reichen Bildungsanstalten zu gedenken, hier von Privaten, dort von
Städten und Vereinen gegründet oder unterstützt und erweitert, so
brauchen wir, um den wohlthätigen Einfluß des neuen Gesetzes zu


tarschulen ausgesetzten Subsidien vorläufig aufrecht schalten werden
sollten, bis zur Zeit, wo der Nationalcongreß über die Sache einen
Beschluß gefaßt haben würde." Zu gleicher Zeit gab sie das Recht
der allgemeinen Inspektion über die Schulen und Erziehungsanstalten
auf und behielt dasselbe nur für die von Staatswegen errichteten
oder subventionirten Anstalten bei; ein Decret des Regenten vom
31. Mai 1831 löste die Provinzialcommijsionen auf, welche zur
niederländischen Zeit mit der Inspection der Schulen beauftragt ge¬
wesen waren. /

Die schlimmen Folgen dieser plötzlichen Freigebung des Unter¬
richts mußten sich natürlich zumeist in dem niederen Schulwesen
zeigen. Es erhob sich sogleich eine Reaction gegen alle ausschlie߬
licherweise vom Staate verwalteten Volksschulen. Viele Gemeinden
unterdrückten die Ausgaben, welche sie bisher gehalten gewesen
waren, für den Unterricht zu bewilligen. Das Mißtrauen, womit
man die vorige Verwaltung angesehen, erstreckte sich auch auf die
Einrichtungen, welche von der neuen ausgingen. Ueberall thaten
sich Privatschulen auf, welche gegen die der Gemeinden eine gefähr¬
liche Concurrenz unterhielten. Durch billige Preise und freigebige Ver¬
sprechen ließ man sich nach den Anstalten hinlocken, wie sie eben
aus dem Stegreife geschaffen wurden, ohne nach ihrem Geist und
der Wahrheit ihrer Programme zu fragen. So geschah es bald,
daß die bessern Lehrer sich von dem Elementarunterricht abwandten.
Auf den Dörfern sah man meist nur diejenigen sich diesem Ge¬
schäfte widmen, denen es in keinem anderen glücken wollte. Die
Opposition gegen die Institute der Regierung dauerte während der
ersten zwei Jahre fort; nach dieser Zeit trat an die Stelle derselben
eine Gleichgültigkeit, die nicht minder verderblich werden mußte. Ge¬
gen alle diese Uebel hatte der Staat kein anderes Mittel, als das
der Vorstellung und Ueberredung. Nur nach und nach gelang es
ihm, auf diesem Wege den Unterricht in einer großen Anzahl von
Gemeinden emporzubringen.

Von ganz anderer Art waren die Folgen der neuerworbenen
Freiheit für den mittlern und höheren Unterricht. Ohne der zahl¬
reichen Bildungsanstalten zu gedenken, hier von Privaten, dort von
Städten und Vereinen gegründet oder unterstützt und erweitert, so
brauchen wir, um den wohlthätigen Einfluß des neuen Gesetzes zu


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[0073] tarschulen ausgesetzten Subsidien vorläufig aufrecht schalten werden sollten, bis zur Zeit, wo der Nationalcongreß über die Sache einen Beschluß gefaßt haben würde." Zu gleicher Zeit gab sie das Recht der allgemeinen Inspektion über die Schulen und Erziehungsanstalten auf und behielt dasselbe nur für die von Staatswegen errichteten oder subventionirten Anstalten bei; ein Decret des Regenten vom 31. Mai 1831 löste die Provinzialcommijsionen auf, welche zur niederländischen Zeit mit der Inspection der Schulen beauftragt ge¬ wesen waren. / Die schlimmen Folgen dieser plötzlichen Freigebung des Unter¬ richts mußten sich natürlich zumeist in dem niederen Schulwesen zeigen. Es erhob sich sogleich eine Reaction gegen alle ausschlie߬ licherweise vom Staate verwalteten Volksschulen. Viele Gemeinden unterdrückten die Ausgaben, welche sie bisher gehalten gewesen waren, für den Unterricht zu bewilligen. Das Mißtrauen, womit man die vorige Verwaltung angesehen, erstreckte sich auch auf die Einrichtungen, welche von der neuen ausgingen. Ueberall thaten sich Privatschulen auf, welche gegen die der Gemeinden eine gefähr¬ liche Concurrenz unterhielten. Durch billige Preise und freigebige Ver¬ sprechen ließ man sich nach den Anstalten hinlocken, wie sie eben aus dem Stegreife geschaffen wurden, ohne nach ihrem Geist und der Wahrheit ihrer Programme zu fragen. So geschah es bald, daß die bessern Lehrer sich von dem Elementarunterricht abwandten. Auf den Dörfern sah man meist nur diejenigen sich diesem Ge¬ schäfte widmen, denen es in keinem anderen glücken wollte. Die Opposition gegen die Institute der Regierung dauerte während der ersten zwei Jahre fort; nach dieser Zeit trat an die Stelle derselben eine Gleichgültigkeit, die nicht minder verderblich werden mußte. Ge¬ gen alle diese Uebel hatte der Staat kein anderes Mittel, als das der Vorstellung und Ueberredung. Nur nach und nach gelang es ihm, auf diesem Wege den Unterricht in einer großen Anzahl von Gemeinden emporzubringen. Von ganz anderer Art waren die Folgen der neuerworbenen Freiheit für den mittlern und höheren Unterricht. Ohne der zahl¬ reichen Bildungsanstalten zu gedenken, hier von Privaten, dort von Städten und Vereinen gegründet oder unterstützt und erweitert, so brauchen wir, um den wohlthätigen Einfluß des neuen Gesetzes zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/73>, abgerufen am 23.07.2024.